Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
karlo

Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von karlo »

Es wird keine Restauration eines historisch wertvollen Gehaeuses, also erlaubt.
Ich wuerd es zwar trotzdem nicht machen....

Karlo
walter der jüngere

Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

wenn man den Wert des Objektes nicht zu hoch ansetzt, so daß nur eine Konservierung des jetzigen Zustands infrage kommt, ihn aber auch nicht so taxiert, daß nur noch der Weg in den Ofen als ökonomisch sinnvoll erscheint, dann spricht m.E. einiges für einen stilgerechten Umbau.

Was die Verwendung von Ponal - oder sonstigen Weißleimen - an Eichenholz oder anderen Harthölzern betrifft, da gehen die Meinungen der Fachleute meist weit auseinander.
Für Hobbyisten mag das alles gut, schön und praktisch erscheinen, denn Ponal ist da ja fast in jedem Baumarkt vorrätig.
Aber das erfolgreiche Verleimen von Harthölzern unterliegt seinen ganz eigenen Regeln.
Und früher wurde an Hartholz nicht allzu viel mit Leim gearbeitet. Aus gutem Grund, aber auch das ist offenbar nicht jedermann/jederfrau bekannt.
Ponal oder andere Weißleime kamen in früherer Zeit nicht zum Einsatz.
Nicht nur, weil es sie noch nicht gab, sondern auch nicht, als es sie dann (endlich) gab.

So - noch dazu altes - Hartholz unbedingt verleimt werden soll/werden muß, so sollten die Klebflächen sehr sorgfältig vorbereitet werden. Es gibt im Fachhandel spezielle Leime, die für die Verarbeitung mit Hartholz besonders gut geeignet sind.
Viel häufiger - und dies lässt sich auch sehr anschaulich aus den vorangegangenen Schilderungen entnehmen, wurden in früheren Zeiten die verschiedenen Hartholzteile allerdings verdübelt, verzapft, verzinkt, mit Schienen, Bändern, Keilen, Pflöcken und Holz- bzw. Messingstiften aneinander befestigt.
So umging man viele Probleme, die man mit Leim und Lack an - noch dazu alten - Harthölzern erleben kann.
Außer den nun schon genannten Verbindungsarten wurden aber auch Schrauben an Eichenholzmöbeln verwendet - dies waren aber durchweg Messingschrauben.
Denn die Gerbsäure, die sich im Eichenholz befindet, lässt jeden Eisennagel in absehbarer Zeit verrosten und dabei zu unschönen, irreversiblen Flecken zerfallen.
Eisenbänder, Eisenscharnier kamen zwar auch zum Einsatz, allerdings sah man dies als "bei Bedarf austauschbares Beiwerk" an, welches also nur mit zur Verfügung stehenden Mitteln (auch an der Holzseite!) gegen Korrosion geschützt wurde.
Ja, man ging damals nicht davon aus, daß "alles" "ewig" halten müsse. Man ging davon aus, daß es reicht, wenn die Substanz sehr lange hält, und man diverses Beiwerk dem jeweiligen Zeitgeschmack und Bedarf anpasst/anpassen würde.

Um die Festigkeit/Steifigkeit mechanischer Hartholzverbindungen noch zusätzlich zu erhöhen, verwendete man in früherer Zeit nicht nur lange und gut abgelagertes - und damit auch sehr gründlich getrocknetes Eichenholz.
Ein paar Wochen vor dem eigentlichen Zusammenfügen wurden die Teile waren dann, nach dem Schneiden und Bearbeiten nochmals zum Nach- und Intensivtrocknen beiseite gelegt. Erst dann wurden die Nuten, Zapfen oder Zinken eingesägt - und zeitnah zusammengefügt. Dann in normaler Luftfeuchtigkeit, quoll das Holz wieder etwas auf, und die Verbindungen bekamen eine ungeahnte Steifigkeit.

Eichenholz, aber auch alle anderen Hölzer wurden vor dem Trocken sehr intensiv geschwemmt. Die Schwemmung entzog dem Holz viel von seinem sonst sehr aggressiven Harz.
Dies hatte mehrere positive Folgen, eine davon ist auch für uns Uhrmacher durchaus relevant: Gerade Eichenholz gast aus - wie eigentlich fast jedes Holz. Aber: Diese Gase reagieren mit Eisen, aber auch mit Öl (und damit indirekt auch mit der Messingoberfläche).
Je frischer und harzhaltiger solche Hölzer sind (man denke z.B. auch an Tropenhölzer), umso stärker sind die chemischen Reaktionen.

Wenn "Minzbonbon" also beim Tischler sich Eichenholz für einen neuen Gehäusekopf schneiden lassen möchte, so mag das dort verfügbare Holz zwar trocken sein, im günstigen Fall mag es sogar auch kerntrocken sein, aber ist es auch geschwemmt und abgelagert?

Nein, derartiges Know-how gibt es meist nicht im DIY-Kurs der VHS, und auch nicht in der Einstiegslektüre für Hobbyschreiner.
Ein gewisser Einblick in die frühere Holzvorbereitung (und da sogar ganz speziell für Uhrmacher) gibt das Buch von B. Schaaf: Holzräderuhren.

Für stilistische Anregungen gibt es Bücher über bergische und westfälische Uhren, genauso über niederländische Wand- und Standuhren. Manche dann in der jeweils auch anderen Landessprache. Auch der Besuch von einschlägigen Museen und das Studium der jeweiligen Ausstellungskataloge kann sehr hilfreich sein.
Zum Be- und Verarbeiten von alten Hölzern gibt es kaum spezielle Literatur. Selbst die Bücher, die sich mit dem Aufarbeiten alter Möbel beschäftigen sind da oft nicht wirklich tiefgehend. Hier ist mehr oder minder viel Erfahrung notwendig.
Am besten, man tut sich mit Restauratoren zusammen.
Wobei da auch eines zu bedenken ist:
Jeder hat so seine eigenen "Kochrezepte" - und Preisvorstellungen. Und die sind nicht unbedingt erfolgreich untereinander mischbar. Soll heißen, man muß sich entscheiden, mit wem man nach welcher Methode/Sichtweise arbeitet. Dies dann konsequent und zielgerichtet. Dann ist solch eine Zusammenarbeit nicht nur lehrreich, sondern auch erfolgreich.

Walter d. J.
karlo

Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von karlo »

Zu Walters langer Abhandlung noch eine kurze Anmerkung, die ich vielleicht auch nur uebersehen hab:

Harthoelzer, Eiche, Buche, Teak, usw, bieten dem ueblichen Weissleim nicht die Moeglichkeit ein zu ziehen.
Das gibt ne Oberflaechenpapperei.
Solche Hoelzer muss man aufrauhen.
Ganz grober Schmirgel, 50/60, Drahtbuerste.....

Karlo
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soaringjoy
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Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von soaringjoy »

Vielen Dank erstmal für die gelungenen Zeichnungen, da bekommt man schon
einen besseren Eindruck.
Die Frage des Leimes wurde ja schon hinreichend erörtert, deshalb nur noch ganz kurz:
Es ist einfach eine Glaubensfrage, wie man vorgeht.
Einerseits ist es eine Restauration, da darf man die neuen Teile durchaus als solche
erkennen.
Andererseits würde mancher Museumskurator "Zeter und Mordio" schreien.
Ich habe den Eindruck, Du wirst Deinen gangbaren Weg schon finden.

Nach langem blättern in den Büchern komme ich wohl zu dem Schluss, dass die allermeisten
bergische / westfälische Uhren einen Kopf mit Rundbogen hatten, zumal wenn das ZB so
ausgelegt war.
Das würde die Arbeit nicht unbedingt erleichtern, schon klar.

Ich empfehle Dir, bevor Du anfängst, einmal selbst in die Bücher

"Uhrmacher im Bergischen Land" von Helmut Krieg

und

"Die Zeit vor Augen - Standuhren in Westfalen" von Carstensen / Reinke

hineinzuschauen; ich denke, es lohnt sich.

J.
"tempus nostrum"
Minzbonbon
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Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von Minzbonbon »

Hallo Kollegen,

kleiner Zwischenbericht zu den Arbeiten. Die Restauration des Sockels geht langsam voran, die Bilder sagen da wohl mehr als alle Worte. Als Leim habe ich übrigens (haut mich nicht) normalen Weißleim (Ponal) genommen. Die Risse und kleinere Macken habe ich mit einer Paste aus durchgesiebtem dunklem Holzmehl und Leim ausgefüllt, das passt farblich schon so ziemlich gut. Mit Wasserbeize Mooreiche dunkel kommt der originale Farbton wohl auch ganz gut hin.
Zum Gehäuse selber: Das ist definitiv original, es ist eine echt grobe Arbeit, die Verbindungen sind mit Holznägeln vorgenommen, nur zwei der Profilleisten sind mit viereckigen Eisennägeln verbunden, die allerdings sehr rostig sind, ich habe sie allerdings heil rausgekriegt und werde sie wohl auch wieder einsetzen, allerdings trotzdem zusätzlich leimen. Auch das Holz selber ist an einigen Stellen fehlerhaft, wilde Stellen, Kernholz usw., so dass Risse und Verwerfungen entstanden sind. Irgendwie trifft der Begriff Dorftischlerarbeit wohl zu.
Eine Frage zu dem letzten Bild, das mit dem Sichtloch für die Pendellinse von innen. Auf der Rückseite ist sehr grob der Rand abgestochen, so dass ein Glas eingesetzt werden konnte, der Rand war voll altem bröckeligem Fensterkitt und ein kleiner Nagel zum Fixieren der Scheibe steckte noch drin, der ist viereckig, also vermutlich auch alt. Was soll ich damit machen? Das sieht irgendwie total gefrickelt und nach Murks aus. Einfach so wie es ist wieder eine Scheibe mit Kitt einsetzen? Das täte mir echt weh. Oder sauber ausfräsen und dann Scheibe reinsetzen und mit Glasleiste fixieren, oder mit passenden Holzstücken ausflicken und offen lassen?
Sagt mal bitte etwas.

Liebe Grüße
Minzbonbon
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soaringjoy
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Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von soaringjoy »

Danke für das Update - das kommt guuuutt... :)

J.
"tempus nostrum"
KleineSekunde
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Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Minzbonbon,

das hat sich doch echt gelohnt! Ein sehr schönes Resultat!

Es wäre eventuell zwar einfacher, eine runde oder rechteckige (anstatt einer sonst benötigten linsenförmigen) Scheibe für das Sichtloch zu besorgen, um dann den Bereich durch entsprechende neue Ausfräsungen anzupassen, zumal die Holzbearbeitung hier ja wohl aufgrund der bisherigen Arbeiten kein Problem darstellt. Dadurch würde aber natürlich auch Original-Substanz zerstört und der Charme der Arbeit des "Dorftischlers" wäre verloren...

Ich tendiere jedenfalls dazu, die bisherige Lösung so zu lassen.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Heinrich
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Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von Heinrich »

ich schließe mich der Meinung von Guido an. Gerade das Einfache und Rustikale der Arbeit macht das Gehäuse doch so reizvoll. Also: LASSEn! Selbst mit noch soviel Mühe wird daraus nämlich kein Möbel eines Herrn David Röntgen.
Heinrich-
Der liebe Gott gab uns die Zeit (von der Eile hat er nichts gesagt!).
Minzbonbon
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Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von Minzbonbon »

Danke für das Lob, die Arbeit hat bisher auch viel Spaß gemacht. Zu dem Sichtloch: O.k., ich werde das Holz in seinem Bestand so lassen und eine Scheibe mit Kitt einsetzen, die Substanz bleibt also erhalten. Aber vielleicht setze ich dann innen eine saubere dünne Holz-Blende davor, um dieses elende unregelmäßige 8-Eck und den Kitt zu verdecken. Ich kann mir diesen Murks, auch wenn er historisch sein sollte, einfach nicht anschauen.
steffl62
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Re: Standuhrgehäuse lohnt Restauration?

Beitrag von steffl62 »

Also ich liege ja vielleicht völlig daneben (mit so alten Standuhren hab ich eigentlich keine Erfahrungen) aber ich denke nicht das das Glas eingekittet war. Bei allen Großuren jüngeren datums die ich kenne sind die Glasscheiben entweder zwischen Korpus und vorgesetzten, mit Nägeln befestigten Holzleisten befestigt oder auch nur von vorgesetzten dünnen Nägeln, Stiften oder auch scharfkantigen Blechdreiecken gehalten. Verkittet hab ich Glasscheiben bei Großuhren noch nie gesehen.

lg Christian
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