Experiment im 2. Anlauf gelungen

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karlo

Re: Misslungenes Experiment

Beitrag von karlo »

270 waere gerade schoen gewesen. :-(
Aber wenn Du die Spirale evtl. sowieso kuerzen musst, passts ja vielleicht wieder.
Sonst wird Dir nichts anderes uebrig bleiben, ne starkere zu suchen. (Beileid) :-)

Karlo
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Typ1-2-3
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Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von Typ1-2-3 »

Die Amplitude bei gleicher Voltzahl vergrößerte sich immer mehr, um so stärker, als ich auf das Kontaktfederchen noch ein dünnes Silberblech aufgelötet habe. Dazu kam noch ein Funkenlöschwiderstand, improvisiert und an sich im Wert etwas zu klein, aber er schützt den Kontakt. Schließlich war die Unruhamplitude so hoch, dass ich zu der Spannungsquelle von 3 Volt einen Vorwiderstand dazu bauen musste, damit die Unruh nicht zu weit ausschwingt und dabei die Spiralfeder beschädigt. Die Sache lief so überzeugend, dass ich daran denke, daraus eine Mischung aus Gangmodell und Tischuhr zu bauen. Dabei gibt es aber 2 Schwierigkeiten:

Erstens muss bei einer Uhr die Schwingungszahl einen bestimmten Wert genau einhalten, was bei einem Gangmodell recht egal ist.

Zweitens muss ja irgendwo ein Räderwerk angetrieben werden. Und obwohl alles räumlich reichlich konzipiert ist, habe ich anfangs an einen Antrieb eines Räderwerks nicht gedacht. Von unten ist das schlecht möglich, denn die Zeitanzeige sollte über der Unruh sein, und irgendwie muss die Mechanik dann von unten nach oben kommen. Also oben, aber da ist die Spirale. Ich habe aber eine Lösung gefunden, die einigermaßen unkonventionell ist und dazu noch funktioniert. Dazu später.

Zunächst musste man die Grundplatte angefertigt werden, wozu die provisorischen Löcher der "Käseplatte" dienten, also der alten Grundplatine mit mittlerweile schon vielen Löchern. Das sah dann fertig so aus:

Bild

Bohrungsdurchmesser habe ich notiert, damit ich mich beim Aufbohren nicht vertue. Das große Loch ist Platz für die Spule. Montiert sieht das dann so aus:

Bild

Dass das untere Loch nicht mittig ist, ist durchaus Absicht: Nach der Montage der Kontaktfeder steht diese dann mittig, und das ist wichtig. Außerdem fällt die seitliche Bohrung dann gar nicht mehr unangenehm auf.

Bild

Die Unruh montiert sieht schon beeindruckend aus. Wie man sieht, habe ich den Außendurchmesser der Grundplatte abgedreht. Auch dazu musste ich mir ein Hilfswerkzeug drehen, denn die Platte musste gut und fest und vor allem mit dem Mittelloch mittig aufgespannt werden. Leider gibt es davon kein Bild.

Bild

Ich habe davon Abstand genommen, einen Rückerzeiger montieren zu wollen. Die Konstruktion soll möglichst einfach sein, und da sind mir die Regulierschrauben lieber. Um sie erkennen zu können, sind sie am Rand gerändelt, die Gewinde sind geschlitzt, damit sie sich zügig und stramm im Muttergewinde der Unruh drehen können. Außerdem hatte ich schon bei der Konstruktion der Unruh darauf geachtet, dass 2 Gewindebohrungen über dem Unruhschenkel nur bis zum 2. Schneideisen geschnitten wurden. Das geschah, um sich alle Optionen offen zu halten. Dass ich diese nutzen würde, wusste ich da noch nicht. Es wird also eine frei schwingende Flachspirale.

So, demnächst geht es weiter.

Frank
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Typ1-2-3
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Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von Typ1-2-3 »

Ein paar Takte noch zu der Unruhwelle: Sie ist ein Umbau einer originalen Junghans-Welle, die in den Ato-Mat-Werken von Junghans eingebaut wurde. Da habe ich das restliche Spielzeug von Junghans heruntergehebelt, geschlagen und dann die Ansätze für die Befestigung des Unruhreifs (oder der Unruhreifen, denn es sind ja 2 mit den Magneten) entfernt. Danach kam ein Ansatz auf die Welle, mit 4 Schraublöchern für den Unruhreifen. Also ist alles einfachst zu entfernen: Abschrauben, fertig. Die Welle sieht so aus:

Bild

Zunächst wurden alle störenden Teile mit einem Hartmetall-Drehmeißel abgedreht, damit die Welle nicht angelassen werden musste. Die Welle war äußerst (!) hart. Der Messingbutzen ist einfach aufgeschlagen, nach oben ist ein wenig Platz für die Spirale, nach unten für den Antrieb mit Kontakten und dem Weicheisenanker.

Zu der Grundplatte gibt es dann eine Räderwerksbrücke. Der rechte Teil sieht etwas komplex aus, dazu später. Mittig ist das Junghans-Stoßsicherungslager zu sehen, ein identisches gibt es unten, alles passend zu der Welle.

Bild

Zur allergrößten Überraschung wuchs durch den sauberen Aufbau die Unruhamplitude derart, dass die Unruh mehr als 360° machen wollte, bei den 3 Volt, die der Versuchsaufbau brauchte. Daher habe ich einen Vorwiderstand davor gesetzt, der zunächst auch nicht reichte. Nach Vergrößern dieses Vorwiderstandes auf den gleichen Wert wie den der Spule erreichte die Unruh noch nahezu 330°. Ein Versuch mit einer Zelle, also 1,5 Volt brachte den gleichen Wert. Was natürlich Stromverbrauch und Voltzahl senkt. Wie lange die Uhr mit einer Babyzelle läuft, muss ich noch ausprobieren.

Das größte Problem bei dieser Konstruktion ist meine nachträgliche Überlegung, aus dem Gangmodell eine wirkliche Uhr machen zu wollen. Nach unten ist kein Platz mehr, und oben ist die Spirale. Nach einiger Überlegung ist mir eine unkonventionelle Lösung eingefallen, nämlich kein Klinkenrad, sondern eine umgekehrt arbeitende Ankerhemmung: Der Anker treibt ein "Hemmrad" an, welches sich einmal in der Minute drehen soll. Ein dafür brauchbares Hemmrad gab es bei einer Schatz-Wanduhr. Leider nur das Hemmrad, kein Anker. Der ist irgendwann verloren gegangen. Auch kein Achsabstand, denn es gab wirklich nur das Rad. Also musste ich komplett anhand des Rades den Stiftanker konstruieren, der das Rad weitertreibt. Der Anker sieht etwas komplex aus, funktioniert aber tadellos:

Bild

Die Ankergabel greift zwischen Unruhschenkel und Spirale ein, daher die so seltsam gebogene Ankergabel. Als "Gegengewicht" gibt es die Ankerbegrenzung (das Gegengewicht musste übrigens noch verkleinert werden, es erwies sich als viel zu groß gegenüber der grazilen Gabel). Auffallend ist das Loch, in das der Begrenzungsstift eingreift. Außerdem der Bügel aus Weicheisen. Das hat den Zweck, dem Anker eine Art "Zugwinkel" zu geben, denn der Begrenzungsstift ist leicht magnetisch und zieht den Anker immer ganz nach rechts oder nach links. Daher steht auch das Messing des Gegengewichtes leicht über, damit die Auslösekraft nicht zu groß werden muss. Auf diese Art und Weise berührt die Ankergabel die Unruh nicht, sondern wird immer etwas davon entfernt gehalten.

Der Eingriff Gabel-Unruh sieht dann so aus:

Bild

Eigentlich ganz konventionell, aber an sich ein Mittelding zwischen einer Weckerankergabel (Gabeleingriff leicht konisch, damit der Plateaustift nicht aneckt) und einer normalen Taschenuhrgabel. Der Plateaustift ist eine der 4 Schrauben, die speziell angefertigt werden musste: Der Kopf ist verlängert, der Schraubenschlitz in Richtung Unruhschenkel, damit dessen Kante nicht stört, gehärtet und angelassen, poliert.

Die Sicherheitsrolle ist übrigens einfach auf den Messingbutzen der Unruh aufgesprengt. Er hält durch Eigenelastizität, denn das Loch ist einige hundertstel knapper als der Butzen, und der Ring ist durch die Sicherheitslücke nicht geschlossen. So kann er leicht entfernt werden, um den Unruhreif von der Unruhwelle zu entfernen.

Und die Sache läuft tadellos. Später mit Bildern mehr dazu.

Frank
karlo

Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von karlo »

Tolle Sache.
Mein besonderer Applaus gilt der Tatsache, dass Du nicht an der Welle rumgeglueht hast.

Karlo
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Typ1-2-3
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Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von Typ1-2-3 »

Es geht weiter.

Der Anker war fertig und ging auch schön von Begrenzung zu Begrenzung. Und er wurde durch den magnetischen Begrenzungsstift immer schön festgehalten, wenn auch nur wenig. Aber ausreichend. Die Ankerstifte sind schon oben abgebildet. Bevor ich diesen Ankerteil angefertigt habe, musste ich erst die Hemmung nach dem Rad neu konstruieren, da ja Anker und Achsabstand fehlte. Der Abstand wurde mit genau 8,5 mm festgestellt. Der Eingriff sieht jetzt so aus und funktioniert auch tadellos:

Bild

Einiges sieht noch provisorisch aus, anderes fertig: Der Eingriff und der Anker ist fertig, die Stifte aus blauem Stahl, also relativ hart. Die Angelegenheit ist kleiner, als sie auf diesem Bild aussieht.
Unfertig sind noch die Schrauben, besonders die links auf dem Bild: Einfach eine fertige Schraube und eine Messingscheibe als Unterlage, weil der Schraubenkopf in der Größe nicht ausreichte. Das lässt sich ja noch anfertigen, obwohl die Schraube ein Gewinde von M1,4 haben muss. Egal, ist machbar. Die kann dann auch schön gehärtet und poliert werden.

Von der Seite sieht der Eingriff dann so aus und zeigt auch die Idee der Uhr:

Bild

Das Rad ist ziemlich hoch und zeigt am unteren Ende ein Rastrad, welches die Position des Rades zum Anker sichert. So wird der Eingriff Anker - Ankerrad sauber. In der Mitte gibt es eine (durch Bohrungen gewichtsmäßig entlastete) Schnecke. Diese greift mit einem Hebel zusammen, der bei einer Umdrehung nach außen getrieben wird und genau nach einer Umdrehung wieder zur Mitte fällt. Die Schwingungszahl der Unruh ist nun so abgepasst, dass eine Umdrehung des Hemmrades genau eine Minute dauert. Es gibt also 18 ganze Schwingungen der Unruh in der Minute oder 36 Halbschwingungen.

Es konnte erwartet werden, dass durch diese Mechanik die Unruh so belastet wird, dass die Unruhamplitude nachlässt. Das tat sie auch, die Unruh machte nach dem ersten Zusammenbau gerade einmal 180°, im Gegensatz zu den vorherigen 270° ist das ein ordentlicher Abfall. Nach einigen Tagen Gangdauert hat sich das aber wieder sehr normalisiert, die Uhr musste sich also erst einlaufen. Das sieht man auch an dem schmutzig gewordenen Fett. Nach einer Reinigung - die aber erst nach der Finissierung erfolgt - ist das dann aber in Ordnung.

Wie diese Hebelbewegung auf das Zeigerwerk übertragen wird - dazu später mehr.

Frank
karlo

Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von karlo »

Warum hast Du gerade Stiftanker genommen?
Ok, Graham ist schwieriger, seh ich bei Dir aber als Grund nicht ein.

Karlo
KleineSekunde
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Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

auch wenn ich das grobe Konzept grundsätzlich wohl annähernd verstanden habe, so dauert es doch immer etwas, mich dann auch in die jeweiligen Details einzudenken...

Ein paar Fragen hätte ich da also:

Wie hast du den magnetischen Begrenzungsstift realisiert?
Hast du die Größe der Bohrungen in der Schnecke zur "Gewichtsentlastung" nach Gefühl gesetzt oder hast du die zur Festlegung des Schwerpunktes berechnet?
Welche genaue Funktion hat die Schnecke mit dem Hebel? Vermutlich eine Auslösung eines Impulses für das Zählwerk?

Ein wirklich bemerkenswertes Projekt im Bereich der elektrischen Uhren!

Weiterhin viel Erfolg bei der weiteren Realisierung.

Ich bin schon gespannt auf weitere Berichte.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Typ1-2-3
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Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von Typ1-2-3 »

@ Karlo: Selbstverständlich habe ich den Stiftanker genommen, denn er ist einfacher herzustellen! Die "Uhr" ist ja an sich keine, der Schwerpunkt ist ganz klar auf das Gangmodell gelegt. Durch diese Hemmung konnte der Räderwerksteil möglichst klein gehalten werden. Außerdem: Warum sollte ich so viel mehr Aufwand treiben, eine Graham-Hemmung einzubauen: Da hätte ich das Rad neu fräsen müssen (und so war es fertig "geklaut"), außerdem muss man die Paletten anfertigen, polieren (!) und härten. Das alles kann ich mir beim Stiftanker sparen: Die Stifte sind aus blauhartem Tamponstahl hergestellt, unten dicker, damit ich sie in vorkalibrierte Löcher einsetzen kann, wie Uhrensteine. Daher ist der Stift auch unten 0,7mm. Denn es gibt als kleinsten Stein den 0,7er, und dazu den Kalibrierbohrer 0,69. Dann sitzt der Stift natürlich sicher fest - und ist im Zweifelsfall austauschbar.
Außerdem hat die Sache kaum Kraft zu übertragen, warum dann der Aufwand.

@Guido: Die Schnecke habe ich nicht ausgewuchtet. Das wäre zwar ohne weiteres möglich gewesen, aber (s. o.) der Aufwand wäre größer geworden. Und da stellt sich dann die Frage, warum überhaupt. Unwucht würde sich nur bei senkrechter Lagerung bemerkbar machen. Hier ist alles waagerecht, also egal. Die Bohrungen sind nur dazu da, allzu große Differenzen zu entfernen und die Sache etwas zu erleichtern.

(Anmerkung: Bei dieser Anordnung der Unruh wäre auch dort ein Auswuchten nicht nötig gewesen. Weil aber Massen und Geschwindigkeit viel größer sind, habe ich das mit dieser Unruh sehr wohl getan. Der Genauigkeit hätte das aber hier keinen Abbruch getan).

Zum magnetischen Begrenzungsstift: Hier eine äußerst simple Lösung: Man nehme den Schaft eines Eureka-Bohrers, also gehärtetem Werkzeugstahl 1,5mm Durchmesser. Kalibriere in die Grundplatte eine Bohrung mit 1,49mm und presse ihn ein. Mit einem Supermagneten bestrichen ist er schon ordentlich magnetisch und hält durch seine Härte den Magnetismus lange Zeit fest (so 50 Jahre mindestens). Die Kraft dieses Winzlings-Stiftes ist so groß, dass er nicht direkt mit dem Weicheisenbügel auf dem Anker in Berührung kommen darf. Dann bleibt der Anker hängen und die Uhr steht. Daher steht unter dem Bügel das Messing etwas vor, um die Kraft zu minimieren.

Funktion der Schnecke wird beim nächsten Mal erklärt. Aber Du hast Recht: Impuls für ein Zählwerk. So erspare ich mir einen Räderwerkseingriff und erreiche eine springende Minute.

Frank
karlo

Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von karlo »

Typ1-2-3 hat geschrieben:@ Karlo:
...
Außerdem: Warum sollte ich so viel mehr Aufwand treiben, eine Graham-Hemmung einzubauen: Da hätte ich das Rad neu fräsen müssen (und so war es fertig "geklaut"),

Frank
Das hatte ich nicht mitgekriegt. Hab gedacht, das Ankerrad sei gefraest.

Karlo
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praezis
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Re: Experiment im 2. Anlauf gelungen

Beitrag von praezis »

Hallo Frank,
ein schönes Projekt hast Du da in Arbeit.
Sehe ich das richtig, dass die Stiftanker-"Hemmung" keine solche ist, sondern andersrum arbeitet, also nur zum Weiterschalten und zählen der Unruhschwingungen dient?
Gruß,
Frank
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