REIHER - PFAU + LÖWE

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husky
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REIHER - PFAU + LÖWE

Beitrag von husky » Mi 2. Sep 2015, 17:18

Die nachfolgend vorgestellte Uhr zeigt eine Reihe von Motiven, welche auch in der Architektur bzw.in der Steinmetzkunst Eingang gefunden haben.
So zum Beispiel auf dem Kapitell von Solona, welches im Museum von Split, im ehemaligen Jugoslawien, zu besichtigen ist. Das Pilasterkapitell ist aus rotem Marmor gearbeitet und zeigt als Mittelmotiv einen zweihenkeligen Kelch. Symmetrisch nach außen angeordnet ist ein Blattkranz. Auf den Eckblättern stehen als Vertreter der Stelzvögel Reiher, die mit einer Schlange kämpfen. Mit schlagenden Flügeln suchen sich die Reiher der Schlangen zu erwehren, die ihnen in die Brust zu beißen drohen
Die feindliche Begegnung von Reiher und Uräus ist auch auf einem pompeianischen Wandbild in Neapel in meisterhafter Weise wiedergegeben.

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Beispiel eines Figuralkapitells

Das Magazin eines Museums in Rom beherbergt ein Pilasterkapitell mit zwei Pfauen. Vom Mittelblatt führt ein senkrechter Stengel zur Akantusblume. Dieser trennt die beiden dort zusammentreffenden Schweife der Pfauen voneinander, die auf den Eckblättern sitzen und zur Mitte blicken. Unter den zum Schmuck der Figuralkapitelle verwendeten Vögeln ist der Pfau eine Seltenheit.
Auf der östlichen Säule des Venezianischen Markusplatzes, nahe dem Dogenpalast, handelt es sich ursprünglich um eine Darstellung des Markuslöwen, der auch als "geflügelter Löwe von San Marco" bekannt ist. Dieser bronzene Löwe verkörpert die einstige Herrschaft Venedigs und erinnert an die damit verbundenen Eroberungen. Seit dem 14. Jahrhundert ist der Löwe in Venedig verstärkt zu finden. Seine Entstehung soll darauf zurückgehen, dass die Menschen dem Evangelisten Markus, der zugleich Schutzpatron Venedigs ist, die Attribute von Macht und Stärke zuschrieben.

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Dies alles vorangestellt, ist davon auszugehen, dass der Gehäusemacher von diesen Darstellungen Kenntnisse besaß und seine Eindrücke zu einem wunderbaren Gesamtkunstwerk zusammenfügte, als er das Gehäuse schuf.
Der Uhrmacher Guye aus Verrieres nahe Neuenburg (Schweiz)ergänzte das prachtvolle Gehäuse mit einem zeitgemäßen Uhrwerk und bot die Uhr zum Verkauf an.
Aufgrund der Motivzusammenstellung, der feinen Ausfertigung und der Farbwahl des Emails kann wohl davon ausgegangen werden, dass dieses kleine Kunstwerk in den asiatischen Raum verkauft werden sollte. Es entspricht in vielen Belangen den Ornamenten und der Stilrichtung, die damals in Persien, in Indien und auch in China zu dieser Zeit „en vogue“ waren.
Als Vergleichsstücke für die Ornamentik können auch die Teppiche und Vasen dieser Regionen herangezogen werden.
Doch nun zu der Beschreibung und den Bildern meiner Neuerwerbung:

Schmuck-Taschenuhr
Guillome Henry Guye, Verrieres (bei Neuenburg) 1825
Gehäuse:

Sehr flaches Goldemailgehäuse, die Gehäuserückseite ist schwarzgrundig, die Motive sind vielfarbig emailliert, an der Basis des Bildaufbaus sitzen zwei geflügelte Löwen (des Markus),

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aus verschiedenen Vasen erwachsen florale Motive, in zwei Kartuschen sind Rad schlagende Pfauen zu erkennen.

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In der nächsthöheren Stufe erkennt man zwei Reiher, die jeweils eine Schlange im Schnabel halten.

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Der Deckelrand zeigt auf schwarzem Grund florale Ornamente, überwiegend in weiß, rosa, grün und blau. An der Basis sitzen wiederum zwei geflügelte Löwen und stützen scheinbar das Zifferblatt.

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Kugelförmiger, emaillierter Pendant mit zentralem Druck-Knopf zum Öffnen des Gehäuses. Großer, geschmückter Ring mit passender Kette und zwei verzierten Schiebern, daran ein feiner Schlüssel mit Schmucksteinen. Gepunzt mit C:] 114
Zifferblatt:
Guillochiertes Silber-Zifferblatt, gebläute Stahl-Lochzeiger, arabische Stundenzahlen.
Oberhalb des Stundenringes Gravur „G. H. Guye“.

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Werk: feuervergoldetes Lepine II-Werk (Rohwerk wohl von Japy), dreischenkelige Messingunruh, Zylinderhemmung, Staubschutzdeckel mit folgenden Gravuren:

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Gme. Hry. Guye AUX VERRIERES
Remontez a droite (über dem Aufzugsvierkant)
Tournez les Aiguilles (unter dem Vierkant zur Zeigerregulierung)
Echappement a Cylindre quatre trous en Joyaux

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Maße: Uhr Höhe 63 mm (ohne Pendant 43 mm), Breite 43 mm, Dicke 9 mm

Ich freue mich, diese Uhr vorzustellen.
Mit freundlichen Sammlergrüßen
Michael

petsch
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Re: REIHER - PFAU + LÖWE

Beitrag von petsch » Mi 2. Sep 2015, 21:34

Hallo Michael,
vielen Dank für die Vorstellung dieser schönen Uhr. Interessant sind auch Deine Erklärungen zu den Motiven.
Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dass die Uhr für den asiatischen Markt bestimmt war.

Gruß
Peter

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droba
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Re: REIHER - PFAU + LÖWE

Beitrag von droba » Do 3. Sep 2015, 08:51

Hallo Husky

eine sehr interessante Uhr und prima Erklärungen zur Ornamentik des Gehäuses! Das ist ein sehr auffallendes und aufwändiges Gehäuse- mit einem geradezu schlichten Zifferblatt. Irgendwie konnte ich diese beiden Eindrücke zuerst nicht miteinander in Einklang bringen.

Es würde mich auch nicht wundern, wenn das Gehäuse im Ausland hergestellt wurde.

Thank´s for sharing!

droba

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