Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

ist wirklich klasse geworden. Bin jetzt schon auf den Rest gespannt...

Wie hast du die Teile denn entrostet? Mechanisch oder chemisch / galvanisch?

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Das mit dem "Rundlutschen" war ich nicht, das ist so von Anfang an. Wenn man sich die Bulle-Platinen anschaut, dann ist das bei allen so. Wahrscheinlich haben die in der Produktion alle Platinen mächtig an den Polierschwabbel gehalten. Das kann man bei meinen Uhren alle sehen, außerdem - das könnte ich ja auch gewesen sein - bei anderen Uhren, die im Netz zu beobachten sind.
Ich habe die Platinen zwar poliert, aber nicht so stark, dass z. B. die Uhren-Nummer verschwindet oder ähnliches.

Entrostet habe ich die Sache mechanisch und z. T. mit Coca-Cola. Letzteres ist aber nicht der Hit, auch wenn das durch alle Foren so geht. Denn das sich bildende Eisenphosphat ist schwarz und muss dann erst von der Oberfläche entfernt werden. Ist also nicht unbedingt ein Gewinn...

Frank
Benutzeravatar
Gnomus
Beiträge: 818
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:43
Wohnort: Dresden

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Gnomus »

Typ1-2-3 hat geschrieben:Entrostet habe ich die Sache mechanisch und z. T. mit Coca-Cola. Letzteres ist aber nicht der Hit, auch wenn das durch alle Foren so geht. Denn das sich bildende Eisenphosphat ist schwarz und muss dann erst von der Oberfläche entfernt werden. Ist also nicht unbedingt ein Gewinn...
Und in einer Ammoniak-Suppe?
Gruß
Micha
Philclock

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Philclock »

Das Thema mit dem Entrosten hatten wir doch schon. :D

Das Uhrwerk sieht jedenfalls super aus,Frank! :D
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Es geht weiter:

Das Pendel hatte an sich nur einiges an Kosmetik nötig. Bei der ersten Messung stellte ich 1100 Ohm fest, was genau der richtige Wert für diese Uhren ist. Gut, dass die Spule so aussah:

Bild

Keinerlei Beschädigungen! Auch ist nichts gelötet, auch keine Verstärkungen der Kabel an den Anschlüssen der Spule. Also höchste Vorsicht. Zumal die Spule immerhin 6000 Wicklungen hat. Schön, wenn man sich solche Arbeit sparen kann...

Innen sieht die Sache etwas gebastelt aus, aber man kann Spule und Anschlüsse wunderbar befestigen, ohne dass was rappelt.

Bild

Der Rest musste poliert werden. Außerdem habe ich noch einen schönen Zierfaden um die Spule gewickelt, der alte war dann doch etwas verblasst. Wenn man das mit dem Anfangsbild vergleicht, ist das doch schon ein gewaltiger Unterschied...

Bild

Eine Berührprobe mit einem Stahlstück und dem Magneten fiel zuungunsten des Magneten aus. Im Laufe der 90 Jahre hat er schon fast alles an Magnetismus verloren. Daher musste er neu magnetisiert werden. Aber zuerst wurde der Rost abgeschliffen, denn wenn er dann magnetisch ist, geht das schlecht, weil alle Späne dran pappen bleiben. So war das kein Problem: Abwischen der Späne, fertig.

Und weil das was Neues ist, hier die Beschreibung aus dem Internet (Nur ein Link, wen das interessiert):

http://www.aussieclocks.com/articles/bulle/bulle.html

Und das dann life und in Farbe:

Zuerst das Wickeln der Spule, um per Elektromagnet dem Dauermagnet wieder etwas Kraft zu verleihen: Es wurde einfach Elektrokabel genommen, die Wickelrichtung beachtet (sonst ist Nord- und Südpol vertauscht) und das nach Bild gewickelt:

Bild

Das muss nun mit Gleichstrom magnetisiert werden.
Geht mit einer starken Gleichstromquelle, einer Autobatterie:
Das ist nun nicht so ganz ungefährlich, denn es kann folgendes passieren (selten zwar, aber immerhin):
- Der Draht kann an der Batterie festschweißen, dann fließt ein Strom und die Isolierung schmilzt.
- Der Akku kann platzen (Vorsicht, Schwefelsäure)
- Im Extremfall kann er explodieren (Wasserstoff)

Daher bin ich nach draußen gegangen, das sah dann so aus:

Bild

Zu meiner Sicherheit habe ich mitgenommen (denn im Extremfall bleibt keine Zeit):
- Handschuhe, denn die Sache kann heiß werden - und wird es!
- Eine Beißzange, um zur Not den Draht einfach durchzukneifen.
- Augenschutz wegen der Schwefelsäure
- Hörschutz, denn ein Knalltrauma ist nicht nett. Hatte mal einen Mitarbeiter, dem das (mit einer Autobatterie!!!!) passiert ist. Der hatte nach Jahren damit noch zu tun.

Draht 1 Sekunde dranhalten, fertig.

Ich habe es mal spaßeshalber ausgerechnet: Es flossen 300 Ampere, das macht so gegen gut 2000 Watt. Die Drahtisolation hat schon nach 1 Sekunde leicht angefangen zu riechen, und der Draht war schon gut warm. Was wird wohl passieren, wenn der Draht festschweißt???

So, demnächst geht es weiter, denn es müssen noch ein paar Schrauben angefertigt werden (M 1,2!). Auch noch ein paar Scheiben. Und das Schwingfest fehlt noch...

Frank
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

das Pendel sieht wieder super aus! Wirklich bemerkenswert ist hier die Liebe zum Detail, da man das Pendel durch das vorne geschlossene Holz-Gehäuse ja nicht sieht.

Auch die Bewickelung mit dem Zierfaden ist sehr gelungen. Welche Art von Faden hast du da genommen? Der grüne Zwirn aus der Nähkiste war es wohl eher nicht. Hast du die einzelnen Wicklungen mit Kleber fixiert?

Bei meiner Bulle Clock ist der Faden beige. Da fällt eine Alterung / ein Verblassen zum Glück ja nicht so sehr auf. Da das Werk gereinigt ist und sie momentan auch halbwegs genau läuft, habe ich die Kosmetik-Behandlung auf der Prioritätenliste hier erst einmal nach unten gesetzt. Aber irgendwann kommt auch dies...

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

@ Guido:
Zum Zierfaden: So weit warst Du mit dem Zwirn aus der Nähkiste gar nicht entfernt: Ich wollte erst den normalen "Uhrmacherfaden", nämlich Perlseide nehmen. Denn die ist auch erste Wahl für Pendelaufhängungen alter Pendulen. Und den hätte es auch in grün gegeben. Aber eine kleine Messung und Rechnung zeigte, dass auf eine Seite locker mehr als 2 Meter von dem Faden draufpassten. Daher scheidet Perlseide aus, denn die gibt es nur in 2-Meter-Stücken, was für den Zweck ja auch ausreicht: Perlen zu Ketten zu Knüpfen.

Also einfach in den nächsten Wolleladen gefahren und sich in dem Vorrat an Stickgarn umgesehen. Gefunden: Baumwolle (wie wohl auch vorher) in netter Farbe und Stärke. Die Wolletante hat aber etwas blöd geschaut, als ich mit der Blechhülse ankam und Garn wollte. 1. Mann (unpassend) und 2. Technik (noch unpassender). Sie war neugierig und fragte, wofür das wohl gut wäre... Irgendwie hatte ich nicht den Eindruck, dass die gute Frau durch meine Antwort sehr viel schlauer geworden wäre...

Ach ja: Der Preis: 1, 75 für 50 Meter. Ist noch ein "bischen"was übrig. Wenn Du brauchst, sage Bescheid. Wobei die Post wohl teurer ist!

Der Anfang des Garnes ist übrigens mit Knoten, nur das Ende ist geklebt. Und das habe ich dann auch genau so wieder gemacht.

Ich hätte mir die Sache mit dem Faden gespart, wenn ich die Hülse auch so poliert bekommen hätte. Aber nachdem ich den Faden abgewickelt habe, sah man: Außen war der Faden total verschossen (verblasst). Und den hätte man nie wieder so draufbekommen, dass das vernünftig ausgesehen hätte.

Frank
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Schwingfest:

Bild

Die Amplitude des Pendels ist wirklich so groß! Also ist der Magnet ausreichend magnetisiert worden.

Es fehlen noch: Alles, was mit der sogenannten "Isochronismusfeder" zu tun hat. Die Pendelfeder ist ja aus Textil und hat keine Rückstellkraft, und da hat sich der Hersteller eine kleine Drahtfeder einfallen lassen, die unterhalb des Werkes mit dem Pendel verbunden ist. Das sieht so aus:

Bild

Alles, was damit zusammenhängt, ist weggerostet, einschließlich der Feder. Da kommt noch eine kleinere Anfertigung auf mich zu. Daher ist die Uhr natürlich auch nicht zu regulieren.

Jetzt muss aber zunächst das Chaos in der Werkstatt aufgeräumt werden, man sieht das beim ersten Bild.

Frank
Philclock

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Philclock »

Das ist ja der Blanke Wahnsinn,Frank.

In Wien verfolgen wir gespannt weiter deinen Bericht. :D
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Gestern ging es mit Kleinkram weiter:

Der 1. Kleinkram: Ich habe den Wurm aus dem Gehäuse gekriegt: Das Gehäuse lag jetzt 2 Wochen in einer Tüte, in die ich Kohlendioxid gefüllt habe. Offensichtlich hat sich der Wurm in seiner Holzhöhle nicht mehr sicher gefühlt und Frischluft gesucht. Aber draußen war die Luft nicht besser, denn draußen war ja immer noch in der Tüte. Und da isser (für jeden, der mal wissen wollte, wie so ein Teil aussieht):

Bild

Der Wurm scheint gar kein eigentlicher Wurm zu sein, sondern ein Insekt.

Dann ging es mit dem Werk weiter:
Es musste Kleinkram angefertigt werden: 1 Schaube, relativ lang, so dass sie im Lager nicht zu finden war. Gewinde M 1,2. Etwas knibbelig. Dazu noch folgende Teile:

Bild

Zerlegt:

Bild

Angefertigt werden mussten nur die Stahlteile, denn sie waren total verrostet: Eine Schraube mit doppeltem Gewinde, M1,2, auch noch die Scheiben und 2 Muttern, die in dieser Art nur bei den Bulle-Clocks vorkommen, auch M1,2. In den unteren Messingteil steckt noch ein Stift, der auch verrostet war und neu gekommen ist, Durchmesser 0,5mm. Da musste ein passend abgelängtes Stück Klaviersaitendraht herhalten. Jetzt warte ich nur noch auf die Isochronismusfeder, die mit horologix schicken will.

Frank
Antworten