Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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Typ1-2-3
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Es geht - langsam - weiter. Die jetzt beschriebene Anfertigung dauerte erstaunlich lange.

Ich habe die Kontaktfeder der Eureka neu angefertigt. Das hätte nicht unbedingt sein müssen, denn sie war nicht zerbrochen. Aus mehreren Gründen habe ich mich trotzdem dafür entschieden:

1. Die Feder war an ihnem oberen Ende etwas zerknittert.
2. Die blaue Farbe der Feder hätte erneuert werden müssen, damit die Feder gut zum Rest der Uhr passt.
3. Die neue Feder bekam Langlöcher, um sie in der Höhe einstellen zu können. So kann der Ein- und Ausschaltpunkt der Spule genau eingestellt werden. Mit den zylindrischen Löchern der Originalfeder wäre das nicht möglich gewesen und hängt dann nur von der genauen Fertigung der Kontaktfahne ab.

Hier die Bilder. Rechts die neue Feder. Man erkennt den Verschleiß des Kontaktes hier sehr deutlich:

Bild

Man sieht, dass sich die Feder an ihrer Ansatzstelle vom Original unterscheidet, was ich aber nur wegen der einfacheren Anfertigung an dieser Stelle so getan habe. Am unteren Ende wurde das Langloch vergrößert, damit der Anschlussdraht bei vollem Einstellbereich nicht mit der Feder kollidiert.

Die Anfertigung dauerte erstaunlich lange. Es konnte nur mit sehr gutem Werkzeug gearbeitet werden, denn die Feder -ein Stück Pendelfederblech - musste hart bleiben. Die äußeren Konturen wurden mit einer einfachen Schere geschnitten, die danach natürlich nicht mehr für feine Sachen zu gebrauchen war. Anschließend wurde die Feder gebläut. Einmal natürlich wegen des besseren Aussehens, und damit die durch die Umformung (das Schneiden) eventuell gehärteten Rand-Bereiche wieder etwas entspannt wurden.

Die Silberfahne wurde aus einem Reststück Silberblech gefertigt, welches vorher gehämmert wurde - von 1mm Stärke auf annähernd 0,4mm. Dadurch wurde das Blech hart und widerstandsfähig.

Bild

Anschließend wurde es mit 2 winzigen Nieten (1mm Durchmesser im Schaft) befestigt. Die mussten natürlich auch angefertigt werden. Das alles dauerte erstaunlich lange. Jetzt wundert es mich nicht, warum bei horologix.com diese Teile so teuer sind!

Die Unruh wuchs wieder zusammen, nachdem alle Teile poliert waren:

Bild

Auf Anregung von Praezis habe ich auch einen Funkenlöschwiderstand eingebaut. Aber auf der anderen Seite des Zapfenhalters. Dort war mehr Platz, und die Führung des Kabels, einem Stück Lackdraht, war auch hier unproblematisch:

Bild

Jetzt muss im Prinzip nur noch alles zusammen, und dann gibt es das Schwingfest - wenn nichts dazwischen kommt. Der Widerstandswert der Unruh - einmal ohne Spule nur mit Widerstand gemessen und einmal komplett - entspricht jedenfalls den Erwartungen. Bin mal gespannt.

Frank
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Tacktick
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Tacktick »

Hallo Frank,

eine hoch interessante Uhr hast du dir da angelacht.
Eine schöne Arbeit so etwas wieder zum Leben zu erwecken, was du sicher hervorragend machst.
Freue mich schon auf das Endprodukt.
Die Unruhe und Feder ist ja schon sehr schön geworden.

Horst
KleineSekunde
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

ich kann nur erahnen, wieviel Arbeit nötig war, um alle Bauteile der Unruh so schön zu polieren... Aber ich bin sicher, dass sich der Aufwand gelohnt hat und dadurch der Gesamteindruck der Uhr später absolut stimmig werden wird!

Wird durch die zusätzliche Montage des Widerstandes und der somit nötigen Befestigung die genaue Justierung der Unruh nicht minimal verändert, so dass sich eine "Unwucht" ergibt (auch wenn die zusätzliche Masse im Vergleich zu der gesamten Masse der Unruh sicher eher klein sein wird)? Gleichst du diese Unwucht durch Veränderung der Position der Gewichtsschrauben am Reif aus?

Besten Dank!

Schöne Grüße

Guido
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Typ1-2-3
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Hallo Guido!

Du hast natürlich Recht! Die Unruh muss ausgewuchtet werden! Weniger aber deshalb, weil dort dieser kleine, leichte Widerstand nahe der Unruhwelle - also dem Schwerpunkt - eingesetzt wurde, sondern eher deshalb, weil ich die Unruh komplett zerlegt habe. Nirgendwo sind Stellstifte, und so geschieht es ganz zwangsläufig, dass man die Unruh anders zusammensetzt, als sie vorher war. Und schon ist ein neuer Schwerpunkt drinnen. Auch habe ich nicht kontrolliert, ob die Unruh vorher einen Schwerpunkt hatte - wozu auch?

Also kam sie auf meine Unruhwaage!

Bild

:lol: :lol:

Der Schraubstock ist schon reichlich. Ich habe extra einen ausgewachsenen Schraubendreher dahinter gelegt, als Größenvergleich. Der Schraubstock hat an seiner Oberkante auch schon reichlich Bekanntschaft mit Feilen gemacht - ohne Schutzbacken. Habe ihn so bekommen, und er wird immer noch bei meinen Autoreparaturen benutzt. Also habe ich einen Bereich ohne große Macken als Auflage für die Unruh verwendet und die Unruh durch Herein- und Herausdrehen der Gewichtsschrauben ausgewuchtet. Ging relativ schnell, weil die Schrauben je durch Schlitze in den Gewinden klemmen.

Frank
Heinrich
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Heinrich »

wie man sieht, lebt unser Beruf von der kompromisslosen Präzision. Dazu braucht man halt modernstes Equipment, fast wie bei der NASA!
Mit anerkennendem Gruße
Heinrich
:lol: :lol:
Der liebe Gott gab uns die Zeit (von der Eile hat er nichts gesagt!).
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Corvette
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Corvette »

Hallo Frank,

ich bin Fasziniert.
Elektrouhren passen zwar nicht in mein Beuteschema,
aber gefallen tun sie mir schon.
So wie Du das rüberbringst,
bin ich schon auf das Ende gespannt.

Norbert
Du weißt nie was Du kannst,bevor Du es versuchst. (Bruce Low / Noah)
Didi49
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Didi49 »

Hallo, ich besitze eine Eureka, die Ich nach Bauanleitung gebaut habe. Leider fehlt mit die Spiralfeder. Horologix bietet eine an:
160 englische Pfund. Gibt es Alternativen?
Gruß
Didi49
Heinrich
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Heinrich »

Hallo Didi,
besorg dir Zugfederstahl (Fa. Fix&Co in Triberg) in der Stärke und Breite der gesuchten Spirale. Nimm drei oder vier Stücke (je nach erforderlichem Windungsabstand) in der Länge der gesuchten Spiralfeder, lege sie übereinander und wickle sie gemeinsam auf einen Dorn und fixiere die Wicklung mit Draht oder wickle die Stahlbänder in eine Art Federhaus mit dem erforderlichen Spiral-Durchmesser. Dann leg das Ganze in den Backofen, lasse es blau an und langsam abkühlen. Wenn du die Sache nachher wieder auseinandernimmst hast du drei bzw. vier perfekte Spiralen. Möglicherweise brauchst du einige Versuche, bis die Spirale zur Unruhe passt, besorg dir also genug Stahl.
Heinrich
Der liebe Gott gab uns die Zeit (von der Eile hat er nichts gesagt!).
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Typ1-2-3
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Es geht weiter:

Die Schriftplatte wurde schön gewachst, mit sehr dunklem Holzwachs. Bei der Reinigung wurde das alte Wachs leider herausgeschwemmt. Das Neuwachsen ist ein ein einfaches Verfahren: Das Wachs wird dick aufgetragen, nach Trocknungszeit ein 2. Mal, damit die gravierten Buchstaben gut mit Wachs gefüllt sind. Danach den Überstand abpolieren. Das Ergebnis überzeugt:

Bild

Jetzt wurde alles wieder zusammen gesetzt. Schwingfest! Und natürlich kam es so, wie es kommen musste: Die Unruh lief ziemlich müde vor sich hin. Nach Einstellung des Kontaktes war das schon etwas besser. Die Unruh machte dann ihre vorschriftsmäßigen 180 Grad (Die Schwingungsweite wird von der Nulllage aus gerechnet. Von Umkehrpunkt zu Umkehrpunkt sind das dann 360 Grad). Leider war die Herrlichkeit vorbei, wenn auch der Antrieb des Räderwerks eingeschaltet wurde. Dort lief alles leicht, also musste offensichtlich der Antrieb der Unruh nicht stimmen. Der magnetische Schluss der Unruh mit dem feststehenden Blech an der Unterseite der Uhr ist sowieso nicht unbedingt der beste. Daher habe ich die Stelle nachgemessen, und zwar mit einer Dickelehre aus dem KFZ-Bereich, mit dem ich normalerweise den Zündkontakt-Abstand bei meinen Autos nachkontrolliere. Es konnten immerhin mehr als 0,30mm gemessen werden: Trotz des Bogens an dieser Stelle ging die Lehre dieses Maßes problemlos dazwischen.

Bild

Dann konnte der Antrieb ja nicht ideal sein, denn bei so riesigen Luftspalten ist der magnetische Schluss gewaltig unterbrochen. Glücklicherweise lässt sich der Luftspalt bei diesen Uhren problemlos einstellen, und zwar so:

Zwischen den Pfeilern der Uhr und der Blechplatte, die den magnetischen Schluss herstellt, liegen sogenannte „Shims“, Abstandhalter. Schon bei der Produktion dieser Uhren wurden diese Abstandhalter je nach Bedarf eingelegt.

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Nach Demontage konnten die vorhanden Shims nachgemessen werden. Es waren einige mit 0,5mm und einer mit 0,3mm Dicke. Insgesamt waren 5 vorhanden. Wenn man auf einer Seite noch einen Shim von 0,5mm unterlegt, kommt das Blech genau 0,25mm nach oben. Das wäre also genau richtig. Daher habe ich noch eines dieser einfachen Bleche angefertigt und dazwischen gelegt.

Bild

Man sieht die Shims, die auf dem abgeflachten Pfeiler liegen. Durch eine Schraube werden sie festgehalten. Nach der Montage lief die Unruh noch frei, der Abstand zum Blech war „vorschriftsmäßig“, was immer das genau zu bedeuten hat. Jedenfalls sehr gering! Und sofort hatte die Unruh –auch mit angetriebenem Räderwerk – die richtige Amplitude. Alles sieht jetzt sehr vertrauenserweckend aus: Die Unruh hat auch nach Augenschein ordentlich Schwung.

Frank
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Typ1-2-3
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Hier die Uhr in Arbeit. Man kann die Dynamik, die in der Sache steckt, erahnen:

Bild

Regulierung:

Natürlich lief die Uhr nicht auf Anhieb richtig, was auch nicht zu erwarten war. Es handelte sich nur um 3 Minuten in 24 Stunden, was nicht unbedingt viel ist. Es reicht aber, dass man die Uhr nicht alleine mit dem Rücker regulieren konnte.
Hier wurden die Aufzeichnungen der Unruh von oben wieder wichtig: Zur weiteren Regulierung müssen also Gewichtsschrauben nach außen gedreht werden. Dabei wäre es natürlich sinnvoll, nur die Schrauben zu bewegen, deren Gegenpart auf der anderen Seite der Unruh das gleiche Gewicht haben. Gut, dass man sich Aufzeichnungen gemacht hat! So kann man die „richtigen“ Schrauben bewegen.

Bei der Regulierung ist mir aufgefallen, dass der Gang der Uhr massiv von der Unruhamplitude abhängig ist. Bei gleicher Regulierung läuft die Uhr nach bei kleiner Amplitude, vor bei großer. Sehr gut ist also der Isochronismus dieses Schwingsystems nicht! Es gibt eine kleine Schaltung, welche die Batteriespannung – auch bei Entladung der Batterie – konstant hält. Damit sollte die Uhr genauer laufen. Ich werde aber auf solche „Spielereien“ verzichten. Es ist sogar möglich, die Uhr quartzgenau laufen zu lassen: Die Unruh bekommt gesteuert den Stromimpuls und ist dann sozusagen nur noch eine Nebenuhr. Manch einer sagt, dass diese Uhren nur so gescheit laufen.

Jetzt ist die Uhr fertig und sieht richtig nett aus. Beeindruckend ist das, wenn man die Sache in Bewegung sieht. Und sie läuft auch – einigermaßen – richtig.

Bild

Ende

Frank
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