Lackschilduhr

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
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Uhrmacher 19
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Lackschilduhr

Beitrag von Uhrmacher 19 » Sa 7. Jul 2012, 14:06

Hallo Uhrenfreunde,

nach längerer Zeit möchte ich mich mal wieder melden und meine neue Erungenschaft präsentieren.
An einer Lackschilduhr bin ich schon sehr lange interessiert.
Technisch betrachtet sind diese Uhren zwar keine Meisterwerke oder Wunderwerke, allerdings fasziniert mich die Einfachheit und die Tatsache, dass diese Uhren in ihrer Einfachheit so gut funktionieren.
Und nicht zu letzt ist es natürlich die Zeit und die Umstände dieser Zeit, in der diese Uhren gebaut wurden.
Ich werde die Uhr allerdings erst im Herbst oder Winter restaurieren.
Dann folgt wieder ein umfassender Bericht, so wie zuletzt bei der Restauration meiner Comtoise.
Ach übrigens ... die Uhr ist bis auf die Seitentüren vollständig und hat mich bei Ebay 120€ gekostet.

Aber nun, bevor die Bilder folgen, noch ein paar Fragen:
Kann mir jemand bei der Altersbestimmung helfen?
Ich habe zwar zwei Bücher zum Thema Lackschild- und Schwarzwalduhren, allerdings helfen die mir bei der Altersbestimmung nicht viel weiter.
Außerdem würde mich spezielle Literatur interessieren, in der viel mehr über die damals verwendeten Techniken (z.B. auch die Zusammensetzung der Farben) geschrieben steht.

Aber nun die Bilder:
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walter der jüngere

Re: Lackschilduhr

Beitrag von walter der jüngere » Sa 7. Jul 2012, 20:13

Hallo,

...Außerdem würde mich spezielle Literatur interessieren, in der viel mehr über die damals verwendeten Techniken (z.B. auch die Zusammensetzung der Farben) geschrieben steht...

Viel steht in keinem der mir einschlägig bekannten Bücher, vor allem, wenn erwartet wird, dort Mixturen und Step-by-Step-Anleitungen zu finden.
Vielmehr ist es m.E. so: Hier und da ein Körnchen, manchmal auch zwei...

Einschlägige Bücher: Bender: Uhrenmacher des hohen Schwarzwaldes
Die Herren Jüttemann bzw. Schaaf verfassten einige einschlägige Bücher. Aber eben nie wirkliche Anleitungen etc.

Es bleibt Dir also nicht viel mehr übrig, als mit Restauratoren Kontakt aufzunehmen - bzw. zu halten - und/oder selber experimentieren.
So viel als Orientierung:
Grundierung, Weißaufbau, Pigmentaufbau, Decklack.
Keinesfalls mit modernen Farben ausbessern, schon gar nicht, wenn nicht ganz klar ist, welche Art von Untergrund gegeben ist. Nicht alle modernen Farben vertragen sich bzw. sind darauf langzeitstabil.
Was diese Schilder auch überhaupt nicht mögen: Moderne "Decklacke" - auch nicht zum Stabilisieren abblätternder Farbschichten.

Noch ein Rat: Wurmbefall zu behandeln ist ratsam. Aber vor allen anderen Arbeiten.
Einige Wurmmittel reagieren sehr intensiv, teils aber auch erst nach einiger Zeit, dafür aber genauso irreversibel mit dem Farbaufbau des Schildes.

Den Uhren tut es in aller Regel sehr gut, wenn sie nicht mehr dauernd der Last der Gewichte ausgesetzt sind - ein entsprechender Tragstuhl wäre zur Entlastung des Werkes also sinnvoll.

Walter d. J.

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Uhrmacher 19
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Re: Lackschilduhr

Beitrag von Uhrmacher 19 » Sa 7. Jul 2012, 22:39

Hallo Walter,

vielen Dank für Deine Hinweise.
Experimentieren werde ich wohl besser nicht ... möchte nichts falsch machen.
Dumme Frage:
Kann es sein, dass immer noch Würmer in den Löchern sind?
Ich frage nur deshalb, weil Du geschrieben hast den Wurmbefall zu behandeln.
Das Schild werde ich nicht ausbessern; ich finde es sieht noch ganz gut aus.
Meine Frage bzgl. den Lacken zielte mehr darauf, dass ich kein zu scharfes Reinigungsmittel benutze.
Die Bücher von Jüttemann bzw. Schaaf besitze ich, aber wie Du selbst schon geschrieben hast, helfen die bei den Details nicht wirklich weiter.

Vielen Dank nochmal und ... weiter Infos folgen :-)

Gruß,
Jörg

walter der jüngere

Re: Lackschilduhr

Beitrag von walter der jüngere » Sa 7. Jul 2012, 23:07

Hallo,

Wurmbefall ist ein immerwiederkehrendes Thema.
Es ist noch nicht einmal so, daß man sagen könnte: "Einmal Wurm drin, immer Wurm drin"...

Altes Holz wird von Holzwürmern und Milben immer wieder gern als Quartier genutzt.
M.E. ist ein bestehender Wurmbefall nicht wirklich schlimmer als noch kein Wurmbefall - aus Befallssicht.
Denn prophylaktisch ist gegen Wurmbefall nicht wirklich ein gutes Kraut gewachsen. Jedenfalls keines ist mir bekannt, von welchem man mit einiger Sicherheit behaupten könnte, dadurch wird Befall sicher - und das Exponat über Jahrzehnte schonend geschützt, ohne auf Dauer möglicherweise auch für den Menschen toxische Emissionen zu erzeugen.
Kurzzeitiger Schutz mag möglich sein, aber vom Grundprinzip her gehe ich davon aus, daß Stoffe, die ins Material eindringen, auch wieder - wenigstens zu einem gewissen Teil - austreten können. Je stärker die Dosis, desto höher bzw. sicherer die Wirkung.
Welche Wirkung was auch wen (Tier, Pflanze oder Mensch) bzw. was (z.B. Farben, Metalle usw.) hat, kann ich nicht sicher beurteilen, daher meine große Vorsicht bzw. Skepsis. Sowohl den Versprechen hinsichtlich Wirkung, als auch hinsichtlich der Unbedenklichkeit...
Man muß entsprechende Risikoexponate - also alles, was aus relativ altem Holz, Stoff o.ä. besteht - regelmäßig auf Schädlingsbefall hin untersuchen. So wird das jedenfalls in Museen, staatlichen Sammlungen und auch bei sehr vielen privaten Sammlungen gehandhabt. Lediglich in ganz speziellen Ausnahmefällen wird auf eine sog. Schutzatmosphäre vertraut. Aber deren Konzeption ist hier sicherlich weder Thema noch beabsichtigt. ;)

Ja, ich würde auf Nummer Sicher gehen wollen - und die Uhr z.B. einer gehörigen Portion Stickstoff aussetzen. Kohlenmonoxid ist genauso wirksam.
Wichtig ist, daß dem Wurm buchstäblich die Luft ausgeht.
Beide Stoffe - Stickstoff und Kohlenmonoxid greifen die Substanz, also auch die Farbe nicht an, beide Stoffe sind in geringerer Konzentration ja Bestandteile der natürlichen Umgebungsbedingung - nämlich der Luft.
Ein unbehandelter Schädlingsbefall kann sich unglaublich schnell auch auf andere, bislang noch unversehrte Stücke übertragen. Daher sollte regelmäßig, also mehrmals im Jahr, auf Schädlingsbefall kontrolliert werden. Und zwar alles, auch das Werkzeug!!!

Aus statischer Sicht ist bestehender Wurmbefall wesentlich kritischer.
Man kann nie sagen, wo Fraßgänge genau verlaufen, also kennt man auch nicht die noch verbliebene Materialstärke. Und da hat es schon einige böse Überraschungen gegeben. Ein Verfüllen der Fraßgänge ist in aller Regel nur begrenzt möglich.
Auch deshalb habe ich zur Verwendung eines Tragstuhls geraten. Prophylaktisch - sowohl bei möglicher Lockerung des Werkgestells, als auch für eine durch Wurmbefall geschädigte Statik des Werkes insgesamt.

Die Reinigung von Lackschildern sollte auf jeden Fall mit alkoholfreien Reinigungsmitteln erfolgen.
Am besten trocken oder mit einem nur mit Wasser mildfeucht benetztem, weichen, fusselfreien Tuch.
Auf keinen Fall sollte zur schnelleren Trocknung ein Fön o.ä. eingesetzt werden.
Einfach an der Luft sanft austrocknen lassen, da ja kaum Feuchtigkeit auf dem Schild verblieben sein kann.
Starkes Reiben ist ebenso wie mehr Feuchtigkeit dringend zu vermeiden.
Entsprechende "Patina" muß man in aller Regel akzeptieren, will man nicht Gefahr laufen, durch allzu gründliche Reinigung das ganze Schild zu ruinieren.

Walter d. J.

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Re: Lackschilduhr

Beitrag von Uhrmacher 19 » So 8. Jul 2012, 11:07

Hm .... das mit dem Wurmbefall macht mir aber jetzt echt große Sorgen.
Meine Werkstatt besteht zu 90% aus Holz.
Sollte ich die Uhr sicherheitshalber bis zur Restauration in eine Plastiktüte packen?
Dann habe ich aber Bedenken wegen dem Feuchtigkeitsaustausch.

Ich werde mich jetzt erst einmal inentsiv zum Thema "Wurmbefall" schlau machen.

Die Reinigung des Lackschilds werde ich entsprechend der Empfehlung von Walter d.J. durchführen.
Wie schon gesagt, der zustand ist absolut ok.
Und die von Walter angesprochene Patina gehört einfach zu ein alten Uhr.

Viele Grüße,
Jörg

karlo

Re: Lackschilduhr

Beitrag von karlo » So 8. Jul 2012, 11:20

Wenn Du die angepasst ans Raumklima einpackst, passiert nichts.
Bei Lackschildern nicht getestet, aber sonst bei einigem:
Eine Sauna ist fuer Holzwuermer ziemlich ungesund. :-)

Karlo

walter der jüngere

Re: Lackschilduhr

Beitrag von walter der jüngere » So 8. Jul 2012, 11:47

Hallo,

@Uhrmacher19: Ja, noch nicht untersuchte Stücke mit möglicherweise aktivem Wurmbefall würde ich auf jeden Fall (schon zur Beobachtung) in Quarantäne geben. Also z.B. in eine dicht geschlossene Plastiktüte mit ein paar Trockensalztütchen einpacken.

Mit einer thermischen Behandlung (also z.B. in einer Sauna) von Wurmbefall wäre ich bei Lackschildern doch etwas vorsichtig. Manche Komponenten des Farbaufbaus reagieren auf derartige Temperaturkapriolen (nicht nur aufgrund der oft genug nicht genug lenkbaren Feuchtigkeitsführung) mit entsprechenden Schäden. Zudem mag so manche Lacküberzugsmischung derartige Temperaturen auch nicht besonders, zumindest wird manche davon extrem weich - und anschließend oft blasig.
Ein "Anstechen" der oft noch weich wirkenden Blasen bringt in aller Regel nichts, die fallen dann zwar meist in sich zusammen, härten auch in gewisser Weise wieder etwas nach, aber das Lackmaterial verbindet sich in den aller, allermeisten Fällen nicht mehr mit der Pigmentschicht. Manchmal blättert der Überzugslack dann einfach ab, aber das er so abblättert, als wenn er nie darauf gewesen wäre, dies ist leider sehr selten.
Denn wenn er so frei abgelöst wäre, wäre das Aufbringen eines neuen Überzugslackes relativ einfach.
Oft bleibt der Decklack aber auch selbst an der Oberfläche zäh bis klebrig, und dies selbst über längere Beobachtungszeiträume hinweg.

Ganz abgesehen von der Decklackschicht quellen und arbeiten aber auch die Grundschichten - und heben sich bzw. reißen. Gehobene Schichten wieder ansetzen mag als naheliegend erscheinen - ist aber nur in seltenen Fällen möglich. Und selbst dann sind die Pigmentschichten sichtbar und teils bis zum Zerbröseln geschädigt.
Mit einem durch solche fehlgeschlagenen Versuche verunstalteten Blatt herrscht oft keine Freude mehr, eine komplette Überarbeitung bedeutet meist einen sehr großen Originalitätsverlust, weil oft kaum noch die originale Farbsubstanz sinnvoll nutzbar erhalten werden kann...

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Nein, ich brauchte derartiges gar nicht selbst erproben. Das haben diejenigen gemacht, die dann zu mir kamen...

Walter d. J.

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Re: Lackschilduhr

Beitrag von droba » So 8. Jul 2012, 11:56

Hallo Jorg,

Gratulation zu Deiner Schwarzwälder 8-Tage-Uhr. Nach der Zifferblattgestaltung dürfte sie für den französischen Markt gefertigt worden sein. Da es sich um eine komplett Metall-Gespindelte Uhr handelt stufe ich die Entstehungszeit zwischen 1870 und 1890 ein. Zeitliche Einordnungen von Schwrzwälder Uhren können jedoch sehr breit streuen.

Die Bemalung scheint in einem sehr guten Zustand zu sein und dann würde ich an ihr nichts machen.

Ich würde mal die Rückwand entfernen, um den Namen des Uhrmachers lesen zu können.

droba

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Re: Lackschilduhr

Beitrag von KleineSekunde » So 8. Jul 2012, 22:26

Hallo,

zum Thema der Bekämpfung eines möglichen Wurmbefalls hat Walter ja bereits geschrieben:
walter der jüngere hat geschrieben: Ja, ich würde auf Nummer Sicher gehen wollen - und die Uhr z.B. einer gehörigen Portion Stickstoff aussetzen. Kohlenmonoxid ist genauso wirksam.
Wichtig ist, daß dem Wurm buchstäblich die Luft ausgeht.

Walter d. J.
Hier noch ein Hinweis zur möglichen Vorgehensweise:
Betriebe, in denen geschweißt wird, haben entsprechende "Schutzgase", die die Schweißnaht vor dem Oxidieren schützen, für einen möglicherweise vorhandenen Holzwurm aber eher ungünstig sind... Das Einpacken der Uhr in eine Mülltüte, die dann mit dem Schutzgas aufgepumpt und noch etwas durchgespült wird, um noch vorhandenen Sauerstoff heraus zu spülen ist durchaus ratsam. Die Kunststofftüte muss anschließend natürlich gut verschlossen werden. Sicherheitshalber kann man den Vorgang nach einiger Zeit ja noch einmal wiederholen, etwas Zeit sollte man eventuell also einplanen - genaue Zeitangaben habe ich hier nicht, zwei Tage wären mir hier aber zu wenig. Die Betriebe, die ich kenne, waren zunächst zwar etwas verwundert, helfen aber gerne.

Ich bin zwar kein Restaurator, aber ich denke, mit der Methode kann man nicht viel falsch machen. Technische Gase enthalten jedoch nur Restmengen an Feuchtigkeit, die Uhr würde für die Einlagerungszeit also fast absolut trocken gelagert werden, ob dies für die Lackzifferblätter Folgen habe könnte, kann ich nicht beurteilen, ich habe es bislang nur an Holzbauteilen "erprobt".

Viel Erfolg!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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Felix18
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Re: Lackschilduhr

Beitrag von Felix18 » Mo 9. Jul 2012, 07:47

Jedes Auto hat nen Auspuff und ein Dieselfahrzeug bietet da genügend Stickstoff an. ;)
C.


*Sapere aude*

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