Prunkuhren am brandenburgisch-preussischen Hof im 18. Jahrh.

Antworten
Benutzeravatar
Ursus
Beiträge: 655
Registriert: Mo 9. Aug 2010, 13:01
Wohnort: Stuttgart

Prunkuhren am brandenburgisch-preussischen Hof im 18. Jahrh.

Beitrag von Ursus » Sa 30. Aug 2014, 10:11

Silke Kiesant: Prunkuhren am brandenburgisch-preussischen Hof im 18. Jahrhundert
mit einem Katalog ausgewählter Uhren Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. von Preußen.


Verlag Michael Imhof, Petersberg 2013, gebunden, 22 x 30 cm, 392 Seiten, 124 S/W- und 40 Farbabbildungen. ISBN 978-3-86568-793-7. Preis 59,00 Euro.

„Prachtvolle Uhren dienten in den Hohenzollern-Schlössern keineswegs nur als luxuriöse Dekoration der herrschaftlichen Räume, sondern nahmen wegen ihrer Funktion als "Taktgeber" im höfischen Zeremoniell eine besondere Rolle ein. Während andere Fürstenhäuser im Reich auf eine lange Sammeltätigkeit solcher Pretiosen aufbauen konnten, musste die aufstrebende Hohenzollern-Dynastie um 1700 beinahe bei Null beginnen, um ihr gestiegenes Repräsentationsbedürfnis u. a. auch mit Prunkuhren zu inszenieren. Ihre eigentümliche Weise, Uhren zu erwerben, wertzuschätzen und zu präsentieren, ist Gegenstand des Buches. Dabei liegt der Untersuchungszeitraum vor allem im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert und nimmt besonders die aus dem Besitz der beiden Könige Friedrich II. und Friedrich Wilhelm II. von Preußen stammenden Objekte in den Blick. Diese Prunkuhren werden erstmals umfassend untersucht und kunsthistorisch gewürdigt sowie in einem umfangreichen Quellen-und Bildanhang zugänglich gemacht.“

Wie Sie anhand des obigen Pressetextes sehen können, liegt der Schwerpunkt dieses Buches weniger auf den Uhren als Zeitmesser, sondern in ihrer repräsentativen Funktion und damit als Ausdruck der Macht des Fürsten. Die Autorin schreibt in ihrem Vorwort dazu: „Diese Arbeit ist Teil des … Projektes „Im Spiegel der Zeit – Prunkuhren und Zeitverständnis am brandenburgisch-preußischen Hof im 18. Jahrhundert“. Sie erwarb damit den Doktortitel der Universität Potsdam. Teilnehmer an unserer Jahrestagung im Oktober werden die Gelegenheit haben Frau Dr. Silke Kiesant kennenzulernen, denn sie wird uns die Prunkuhren präsentieren.

Dieser Ansatz macht es dem Rezensenten nicht leicht dieses Buch zu beschreiben und zu beurteilen, denn es ist ja kein Uhrenbuch im „klassischen“ Sinne. Trotz dieses kunsthistorisch-politischen Ansatzes ist dieses Buch auch für den Nicht-Kunsthistoriker gut zu lesen, denn es ist systematisch aufgebaut und die verwendeten Begriffe werden sehr gut erklärt.
Es entführt den Leser in Kapitel 2 in die Welt des höfischen Zeremoniells und bringt ihm die Bedeutung eines strikten Tagesablaufes nahe. „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ – Dieses Sprichwort kennen Sie sicherlich. Die Vermeidung des Müßigganges war nicht nur am Versailler Hof des katholischen Louis XIV, des Sonnenkönigs, von großer Bedeutung, auch am Hofe der protestantischen brandenburgisch-preußischen Könige spielte dies eine große Rolle: „… ist die Pünktlichkeit und Ordnung … eine derjenigen allgemeinen Pflichten … [die] auch dem Regenten selbst wesentlichen Nutzen bringt.“ Grundlage dieses Prinzips liegt in Calvin, der in seinen Predigten immer darauf drang die Zeit Gewinn bringend zu nutzen. Und dies nicht nur um Gott gefällig zu sein, sondern durchaus auch um es hier auf Erden zu Wohlstand zu bringen.

Um dies zu erfüllen genügen auch einfache Uhren, aber natürlich würde das dem Anspruch eines großen Herrschers nicht genügen. Alles in seinem Besitz musste auch seine Macht ausdrücken und davon waren die Uhren nicht ausgenommen. Gemäß dem Vorbild des Sonnenkönigs waren die Uhren am Hofe vom französischen Stil geprägt. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass Silke Kiesant sich in ihrem Buch ausschließlich mit den Gehäusen beschäftigen würde. Nein, sie beschreibt in den Kapiteln 3 und 4 die technische Entwicklung der Zeitmesser und ihre Bedeutung für Wissenschaft und Gesellschaft.
Es wäre jedoch ebenso falsch anzunehmen, dass sich der Machtanspruch ausschließlich in den prunkvollen Gehäusen ausdrückte. Selbstverständlich gab es neben Uhren die nur Stunden und Minuten anzeigen auch solche die über herausragende Komplikationen verfügen, wie z.B. die Uhr Nr. 2 im Auswahlkatalog, die nicht nur über einen Kalender und ein Glockenspielwerk mit 14 Glocken und 25 Hämmer verfügte, sondern darüber hinaus auch die Äquation anzeige. Die Uhren Nr. 21, 25, 29 und 31 haben ein Flötenspielwerk, die Uhren Nr. 22 und 23 sogar das sehr seltene Harfenspielwerk. Die Uhr Nr. 24 hat die ebenfalls sehr seltene Chevalier de Béthune-Hemmung. Wir begegnen einigen der großen Namen der Uhrmacherei, z.B. Berthoud, Leroy, Robin, aber auch Möllinger und Kintzing wie z.B bei der Nr. 36 mit dem sehr aufwändigen Neuwieder Gehäuse aus der Werkstatt von David Roentgen. Diese verfügt über drei (!) Spielwerke: Jeweils ein Flöten-, Zimbal- und Glockenspielwerk Die Uhr Nr. 40 von Möllinger hat neben einer Grande Sonnerie, einem Flötenspielwerk mit 57 Hozpfeifen ein zusätzliches 24-Stunden-Zifferblatt mit astronomischen Angaben (u.a. Sonnenauf- und untergang). Leider sind einige Uhren verloren gegangen, auch solche mit sehr komplexen Funktionen. Einige dieser verlorengegangenen Uhren wurden dennoch in den Auswahlkatalog aufgenommen, in historischen Aufnahmen gezeigt und anhand noch vorhandener Dokumente beschrieben.

In Kapitel 5 geht die Autorin auf die Ursprünge der Uhren ein, die zunächst Objekte in der Kunstkammer der sammelnden Fürsten und Fürstinnen waren. Sie lässt hier den Beginn der Sammelleidenschaft Revue passieren, beschreibt deren Hochphase bis hin zu Friedrich II, dem die Kunstkammer nicht am Herzen lag und der zahlreiche Objekte, darunter auch Uhren, verkaufte.

Kapitel 6 wird für manchen Uhrensammler von besonderem Interesse sein, denn es widmet sich den Uhrmachern am brandenburgisch-preußischen Hof. Der preußische König Friedrich I kam durch Wahl der Stände zu dem Fürstentum Neuchâtel und der Grafschaft Valangin. Diese Personalunion dauerte bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts. Aus dieser Region stammen einige der Uhren am Hofe. Aber nicht nur Uhren kamen an den Hof, sondern auch Uhrmacher, denn der Hof setzte sich für die Gründung von Uhrenmanufakturen in Preußen ein.

Bereits als Kronprinz und später als preußischer König besuchte Friedrich II den sächsischen Hof, was nicht ohne Einfluss auf den Uhrenerwerb blieb (Kapitel 8). Zwar war er an Uhren als Sammelgebiet nicht interessiert, jedoch erwarb er „moderne“ Uhren um seine Wohn- und Repräsentationsräume entsprechend auszustatten. Die Kapitel 9 – 11 widmen sich der Ausstattung der königlichen Gemächer und beschreiben die dortigen Uhren.
Einen wesentlichen Teil des Buches nimmt der Auswahlkatalog ein (Seiten 237 – 391) in dem 43 Uhren sehr detailliert hinsichtlich ihrer technischen Ausstattung, der Gehäuse und ihrer Geschichte beschrieben werden. Dieser Teil ist für jeden Freund von Uhren des 18. Jahrhunderts von Bedeutung. Jede Uhr ist in der Regel mehrfach abgebildet, allerdings nicht immer in Farbe, da bei einigen Uhren auf S/W-Abbildungen zurückgegriffen werden musste, z.B. wenn bei Uhren die in Kriegswirren zerstört wurden oder verschwunden sind, bzw. deren ursprünglichen Standort der Uhr dokumentieren.

Leider hat dieses Buch keinen Index, dafür aber ein ausführliches Inhalts- und ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis. Wie es sich für ein wissenschaftliches Werk gehört, sind alle Angaben durch Quellen belegt. Allein dies mag für machen Uhrenfreund, der selbst Forschungen über seine Uhren betreibt, sehr nützlich sein.

Die Autorin beschreibt im Wesentlichen und mit großer Akribie die Gehäuse, denn der Sinn des Buches liegt ja darin den Machtanspruch des königlichen brandenburgisch-preußischen Hofes durch die Präsentation prunkvoller Uhren deutlich zu machen, d.h. auf technische Details und Werkabbildungen muss der Leser verzichten. Dennoch ist es ein sehr lesenswertes, informatives und dazu noch erstaunlich preiswertes Buch.

Ursus

Antworten