Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

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DerSigi
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Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von DerSigi » Fr 6. Dez 2013, 13:19

Hallo,

seid kurzem bin ich Besitzer von zwei Armbanduhren aus russicher Produktion (eine Rakete und eine Wostok). Aufmerksam geworden bin ich auf diese Uhren durch das Buch 'Faszination Russische Uhren' von Michael Ceyp.

Ich würde gerne mehr über die Geschichte der Uhrenproduktion in Russland erfahren. das o.g. Buch gibt zwar einen guten Überblick über das Sammelgebiet, aber wenig Hintergrundinformationen.

Wo könnte ich etwas mehr Informationen zur Geschichte der Uhrenproduktion in Russland erfahren (Links, Buchempfehlungen)?

LG
Sigi

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Typ1-2-3
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von Typ1-2-3 » Fr 6. Dez 2013, 14:40

Schau mal hier:

Bild

Walter hat dazu eine Rezension geschrieben:

http://www.dg-chrono.info/dg-chrono.de/ ... and#p18192

Frank

petsch
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von petsch » Fr 6. Dez 2013, 15:38

Hallo Sigi,
ich kenne die Bücher über russische Uhren leider nicht persönlich, auch das von Walter vorgestellte und von Frank empfohlene Buch leider nicht, aber ich sehe die Beschreibung dieses Buches so, dass es da hauptsächlich um frühere Uhrmacher geht.

Das von Dir erwähnte mit dem Titel "Faszination russische Uhren" hat noch eine Ergänzung mit dem Titel "Faszination sowjetische Uhren" bekommen.
Ich kann mich erinnern, dass sich Walter im pocketwatchforum mal auf beide Bücher bezogen und sie beschrieben hat. Vielleicht schreibt er oder jemand anderes, der beide Bücher hat, hier auch noch einmal etwas dazu.

In Deinem Buch wird ja sicher die "Übersiedelung" der Uhrenfabrik Dueber / Hampden von Amerika nach Russland auch erwähnt ? Das scheint mir für die fabrikmäßige Uhrenherstellung in Russland ein Meilenstein zu sein.

Gruß
Peter

DerSigi
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von DerSigi » Fr 6. Dez 2013, 16:01

Vielen Dank für Eure Antworten!

Hallo Frank,
das Buch klingt sehr interessant. Zumal die Rezension vermuten lässt, das die Geschichte der Uhrenherstellung in Russland noch viel interessanter ist als ich ursprünglich vermutet habe. Schade nur, das das Buch mit Begin der Oktoberrevolution endet. Das was danach passierte würde mich auch interessieren.

Hallo Peter,
leider findet sich in meinem Buch fast gar nichts zur Geschichte. Hauptsächlich werden dort nur die verschiedenen Modelle der unterschiedlichen Hersteller vorgestellt. Deshalb habe ich im Moment wenig Hoffung in der Fortsetzung mehr Informationen zu finden. Aber ich werde mal im pocketwatchforum nach den von Dir erwähnten Beitrag suchen.

LG
Sigi

walter der jüngere

Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von walter der jüngere » Fr 6. Dez 2013, 19:21

Hallo,

das Segment Russischer bzw. Sowjetischer Uhren wurde in der Literatur auch m.E. nach leider immer noch viel zu wenig bearbeitet. In dem einen oder anderen Buch findet so ganz nebenbei und versteckt vielleicht mal den einen oder anderen Hinweis, aber eben kaum wirklich mehr.

Mit C. Chaykins Buch "Das Uhrmacherwesen in Russland" wurde endlich auch die Zeit der Uhrmacherei vor der Oktoberrevolution dort beschrieben.
Dann gibt es die beiden - auch schon genannten - Bücher von M. Ceyp: "Faszination Russische Uhren" bzw. Faszination Sowjetische Uhren", beides waren lange die "wichtigsten" Bücher über dieses Uhrensegment und über die Uhrmacherei in diesem großen Land.
Im Prinzip wird der Faden über die Entwicklung des dortigen Uhrmacherwesens / Uhrenproduktion in diesen beiden Bücher weiter anhand vieler Exemplare gut und anschaulich dargestellt.
Allerdings sind es vorwiegend Bilder von Uhren, die die Geschichte und geschichtlichen Zusammenhänge erzählen...
Daneben gibt es noch den "Katalog zur Uhrenausstellung Russland International" (Sammlung Johannes Altmeppen), erschienen im Jahr 2004 (DGC-Bibliotheksverzeichnis: KA157/1). Auch darin stehen auf den ersten (75!) Seiten wieder einige Fakten, einige wichtige Informationen.
Im Bezug auf militärisch genutzte Uhren (insbesondere Chronometer bzw. Fliegeruhren usw.) findet man auch in der diesbezüglich einschlägigen Literatur nochmal den einen oder anderen Vermerk, die eine oder andere Information. Aber auch das wirkt letztlich nur wie ein Puzzlestück.
Ein wirklich umfassendes, ausführliches Buch (was sicher mehrere Bände umfassen könnte / würde / müsste) über die dortigen Entwicklungen, die entsprechenden Hintergründe usf. - das konnte ich sowohl im deutsch- als auch im englischsprachigen Bereich bislang nicht finden. Leider.

Was an bislang offenbar noch nicht so besonders intensiv aufbereiteten Informationen sehr inhaltsreich ist - sind die Uhrmacherzeitschriften, ich meine damit ausdrücklich auch die deutschsprachigen Veröffentlichungen in der DUZ, dem AJU usw. Da steht auch immer mal wieder ein Artikel, oder auch nur eine kurze Notiz dazu drin. Aber das macht zugegebenermaßen sehr viel Arbeit, sich da durch die Seiten bzw. Dateien durchzuarbeiten. Es würde sich sicher sehr lohnen.

Walter d. J.

DerSigi
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von DerSigi » Fr 6. Dez 2013, 21:16

Hallo Walter,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!

Erstaunlich, das dieses Thema so wenig Beachtung findet, aber nun habe ich immerhin zwei Buchempfehlungen die mir weiterhelfen.

LG
Sigi

Thorsten Schreiber
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von Thorsten Schreiber » Fr 6. Dez 2013, 21:24

Sigi,

such mal im Internet nach Valerii Danevych aus der Ukraine. Er stellt Uhren komplett aus Holz her. In "Klassik-Uhren" 5/2013 gibt's auch einen Bericht. Ist sehr interessant.

Viele Grüße,
Thorsten

petsch
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von petsch » Fr 6. Dez 2013, 22:35

Thorsten Schreiber hat geschrieben:
such mal im Internet nach Valerii Danevych aus der Ukraine. Er stellt Uhren komplett aus Holz her.
Hier http://dg-chrono.info/dg-chrono.de/foru ... 976#p23996
hatte ich auch ein paar Bilder seiner Uhren gezeigt. Er arbeitet sozusagen in Weiterführung der Uhren der Bronnikov Familie, die auch in dem ersten, von Frank empfohlenen Buch, behandelt werden.

Das ist allerdings ein ganz anderer Zweig der Uhrmacherei.

Gruß
Peter

DerSigi
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von DerSigi » Sa 7. Dez 2013, 17:20

Interessant das man aus Holz auch so filigrane Uhren herstellen kann. Das hätte ich nicht vermutet.

Vielen Dank für den Hinweis Thorsten und vielen Dank für Deinen Link Peter!

LG
Sigi

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droba
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Re: Geschichte der Uhrenproduktion in Russland

Beitrag von droba » Sa 7. Dez 2013, 20:47

Hallo Sigi,

ich kenne mich in der Geschichte der russischen Uhrenproduktion wahrlich nicht besonders aus und mir ist auch keine Literatur darüber bekannt. Ich kann Dir aber einige Einzel-Informationen geben:


Schon das zaristische Russland hat besonders in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts Uhren und Technologie aus Frankreich ins Land gelassen oder sogar bewusst geholt. Später kamen dann Schwarzwälder Uhrenhändler, die Schwarzwälder Uhren nach Russland lieferten und verkauften. Mehrere dieser Uhrenhändler wurden auf Dauer in Russland sesshaft und vertrieben Schwarzwälder Uhren. Die Uhrenfabrik Lenzkirch hat etwa ab dem Jahr 1865 ebenfalls ihre Uhren bevorzugt nach Russland verkauft.

Ab etwa 1885 gewann die deutsche Uhrenindustrie dann insgesamt an Bedeutung und belieferte ebenfalls den russisch-polnischen Markt. Um den Abfluss von Devisen zu begrenzen, begann Russland sich mit hohen Zöllen gegen die deutschen Uhren abzuschotten, aber die deutschen Hersteller (besonders die Hersteller aus Schlesien) lieferten die Uhren zerlegt nach Russland und ließen sie vorort zusammensetzen. Darauf hat Russland seine Grenzen (ich glaube 1892) auch für Uhrenteile dicht gemacht, was in Schlesien zu einer schweren Krise der dortigen Hersteller führte, worauf sich um 1900 die fast alle schlesischen Hersteller zu den "Vereinigten Freiburger Uhrenfabriken incl. vorm. Gustav Becker" zusammengeschlossen haben.

Soweit zu den Großuhren. Ich habe aber den Eindruck, dass Du Dich mehr für die russischen Taschen- und Armbanduhren interessierst. Auch hier eine Information:

Die Russen hatten zwar anfangs des 20. Jh. durchaus bedeutende Uhrmacher, aber es hat sich im Gegensatz zu Deutschland und anderen europ. Ländern in Russland keine wirkliche Uhrenindustrie gebildet. Das führte nicht nur zu technologischen Defiziten, sondern insbesondere auch zu einem starken Abfluss an Devisen ins Ausland, besonders durch den Import von Taschenuhren in Gold - und Silbergehäusen. Die Russen waren deshalb auf der Suche nach der Uhren-Technologie.

Anfangs der 1930er Jahre waren die Nazis eine zeitlang auf Schmusekurs mit den russischen Kommunisten. Die Russen baten die Nazis um die Unterstützung beim Bau einer Uhrenfabrik für Taschen- und Armbanduhrenwerke. Unter der Vermittlung der Nazis erklärte sich die Firma Gebrüder Thiel in Ruhla bereit, den Russen diese Technologie zu liefern und auch beim Aufbau einer Fabrik zu helfen. (Thiel war nicht nur ein Uhrenhersteller, sondern auch ein Maschinenbauer für feinmechanische Maschinen und konnte deshalb auch beides an die Russen liefern.) Wenn ich richtig informiert bin, war es die "Erste Moskauer Uhrenfabrik" die auf russischem Boden mit deutscher Technologie und mit deutschen Maschinen die ersten Uhrwerke für Taschen- und Armbanduhren hergestellt haben.

Es entstanden in Russland auch noch weitere Uhrenfabriken, aber inwieweit deutsche Uhrenspezialisten auch bei diesen Firmen geholfen haben, kann ich nicht sagen. Vermutlich stammten aber die Maschinen auch dieser Fabriken ebenfalls aus deutscher Produktion.

Interessant ist noch folgender Punkt:

Die Russen haben nach dem 2. Weltkrieg die DDR in großem Umfang demontiert. Viele Betriebe mussten vollständig ihre Maschinen an Russland abtreten, die Firma Lange & Söhne musste alle Zeichnungen für ein Kaliber an die Russen abtreten, Strasser & Rhode lieferte eine ganze Serie an wissenschaftlichen Präzisiopnspendeluhren an Russland, Ruhla lieferte Uhrwerke für Schiffe usw. Aber es wurden von den Russen aus der Uhrenindstrie in Ruhla keine Maschinen für die Herstellung von Uhren abgebaut. (Im Gegensatz zu den Franzosen, die im Schwarzwald in großem Umfang die Demontage von Maschinen der Schwarzwälder Uhrenindustrie betrieben haben.)

Dass die Russen in der DDR keine Maschinen der Uhrenindustrie abgebaut haben, kann nach meiner Meinung zwei Gründe haben: entweder haben private Kontakte aus früheren Jahren von Mitarbeitern von Thiel nach Russland die Demontage von Maschinen verhindert- oder ganz pragmatisch: Russland benötigte diese Maschinen nicht mehr, da Russland in der Versorgung von Uhrwerken zu diesem Zeitpunkt bereits autark war.

Soweit mal.

Meine Antwort ist nun vielleicht etwas ausführlich geraten, aber vielleicht sind einige Details davon für Dich interessant. Weiterführende Literatur zum Aufbau und zur Entwicklung der russischen Armbanduhrenindustrie sind mir aber wirklich nicht bekannt.

droba

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