Neuer Sekundenpendler

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
Antworten
Holger Brandt
Beiträge: 27
Registriert: Do 9. Sep 2010, 22:13
Wohnort: Stadt Dornburg-Camburg
Kontaktdaten:

Neuer Sekundenpendler

Beitrag von Holger Brandt »

Hallo alle zusammen, hatte Euch ja versprochen, dass ich mich wieder mal melde, wenn ich was Neues zusammengebastelt habe. Ja, die Zeit ist immer knapp, der Kopf voll Ideen und so bleibt halt Einiges auf der Strecke.
Doch eine mit Sekundenpendel und Granitrückwand habe ich wieder fertig (an zwei weiteren baue ich gerade).
Habe wieder mal bissl was an der Antriebsteuerung verändert, somit habe ich jetzt auch el. Uhren (aus Eigenbau), die batterietauglich sind. Klar, wegen der fehlenden Luftdruckkompensation nicht so genau wie der geregelte Vorgänger, aber mit wenigen Sekunden Abweichung pro Woche, ist der Gang ganz akzeptabel.
Zur Info übers Prinzip: Unterm Pendel sitzt ein fest montierter Reedkontakt, der bekommt immer dann, wenn das Pendel in seiner senkrechten Position darüber schwingt das Magnetfeld vom Pendelmagneten um die Ohren und schließt somit seinen Kontakt. Eine Uhr würde natürlich mit nur diesem Kontakt nicht laufen können, weil sich die Antriebsimpulse dann auf dem Hin- und Rückweg aufheben würden.
Also, gibts noch eine Schaltweiche dazu. Das ist eine senkrecht stehende, auf zwei Pendelfedern gelagerte, Wippe. Oben und unten sind wieder Magneten vorhanden. Der seitliche Weg, den diese Wippe zurücklegen kann, ist mit Einstellschrauben auf wenige Millimeter begrenzt. Das Pendel bewegt mit einem weiteren Magneten (am Pendel mit nem Seitenausleger befestigt) die Schaltwippe. Wippenmagnet und Pendelmagnet stoßen sich ab. Der Energieaufwand zum Bewegen der Wippe ist rel. gering, weil der Arbeitsweg der Wippe klein und der Magnetabstand sehr groß (einige Zentimeter) sind. Ein exaktes Ausrichten der Wippe vorausgesetzt!
Immer dann, wenn das Pendel die lotrechte Lage passiert hat, wird die Schaltwippe "überholt" und dann durch das abstoßende Magnetfeld zurück bewegt. Die Schaltwippe bleibt so lange in dieser Lage, bis das Pendel auf seinem Rückweg diese wieder überholt und auf die andere Seite gegen den Anschlag drückt.
Der untere Magnet an der Schaltwippe bewegt sich dabei in der Nähe eines fest montierten Reedkontaktes. Damit ist dieser geschlossen, wenn sich die Wippe an dem einen und geöffnet, wenn sich die Wippe an dem anderen Anschlag befindet.
Beide Reedkontakte in Reihe, ne Schaltstufe (1 Transistor) und ne Spannungsstabilisierung, fertig ist die Steuerung. Bei der Strombelastung von 1 bis 2 mA und keinen Spannungsspitzen, dürften die Reedkontakte ein langes Leben haben. Die beiden Antriebspulen (für Hauptpendel und Pendel des Anzeigewerks, sozusagen ein Nebenwerk) sind ebenfalls in Reihe. Damit ist der schaltungstechnische Aufwand klein und überschaubar.
Das nächste Projekt (läuft schon im Test) auch nach diesem Grundprinzip hat dann einen doppelseitigen Antrieb. Das wird möglich, indem unter der Schaltweiche jeweils rechts und links ein Reedkontakt sitzt.... . Mit dem doppelseitigen Antrieb sind die Uhren weniger empfindlich gegen geringe Lageänderungen (Gebäudebewegungen).
Wenn ich jetzt die Bilder dazu noch herbekomme, könnt Ihr nach verfolgen, was ich da gerade zusammengeschrieben habe.

Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen und freue mich über Eure Einschätzungen.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von Typ1-2-3 »

Sieht wirklich nett aus, und ich glaube Dir unbesehen, dass die Uhr recht genau läuft. Mit ein paar Sekunden pro Woche sieht es eher so aus, als dass Du untertrieben hast. Ich denke, bis auf 1 bis 2 Sekunden pro Monat lässt sich das ohne großen Aufwand verbessern.

Dir ist bekannt, dass die Reed-Kontakte nur eine begrenzte Schalthäufigkeit haben? "Nur so einige Millionen". Das hört sich zunächst viel an, aber: Wenn man dann bedenkt, dass jede Sekunde ein Kontakt stattfindet, kommt man auf eine Lebensdauer von weniger als z. T. ein Jahr. Kurz gerechnet, sind das über 31 Millionen Schaltungen pro Jahr. Und das unabhängig von dem Schaltstrom. Das hätte ich auch nicht bedacht, habe es aber im Buch "Synchronom" gelesen. Dort hatte jemand eine ähnliche Idee, aber die Uhren kamen innerhalb einer kurzen Zeit alle mit Kontaktfehlern zurück. Man sollte sich also dieses spezielle Bauteil in mehrfacher Ausführung auf Lager legen, wenn man die Uhr mehrere Jahre betreiben will. Nur, dass man von diesen Bauteilen Lagerware hat...

Frank
Holger Brandt
Beiträge: 27
Registriert: Do 9. Sep 2010, 22:13
Wohnort: Stadt Dornburg-Camburg
Kontaktdaten:

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von Holger Brandt »

Hallo Frank,

das habe ich von Anfang an sozusagen im Visier gehabt. Die Suche nach Angaben von Schaltzyklen in Datenblättern werlief ganz anders als geplant ... habe dazu nix gefunden. Zumindest nix bei den kleineren Bauformen, die ich hierfür brauche.
Als "Vorhaltemaß" habe ich, wie schon geschrieben, den Strom auf ein Minimum begrenzt. Damit sich die Kontaktfedern nicht zu weit durchbiegen, sind die magn. Einflüsse nur sehr wenig mehr bemessen als unbedingt nötig. Nach logischer Überlegung bliebe dann ne Lebensdauer einer Pendelfeder .... . Mal seh´n was passiert, ich hoffe ich werde erleben :-).
helsper
Beiträge: 178
Registriert: So 26. Dez 2010, 19:15

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von helsper »

Hallo Holger,
über das Problem des Kontaktverschleißes liest man schon bei den allerersten Elektrouhren. Ich empfehle ein Ölschütz oder einen Expansionsschalter, wie ihn die Kraftwerke nehmen. Die sind durabel und man hat was davon!
Ich habe das bei meiner Uhr auch geplant ....
Das hat mir ein Nachbar, der volle Ernst, geraten.
Holger Brandt
Beiträge: 27
Registriert: Do 9. Sep 2010, 22:13
Wohnort: Stadt Dornburg-Camburg
Kontaktdaten:

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von Holger Brandt »

Vergackeiern kann ich mich selbst!!!!!

Es geht um mA und nicht KA!

Spass beiseite, weiss ja wie´s gemeint ist. Das Problem der alten Elektrouhren dürfte damit vom Tisch sein.
Habe mir eben ne Versuchsanordnung gebaut. Ein kleiner Motor auf nem Holzbrett mit nem Magneten in einem Rad gibt dem Reedkontakt bei jeder Umdrehung ein Zeichen. Damit ich sehe, ob die sich verstehen, lämpelt da noch ne LED (ca. 10-facher Strom als bei meinen Uhren) und ein Zähler passt richtig auf. Nach meinen Hochrechnungen müssten das so um die 6 Mill pro Woche werden (schneller machts mein Zähler nicht).... .
Mal sehn wo der Zähler (oder der Motor :-)) stehen bleibt?

Bis danne, Holger
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von Typ1-2-3 »

Noch einige Anmerkungen zu den Reed-Kontakten:

Ich habe mal nachgesehen, was da in der alten Literatur zusammen kommt. Und da habe ich in dem Buch "Synchronome" von Robert H. A. Miles ein nettes Bild gefunden:

Bild

Übrigens: Im Buch "Synchronome" nachzulesen, Seite 190. Das Buch stelle ich noch hier vor. Wer es kaufen will: Es lohnt sich.

In der Mitte auf der linken Seite sieht man gut den Hufeisenmagneten und die Glasröhre. Also ähnliche Schaltung wie bei Dir. Man kann natürlich davon ausgehen, dass um 1930 die Reed-Kontakte noch nicht so ausgereift waren wie heute, aber von diesen Uhren sind so in etwa nur die Prototypen übrig geblieben, denn alle Uhren, die ins Publikum gingen, kamen relativ flott zurück, wegen der Kontakte. Die wurden dann eingestampft, wegen mangelnder Zuverlässigkeit.

Ich habe auch eine Seite - nach vielem Suchen - gefunden, wo mal mal eine Zahl sieht:

http://www.leuze.de/products/las/mcs/mc336/p_05_de.html

Dort wird von der Zahl 20 Millionen gesprochen, was für Pegelstandsanzeigen wie in einer Kaffeemaschine satt ausreichend ist. Hier aber etwas knapp. Danach sind 10% der Schalter ausgefallen. Sicher ist das nicht.

Es ist bei 31 Millionen Sekunden pro Jahr dann doch immer wieder erstaunlich, dass die Ato-Uhren dann mehrere Jahrzehnte mit einem einfachen Kontaktsatz mit Platin und Gold in Luft durchhalten!!! Meine Erfahrungen mit diesen simplen Kontakten waren immer gut: Das Gold hat eine Grube nach mehreren Millionen Schaltungen. Diese lassen sich rauspolieren, und gut ist es wieder für mehrere Jahrzehnte. Wahnsinn!



Frank
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo,

ein wirklich schöner und technisch interessanter Eigenbau! Vielen Dank für diesen Bericht!

Bei Reed-Kontakten muss ich mangels eigener Erfahrungen leider passen, aber bei vielen Bauteilen ist die Anzahl der Schaltvorgänge durchaus begrenzt. Bei Relais in handelsüblicher Ausführung liegt die Zahl "nur" bei 20 bis 50 Millionen. Mehr habe ich da bislang "im Standardbereich" (also bei Conrad und ähnlichen Anbietern) noch nicht gefunden. Sicherlich ist dies die Spezifikation des Herstellers und man kann davon ausgehen, dass diese Zahl der Schaltvorgänge bei geringer Strombelastung und unter "Wohnzimmer-Atmosphäre" (bei konstanten Einsatzbedingungen ohne Ausnutzung der spezifizierten Einsatzgrenzen wie Temperatur und zulässiger Umgebungsfeuchtigkeit) in der Realität deutlich höher liegen sollte.

Da die Beschaffung dieser Teile eher wenig kostenintensiv ist, würde ich aber auch durchaus dazu raten, Ersatzteile heute schon zu beschaffen, auf die dann gegebenenfalls zurück gegriffen werden könnte. Auch vor dem Hintergrund, dass sich in einigen Jahren die Abmessungen der Bauteile sicher wieder geändert haben und somit Anpassungen nötig würden, die man sich sparen könnte, wenn denn baugleiche Teile verfügbar wären...

Eventuell bin ich da auch etwas zu vorsichtig, aber ich finde es "beruhigend", Ersatzteile in der Schublade zu haben, die ich gegebenenfalls nutzen könnte, auch auf die Gefahr hin, dass diese "Investition" unbegründet war...

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Holger Brandt
Beiträge: 27
Registriert: Do 9. Sep 2010, 22:13
Wohnort: Stadt Dornburg-Camburg
Kontaktdaten:

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von Holger Brandt »

Na, da ist ja ne prima Disskussion entstanden!
Das habe ich am WE bei nem Hersteller von Reedkontakten gefunden:

Bei Schaltspannungen unter 5 V (Lichtbogen-Grenze) sind Schaltspiele weit über 10e9 hinaus erreichbar.

Wenn ich mal diese Zahl annehme und berücksichtige, dass nur alle 2 Sekunden tatsächlich ein kleiner Strom fließt (die Reedkontakte sind in Reihe geschalten), müsste eine Lebensdauer von über 60 Jahren rauskommen.
Wenn bei Synchronom die Dinger nur ein kurzes Leben hatten, dürfte die Ursache darin gelegen haben, dass der Spulenstrom direkt geshalten wurde. Da wundert mich das nicht. Bei den wesentlich größeren Strömen und den Spannungsspitzen beim Ausschalten würde ich nie auf die Idee kommen sowas zu bauen!

Ich werde auf alle Fälle eine angemessene Menge an Reedkontakten auf Lager legen. Mit der Teileversorgung für die Zukunft sehe ich das auch so wie Kleine Sekunde. Wer weiss schon, was in 20, 30 Jahren los ist? Keiner, denke ich.
Da können ruhig paar Transistoren, Reedkontakte und Spannungsregler im Regal lauern.... .
steffl62
Beiträge: 972
Registriert: Sa 21. Aug 2010, 09:47
Wohnort: Wien

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von steffl62 »

Servus,
ich würde an Deiner stelle bei einer neuen Uhr eher einen Hall-sensor verwenden. Da gibt es dann keine beweglichen Teile und damit auch eine wesentlich höhere Lebenserwartung.
Wenn man Reedkontakte zur Ersatzteilversorgung auf Lager legt sollte vorher die max. Lagerfähigkeit geprüft werden. Bei vielen elektronischen Bauteilen ist die nur 1 -2 Jahre.

lg Christian
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!
Benutzeravatar
praezis
Beiträge: 312
Registriert: Sa 21. Aug 2010, 14:01
Wohnort: Karlsruhe

Re: Neuer Sekundenpendler

Beitrag von praezis »

Hallo Holger,
mit der Lebensdauer der Reeds sehe ich das genauso wie Du - wobei 50-60 Jahre auch nicht "ewig" ist.
Bei mir läuft seit ca. 10 Jahren ein mech. Gewichtsregulator, dessen Pendel DCF-synchronisiert wird. Dabei betätigt ein kleiner Magnet am Pendelende einen Mini-Reedkontakt im 0.75s Takt - bis heute arbeitet er klaglos, er wird auch praktisch nur mechanisch belastet.

Etwas anderes sehe ich kritischer:
die Remanenz des Magneten hat einen Temperaturbeiwert von ca. 0,2%/°C - damit könntest Du Dir einen neuen Temperaturfehler einfangen:
1. die Anziehung zwischen Magnet und Reed verändert direkt die Schwingungsdauer (s. Pendelformel). Ändert sich die Anziehungskraft, wirkt sich das direkt auf die Schwingungsdauer aus.
2. bei sich ändernder Remanenz ändert sich auch der Zeitpunkt der Reed-Aktivierung, zumal bei großem Abstand. Auch das ändert den Gang, wie Du ja weisst. Überhaupt glaube ich, dass bei Deiner Anordnung der Schaltzeitpunkt unscharf definiert ist. Möglicherweise wäre eine magnetische Gabelschranke, die von einem Eisenblech am Pendel unterbrochen wird, exakter?
Beide Punkte gelten für Reeds oder Hallsensoren.

Natürlich sind das nur qualitative Überlegungen. Inwieweit die Einflüsse überhaupt ins Gewicht fallen, müsste man dann durchrechnen.

Gruß,
Frank
Fliegeruhren - Hanhart Vintage Service
Antworten