Einsteigerliteratur zu Tisch/Kaminuhren des 19. Jh.

[DerHistoriker]

Die Idee zu diesem Faden geht auf eine Anregung aus dem thread "[Anfängerfrage] Zeiger am Werk einer klassizist. Portaluhr" zurück. Dort habe ich danach gefragt, ob jemand Literaturempfehlungen geben kann, die einem Anfänger den Einstieg in die Reparatur verschiedener Werkstypen von Tisch/Kamin-Uhren des 19. Jahrhunderts vermitteln.
Aus der Erfahrung des threads würde ich heute wohl eher schreiben:

Gibt es empfehlenswerte Literatur für Einsteiger ohne technischen Hintergrund (die z.B. wie ich eine Uhr zunächst einmal primär als Antiquität erworben haben),
- die aber die Funktionsweise ihrer Uhr besser verstehen wollen;
- und vielleicht auch besser beurteilen können möchten, ob die vorliegende Kombination aus Werk und Gehäuse authentisch ist?

Dabei finde ich besonders den Aspekt der zeitlichen Verortung von Technik interessant. Die stilgeschichtliche Einordnung eines Gehäuses z.B. dürfte für jemanden, der Erfahrungen mit anderen Antiquitäten aus demselben Zeithorizont hat, zumindest grob möglich sein. Ab und bis wann dagegen z.B. ein bestimmter Typ Werk, Aufzug, oder Tongeber in Gebrauch war, ist für jemanden ohne technische Vorbildung deutlich schwieriger zu ermitteln.

Eine geografische Einengung habe ich jetzt bewusst nicht vorgenommen, aber ich denke, dass sich der deutsche Sprachraum (in meinem Fall die Donaumonarchie) und eventuell auch einflussreiche Nachbarn wie Frankreich als Referenz anbieten.

Einige Empfehlungen habe ich bereits per PN erhalten - dafür schon hier herzlichen Dank.

DerHistoriker

[walter der jüngere]

Hallo,

für den technischen Blickwinkel, den man ja gerne auch auf solche Uhren lenken will (und oft auch muss), würde ich zwei Bücher für technisch eher unbelesene/unerfahrene EinsteigerInnen empfehlen:

Jendritzki: Reparatur alter Pendulen

Gibertini / Jaquet (Übersetzung R. Späti): Die Reparatur der Pendulen

Beide Bücher geben meiner Meinung nach einen guten Ersteinblick in die Technik und Funktionsweise solcher Uhren.
Weiterführende Literatur gibt es schon auch, aber dann nicht so speziell und die geht dann sehr stark in die Reparatur- und nicht in die Überblicksrichtung.

Historische Abrisse der technischen Entwicklung nur dieser Uhrenkategorie sind mir als eigenständiges Buch/Werk zum deutschsprachigen Raum so nicht im Gedächtnis.
(Im Gegensatz z.B. zum französischen Raum - Tardy: La Pendule Francaise.... ).
Wobei ja viele Werke dieser Uhren ihren Ursprung schon dort vermuten lassen...
Soll heißen, wer mehr erfahren möchte, muss dann mehr, breiter schauen, da fließen da viele Bereiche ineinander über.

Für das Kennenlernen der Äußerlichkeiten, Stile, Unterscheidungen usw. eignen sich gedruckte Auktionskataloge sehr gut. Die Beschreibungen sind meist gut recherchiert und insofern auch referenzfähig.

Walter d. J.

[wahli76]

Wenn es mehr um Historie geht, ist sicher auch "Die französische Bronzeuhr" von Elke Niehüser empfehlenswert. Das Buch wurde hier von Walter j.J. schon vorgestellt. Es ist inzwischen z.B. bei Fröhlich &Kaufmann für knapp 50 EURO erhältlich.

Bei französischen Pendulen ist es nicht einfach, das Werk zeitlich zu verorten, denn die franz. Pendulenwerke wurden über eine lange Zeit (min. 100 Jahre) praktisch unverändert gebaut.

Viele Grüße

Kurt

[petsch]

Wenn es mehr um Historie geht, ist sicher auch "Die französische Bronzeuhr" von Elke Niehüser

Zweifellos ein tolles Buch mit hervorragenden Fotos. So eine Zusammenstellung von Bronzeuhren dieser Zeitperiode sucht Ihresgleichen. Aber, da geht es fast ausschließlich um das Gehäuse, also um Material, Gestaltung und Ausführung der Gehäuse in den verschiedenen Zeitepochen. Und wie Du schon schreibst , um die Historie, also die Geschichte. Frau Niehüser ist Kunsthistorikerin , die lange bei Michael Nolte in Münster, einem Spezialisten für französiche Bronzeuhren, tätig war.
Die Technik der Werke wird eher oberflächlich auf 2-3 Seiten behandelt. So wie ich das sehe wird bei keiner einzigen der vielen Uhren, die gezeigt werden, parallel dazu das Werk gezeigt.

Das ist sowieso das Problem bei den meisten Büchern. Sie sind speziell für ein Thema geschrieben. Eine Zusammenfassung wie beispielsweise : zu diesem Gehäuse müsste das Werk so oder so aussehen, gibt es kaum. Wenn Werke abgebildet sind, dann sind das oft sehr spezielle Werke, die nicht die Regel sind. In Büchern , und auch besonders in Auktionskatalogen wird selten eine Uhr mit mehreren Fotos dargestellt.
So nützlich Bücher auch für den allgemeinen Überblick und auch oft für ganz spezielle Themen sind, so wenig hilfreich sind sie oft bei ganz normalen Fragen. Wahrscheinlich muss man sich dafür aus 10 verschiedenen Büchern jeweils das richtige zusammensuchen und auswerten.

Mein Fazit :
Es geht nichts darüber Uhren real anzusehen, darüber zu sprechen, sie, wenn gefahrlos möglich, in die Hand zu nehmen, bzw. von allen Seiten anzuschauen. Ausstellungen , Museen (beides am besten mit Führung), Uhrenbörsen, Auktionsvorbesichtigungen, Uhrenhändler und uhrenerfahrene Antikhändler sind eine gute Quelle. Und nicht zuletzt dieses Forum, denn hier werden Uhren oft mit sehr vielen Detailfotos gezeigt. Also anhand von Uhren immer wieder das Gespräch suchen. Nachfragen. Die meisten Menschen, die sich mit Uhren beschäftigen, unterhalten sich gerne darüber bzw. man merkt schnell, ob man vielleicht doch nur etwas aufs Auge gedrückt bekommen soll. Solche Händler meidet man dann eben. Und wenn man sich mehrmals unterhalten hat, dann merkt man auch schnell, welchem Händler man vertrauen kann bei seinen Aussagen.
Dann sieht man mit der Zeit selbst, worauf man achten muss. Dass Pendulen aus der ersten Hälfte des 19. Jhdts. fast immer eine Fadenaufhängung des Pendels haben (beispielsweise). Dass französische Pendulen aus dieser Zeit fast immer mindestens 8 Tage laufen, Wiener dagegen meist nur 1-3 Tage. Dass französiche Pendulen fast immer auf eine Glocke schlagen, Wiener dagegen meist auf Federn. usw. usw.

Nichts gegen Uhrenbücher, ich habe auch eine sehr umfangreiche Uhrenbibliothek, die mir auch oft weiterhilft, aber ich muss bei jedem Problem immer erst überlegen : Welches von den Büchern könnte die Lösung enthalten. Ergebnis ist dann oft, dass ich drei, vier Bücher aus dem Regal nehme und darin suche. Aber nicht immer findet sich eine Antwort in den Büchern.

Gruß
Peter

[s.hartig]

Ein gewichtiges Buch zum Thema ist sicher F. Kaltenböcks "Die Wiener Uhr" (bei ZVAB ab € 120, in der Bucht auch schon mal unter € 20 zu haben). Behandelt ausführlich und mit vielen Werksabbildungen auch die Stutz- und Kommodenuhren des 18. und 19. Jahrhunderts, häufig allerdings museale Stücke, die für "Otto" kaum erreichbar sind.

Sehr empfehlen kann ich den vom Mainfränkischen Museum Würzburg herausgegebenen Bestandskatalog "Uhren aus fünf Jahrhunderten", in dem Ian Fowler ( http://www.historische-zeitmesser.de ) auf immerhin fast 100 Seiten sehr detailiert "süddeutsche" Stock- und Kommodenuhren beschreibt. Viele Werksabbildungen, immer mit fundierter kunst- und technikhistorischer Würdigung der Objekte, darunter vieler "Sammleruhren". Zu beziehen über http://mainfraenkisches-museum.de/museu ... aloge.html für gut angelegte € 20 (incl. Versand).

Viel Spaß bei der Lektüre, und wenn Du doch noch auf "das" Standardwerk über klassizistische (süddeutsche) Kommodenuhren des 19. Jahrhunderts mit Schwerpunkt Technik stößt, erbitte ich dringend sofortige Benachrichtigung. Ist auch mein Sammelschwerpunkt.

Gruß
Stefan

[henrik5]

Hallo,
einen schnellen Überblick über grundlegende technische Fragen bietet das Buch von Eric Smith, Reparieren alter Uhren welches immer mal wieder bei Ebay auftaucht oder auch in der örtlichen Bücherei zu finden ist:
http://www.amazon.de/Reparieren-Anleitu ... 3766707744

Mehr Tiefe und genauere Beschreibung der Vorgehensweise mit vielen Bildern bietet das Werk von Laurie Penmann, Alte Uhren reparieren:
http://www.amazon.de/Uhren-reparieren-F ... 3766710990