Sprungziffer-Taschenuhren

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holger
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Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von holger » Sa 9. Okt 2010, 20:21

Hallo,

ich möchte das Thema Sprungziffern-Taschenuhr von der technischen Seite betrachten und hoffe dazu auf Eure Hilfe.

Sprungziffern-Taschenuhren hatten ihre Blüte von ca. 1885 bis ca. 1910.

Hersteller dieser Uhren waren u.a.:

- IWC - Patent Pallweber - 1884
- Cortebert - Patent Pallweber - 1885
- Gedeon Thommen - Patent Thommen - 1885
- A. Lange & Söhne - Patent Dürrstein - 1885
- Aeby & Landry
- Louis Brand & Fils
- unbekannter Hersteller - Patent System A. Kaiser - 1883
- Wittnauer - Patent Pallweber -

Bei diesen Uhren wird die Zeit durch 3 Zahlenscheiben angezeigt. Die Minutenscheibe springt alle 60 Sekunden weiter.
Nach jeweils 10 bzw. 60 Minuten springen auch die 10-Minuten-Scheibe und die Stundenscheibe.

1. Antrieb
Damit sich die Scheiben zwischen den Schaltvorgängen nicht verdrehen werden sie durch Sperrfedern in ihrer Position fixiert. Während des Schaltvorganges muß dieser Wiederstand überwunden werden.

Dieses Problem lösen die verschiedenen Hersteller auf unterschiedliche Art:

1.1. Antrieb durch 2 Federhäuser
Lange verwendet in seinen, nach einem Patent von Dürrstein hergestellten Sprungziffern-Taschenuhren einen getrennten Antrieb von Gangpartie und Anzeige durch 2 Federhäuser, der als Abwandlung der Seconde morte angesehen werden kann. Damit erreichen nur die Lange-Uhren die von ihnen gewohnten hervorragenden Gangergebnisse.

1.2. Antrieb durch 1 Federhaus
Alle anderen Hersteller verwenden einen gemeinsamen Antrieb von Gangpartie und Anzeige durch 1 Federhaus, der sich negativ auf des Gangverhalten der Uhren auswirkt.

1.2.1. Patent Pallweber + Aeby & Landry
Beim Patent des österreichischen Ingenieurs Josef Pallweber und bei den Uhren von Aeby & Landry wird das zusätzliche Drehmoment zum Schalten durch ungehemmtes Ablaufen des Räderwerkes erreicht.

Dazu sind beim Patent Pallweber im Kleinbodenrad 5 große Zahnlücken zum ungebremsten Ablauf des Räderwerkes (Schaltvorgang) angebracht.
Bei den Uhren von Aeby & Landry ist eine Triebflanke des Sekundenrades verkürzt und 5 gleichmäßig verteilte Zähne des Kleinbodenrades sind verstärkt. Diese Zähne begrenzen den ungebremsten Ablauf des Räderwerkes (Schaltvorgang).

1.2.2. Patent Thommen + Patent Kaiser
Bei den Patenten von Thommen und Kaiser wird das zusätzliche Drehmoment zum Schalten durch eine spiralförmige Spannfeder zwischen Schaltstern und Kleinbodenrad aufgebracht.

Während der Schaltvorgang bzw. das Entspannen der Spannfeder beim Patent Thommen durch eine Kurve am Sekundenrad ausgelöst wird geschieht das beim Patent Kaiser durch die Zähne des Kleinbodenrades, welche eine Sperrklinke freigeben.


Soweit zum Antrieb.
Kann jemand meine Angaben zu Aeby & Landry bestätigen?
Die Aussagen entstanden nach 'sezieren' einer Uhr, die ich Aeby & Landry zuordne.

Gruß Holger

holger
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Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von holger » Sa 23. Okt 2010, 20:42

Hallo,
hier nun einige Angaben zur konstruktiven Gestaltung und Unterschieden im Anzeigenmechanismus.

2. Anzeigewerk-Arten
Die Positionierung der Ziffernscheiben kann durch
Kraftschluß (Schaltstern und Rastfeder) oder
Formschluß (Malteser)
erfolgen.

2.1. Weiterschaltung mit Aussparung und Zahnrad
2.1.1. Patent Aeby & Landry
Der Antrieb des Anzeigewerks erfolgt
vom Schaltstern (sitzt auf der Welle des Kleinbodenrades)
über das Schaltrad (Verdrehsicherung durch Rastfeder)
zur Einer-Minuten-Scheibe.

Die Einer-Minuten-Scheibe ist eine einfache Scheibe mit den Ziffern 0 bis 9 und mit einer U-förmigen Aussparung am Umfang (zum Schalten der Zehner-Minuten-Scheibe). Unterhalb der Scheibe sitzt ein Zahnrad (10 Zähne), das vom Schaltrad angetrieben wird.

Die Zehner-Minuten-Scheibe ist eine Doppelscheibe. Auf der oberen Scheibe befinden sich die Ziffern 0 bis 5. Auf dem Umfang der unteren Scheibe befindet sich eine U-förmige Aussparung zum Schalten der Stunden-Scheibe. Zwischen den Scheiben befinden sich 12 Zähne (6 der Zähne verkürzt und ohne Funktion). Beim Weiterschalten greift die U-förmigen Aussparung am Umfang der Einer-Minuten-Scheibe in jeden 2. Zahn (ungekürzt). Die Verdrehsicherung wird durch Formschluß zwischen Umfang der Einer-Minuten-Scheibe und 2 ungekürzte Zähne der Zehner-Minuten-Scheibe realisiert.

Die Stunden-Scheibe ist eine einfache Scheibe mit den Zahlen 1 bis 12. Unter der Scheibe befinden sich 24 Zähne (12 der Zähne verkürzt und ohne Funktion). Beim Weiterschalten greift die U-förmigen Aussparung am Umfang der Zehner-Minuten-Scheibe in jeden 2. Zahn (ungekürzt). Die Verdrehsicherung wird durch Formschluß zwischen Umfang der Zehner-Minuten-Scheibe und 2 ungekürzte Zähne der Stunden-Scheibe realisiert.

Die (später im Produktionsprozeß) verkürzten Zähne sind wahrscheinlich hestellungsbedingt.

2.1.2. Patent Thommen
Der Antrieb des Anzeigewerks erfolgt
vom Minutensprungrad
über das Schaltrad (Verdrehsicherung durch Rastfeder)
zur Einer-Minuten-Scheibe.

Aufbau der Scheiben und Art der Weiterschaltung sind im Prinzip identisch mit dem Patent Aeby & Landry.

2.2. Weiterschaltung mit Schaltfinger und Stellkreuz
2.2.1. Patent Pallweber
Der Antrieb des Anzeigewerks erfolgt
vom Schaltstern (sitzt auf der Welle des Kleinbodenrades)
zum 10-zahnigen Stern der Einer-Minuten-Scheibe (Verdrehsicherung durch Rastfeder).

Die Einer-Minuten-Scheibe ist eine einfache Scheibe mit den Ziffern 0 bis 9 und mit einem Schaltfinger am Umfang (zum Schalten der Zehner-Minuten-Scheibe). Unterhalb der Scheibe sitzt ein 10-zahnigen Stern, der vom Schaltrad angetrieben wird. Als Verdrehsicherung greift eine Rastfeder in den 10-zahnigen Stern.

Die Zehner-Minuten-Scheibe ist eine Doppelscheibe mit den Ziffern 0 bis 5. Beim Weiterschalten greift der Schaltfinger am Umfang der Einer-Minuten-Scheibe in die Aussparung des Stellkreuzes (Malteser) unter der Zehner-Minuten-Scheibe. Die Verdrehsicherung wird durch Formschluß zwischen Umfang der Einer-Minuten-Scheibe und der Außenkontur des Stellkreuzes realisiert. Unterhalb des Stellkreuzes befindet sich eine zweite Scheibe mit einem Schaltfinger am Umfang (zum Schalten der Stunden-Scheibe).

Bei späteren IWC-Uhren sind die Ziffern 0 bis 5 zwei mal aufgebracht.
Bei noch späteren IWC-Uhren ist es eine einfache Scheibe mit 2 mal 0 bis 5 und strukturierter Außenkontur (ähnlich Malteser).
Bei allen dem Autor bekannten Cortebert-Uhren ist es eine einfache Scheibe mit 2 mal 0 bis 5 und strukturierter Außenkontur (ähnlich Malteser).
Die Stunden-Scheibe ist eine einfache Scheibe mit den Zahlen 1 bis 12. Beim Weiterschalten greift der Schaltfinger unter der Zehner-Minuten-Scheibe in die Aussparung des Stellkreuzes (Malteser) über der Stunden-Scheibe. Die Verdrehsicherung wird durch Formschluß zwischen Schaltfingerscheibe der Zeher-Minuten-Scheibe und der Außenkontur des Stellkreuzes realisiert.

2.2.2. Patent Dürrstein
Der Antrieb des Anzeigewerks erfolgt über ein seperates Räderwerk.
Aufbau der Scheiben und Art der Weiterschaltung sind im Prinzip identisch mit dem Patent Pallweber in der späteren Ausführung.

2.2.3. Gurzelen Patent
Aufbau der Scheiben und Art der Weiterschaltung sind im Prinzip identisch mit dem Patent Pallweber in der späteren Ausführung.


Im Ergebnis dieser Ausführungen läßt sich erkennen, daß die einzelnen Hersteller von Sprungziffernuhren ihre Konstuktionen so ausgeführt haben, daß sie nicht mit einem Konkurenten überein stimmten.
Während z.B. die Uhren von IWC und Aeby & Landry das selbe Prinzip des Antriebs haben, ist der Anzeigemechanismus dieser Uhren verschieden.

Gruß Holger

karlo

Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von karlo » Sa 23. Okt 2010, 20:49

Da diese Uhren aeusserst selten sind und ich, ausser 70er Jahre Kram, bisher nichts in den Fingern hatte, kann ich dazu ueberhaupt nichts beitragen.

Karlo

Edelweiss

Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von Edelweiss » Mo 25. Okt 2010, 15:52

Hallo Holger,

vielen Dank für die Informationen. Sicherlich ein interessantes Thema.
Persönlich würd ich mir diese Ausführung nicht zulegen. Sie erinnert mich zusehr ans Heute, an die Digitalzeit. 0 oder 1.

Selber, also aufgrund Erfahrung, bzw. als Besitzer einer solchen TU, kann ich keine Informationen beisteuern.

Eventuell hilft Dir (uns) das:

http://www.sprungziffern-taschenuhren.ch/

http://www.sprungziffern-taschenuhren.c ... nt=samples

http://shop.ebnerverlag.de/ebner/de/sho ... echer,241/

http://shop.ebnerverlag.de/ebner/de/sho ... -4-5,,463/

holger
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Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von holger » Mo 25. Okt 2010, 21:46

Hallo Freddy,
danke für den Tip.
Habe mir das Buch gleich nach seinem Erscheinen aus der Schweiz mitbringen lassen.
Das Buch von Alex Kuhn ist recht umfassend und nach meiner Meinung umfangreich recherchiert. Leider wird dabei jedoch die technische Seite nicht genügend betrachtet, was der Autor in der Einleitung auch schreibt.
Gruß Holger

Edelweiss

Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von Edelweiss » Di 26. Okt 2010, 15:22

Hallo Holger,
versuche doch Kontakt mit dem Autor aufzunehmen (auch der Verlag vermittelt mit Sicherheit den Kontakt).
Meine Erfahrung ist die, häufig klären sich noch offene Fragen auf dem direkten Weg zum und mit dem Autor.
Also versuch mal mit ihm in Kontakt zu kommen.
Wenn er nichts weltbewegendes besteuern kann, mit Sicherheit hat er den einen oder den anderen Tipp parat!
Ich drücke Dir die Daumen!

Wenn nicht schon geschehen, bringe das Thema auch im PocketWatch Forum ein.
Ich kann mir vorstellen, dort trifft der Beitrag auf eine breitere Resonanz und eine zielführendere Diskussionen!

holger
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Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von holger » Mi 27. Okt 2010, 22:28

Hallo Freddy,
schau mal hier
http://www.lucrum.ch/pocketwatch/phpBB2 ... ber#p47468
und hier
http://watch-wiki.de/index.php?title=Sprungziffernuhr

Mit dem Autor habe ich gleich nach dem Erscheinen des Buches gesprochen - leider ohne Erfolg in Bezug auf meine sicher sehr speziellen und technisch ausgerichteten Fragen.
Gruß Holger

Edelweiss

Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von Edelweiss » Do 28. Okt 2010, 14:35

Hallo und guten Tag Holger,
der Verlinkung zu Watch-Wiki bin ich gefolgt: Klasse! Noch informativer durch die Einbindung der Bilder.
Nochmals vielen Dank für Deinen guten und ausführlichen Beitrag hier im DGC-Forum!

holli
Beiträge: 213
Registriert: So 12. Sep 2010, 21:19
Wohnort: München

Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von holli » Do 28. Okt 2010, 15:33

Edelweiss hat geschrieben:Hallo Holger,
versuche doch Kontakt mit dem Autor aufzunehmen (auch der Verlag vermittelt mit Sicherheit den Kontakt).
Meine Erfahrung ist die, häufig klären sich noch offene Fragen auf dem direkten Weg zum und mit dem Autor.
Also versuch mal mit ihm in Kontakt zu kommen.
Wenn er nichts weltbewegendes besteuern kann, mit Sicherheit hat er den einen oder den anderen Tipp parat!
Ich drücke Dir die Daumen!

Wenn nicht schon geschehen, bringe das Thema auch im PocketWatch Forum ein.
Ich kann mir vorstellen, dort trifft der Beitrag auf eine breitere Resonanz und eine zielführendere Diskussionen!
Hallo Freddy
Wenn ich micht täusche ist Holger schon seit mehr als 3 Jahren im "Pocket Watch Forum" als sehr akitives Mitglied tätig.
Gruß
Günther

petsch
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Registriert: So 15. Aug 2010, 18:10

Re: Sprungziffer-Taschenuhren

Beitrag von petsch » Do 28. Okt 2010, 16:47

Der Autor des Buches über Sprungziffernuhren ist auch bei uns Mitglied und hat vor dem Schreiben nach Informationen über A.Kaiser , den Inhaber eines Patentes dieser Mechanik, nachgefragt.
Ich denke, wenn er technische Details hätte, dann hätte er sie auch in dem Buch zum Besten gegeben.
Bei meinen nächsten Digitaluhren werde ich mal die technischen Details fotografieren, wenn ich Gelegenheit dazu habe.


Gruß
Peter
Falls Du Dich spezieller mit Taschenuhren beschäftigen möchtest, besuch doch auch das pocketwatchforum :
http://forum.pocketwatch.ch/

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