Chronometer? - Wie aus ner Frage ein Seminar wurde.

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baghipapa
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Chronometer? - Wie aus ner Frage ein Seminar wurde.

Beitrag von baghipapa » Mo 14. Nov 2011, 07:30

Was ist ein Chronometer?
Was macht eine Uhr zum Chronometer?
Was sagt Wikipedia zum Thema Chronometer?

"...aus altgriechisch χρόνος chrónos „Zeit“ sowie dem griechischen Neutrum μέτρον métron „Maß“, „Werkzeug zum Messen“ steht für besonders präzise mechanische Uhren, wie sie früher besonders zur Zeitbestimmung zur Navigation auf Schiffen und Flugzeugen benötigt wurden."

Der Fachkreis Armbanduhren des DGC (Deutsche Gesellschaft für Chronometrie) beleuchtet das Thema Chronometrie sehr ausführlich im Seminar "Hohe Schule der Chronometrie" und nachdem ich im Sommer bei Chronoswiss in München meine erste eigene Uhr im Rahmen eines wunderbaren DGC-Seminars gebaut habe, war schon klar, das Chronometer-Seminar muss sein.

Wo macht man so ein Seminar?
Im einzigen deutschen Prüfinstitut für Chronometer, in der wohl bedeutendsten deutschen Uhrenstadt, natürlich in Glashütte. In der wunderschön renovierten Sternwarte über der Stadt findet man die Firma Wempe.

Wempe? Die mit den Uhren- und Schmuckläden? Die aus Hamburg?
Genau diese Firma Wempe! Was ich nicht wusste, Wempe hat eine lange Tradition in der Produktion von Marine-Chronometern für die Seefahrt. Seit 1905 wurden in Hamburg in der Chronometerwerke GmbH Uhren für Hamburger Reedereien gefertigt. Und die Chronomterwerke waren ab 1938(?) im Besitz der Fa. Wempe.

Wempe hat in Glashütte die alte zerfallene Sternwarte restauriert, seit 2006 gibt es hier wieder astronomische Geräte zur Sternenbeobachtung und Deutschlands einzige offizielle Prüfstelle nach deutscher Chronometernorm. Diese Prüfstelle betreibt Wempe zusammen mit den thüringischen und sächsischen Landesämtern für Mess- und Eichwesen. Einen besseren Veranstaltungsort kann man sich nicht wünschen.

Also auf nach Glashütte!
Nach der Begrüßung der 15 Teilnehmer durch den DGC-Präsidenten Josef Stadl und Gunter Teuscher, dem Gastgeber von Wempe, interessierte uns natürlich zuerst das Haus und die Sternwarte. So konnten wir als ersten Programmpunkt die Fertigung der Wempe Armbandchronometer und Marine-Chronometer besichtigen. Überrascht war ich, dass Wempe nicht nur alte Marine-Chronometer wartet und repariert, sondern immer noch mechanische Marine-Chronometer fertigt!

Danach gings runter in die Stadt zum deutschen Uhrenmuseum Glashütte. Es gab eine Führung mit dem Leiter des Museums. Uns wurde ein toller Einblick in die Sammlung geboten, immer wieder kamen Hinweise auf Exponate zum Thema Chronometrie. Wie im Flug vergingen die 2 Stunden Rundgang. Das war sicher nicht mein letzter Besuch dort.

Den Abend ließen wir locker ausklingen beim gemeinsamen Abendessen. Obwohl hier vom Hamburger Schnellschnacker bis hin zum Niederbayer alles vertreten war, verstanden sich alle prächtig.

Am Samstag erwartete uns ein Marathon mit Vorträgen zum Thema Chronometer. Die Organisatoren, Herr Stadl, Herr Sack und alle anderen Beteiligten schaffen immer wieder ein unglaubliches Programm. Danke an alle Referenten für die superinformativen Vorträge.
Herr Fleßner erzählte in seiner ruhigen, fesselnden Art über die Geschichte der Chronometrie und spannte einen Bogen von Harrison in England und seinem ersten Chronometer über Arnold, Earnshaw, Guillaume, bis zu Dencker in Hamburg und den Marine-Chronometern. Wir lernten viel über die Schwierigkeiten exakt laufende Uhren zu bauen und unter anderem das Thema Temperaturkompensation.

Mr. Machine gun, auch Carsten Petersen (wie sonst kann jemand aus dem Norden heißen?) genannt, beschoss uns mit Informationen über die Chronometerwerke Hamburg und die dort gefertigten Marine-Chronometer. Hier gab es jede Menge Infos aus dem Firmenarchiv von Wempe zur Geschichte, der Feinstellung und zu Erfindungen, Entwicklungen, Fehlerquellen, Herstellung und Materialien bei alten und modernen Uhren.

Herr Petersen berichtete vom Öl über das Räderwerk, die Spirale mit Temperaturkompensation bis zur Reglage. Neue Entwicklungen von Audemar Piquet, Breguet, Omega, Patek Philippe und Rolex gab es zu bestaunen.

Andreas Vierhuf sammelt alles Mögliche über Chronometrische Prüfungen und Wettbewerbe, vor allem in der Schweiz. Er gab uns einen spannenden Einblick in die Formel 1 der Uhrmacherei, unglaublich viele ausführliche Infos zu Chronometer-Wettbewerben und auch Anekdoten über Transport von Uhren zu den Wettbewerben. Hier gab es manchen Lacher und Kopfschütteln.

Danach reichte es mir und vielen Anderen erstmal. Ich war nach Sachsen gekommen um was über Armbandchronometer zu hören und was passierte? Ich weiß jetzt, was Marine-Chronometer sind, das hatte mich nie interessiert. Ich weiß jetzt um die spannenden Wettbewerbe des letzten Jahrhunderts und ich weiß, dass ich zum Thema Zeit und Uhren gar nichts weiß.

Es tat danach gut, sich zu bewegen und im Haus die Prüfstelle zu besichtigen, in der alle deutschen Chronometer geprüft werden.

Zum Abschluss des Tags wurde uns von Frau Lippmann erklärt, was wir, die Teilnehmer am Sonntag selbst schrauben sollen/dürfen. Es gab zur Auswahl einen Chronometer der Fa. Wempe, der mit einer Schwanenhalsregulierung ausgestattet wurde und zur Chronometerprüfung vorgestellt wird oder dem Umbau der selbstgebauten Uhr aus dem vorhergehenden Seminar.

Der Samstagabend verlief beschaulicher als der Vorabend, es hatten wohl alle Schiss vor der praktischen Übung am Sonntag…

Am Sonntag konnten endlich die theoretisch erworbenen Kenntnisse in die Praxis umgesetzt werden. Wieder konnten wir selbst schrauben und die von uns getunten Uhren dann auf der Zeitwaage regulieren. Nein, es musste keiner auf dem Boden rumkriechen um Kleinteile zu suchen. Keiner außer mir…Na ja Kleinteile: ich hatte meine Lupe unter den Tisch geschmissen, die fand ich auch ohne Brille wieder.

Man merkte am Sonntag, dass selbst schrauben stolz macht. Die lächelnden Gesichter zeigte mir, im Grunde unseres Herzens sind wir alle Schlosser ;)

So gab es beim abschließenden Mittagessen viele zufriedene Gesichter und Verabredungen für die nächsten Veranstaltungen.

Ich hatte ein tolles Wochenende in Glashütte!
Ich traf viele Leidensgenossen aus den vorangegangenen Seminaren wieder. Das scheint ne Sucht zu sein, immer wieder und immer mehr erfahren zu wollen. Nicht nur bei mir.

Das Beste an den DGC-Seminaren sind vor allem Anderen die Referenten. Im DGC gibt es so viel Wissen aus allen Bereichen der Horlogerie, das erstaunt mich immer wieder, das ist der Hammer!

Und Danke an alle, die ihr täglich Brot damit verdienen müssen. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, sich am Sonntag hinzustellen und ein paar Bekloppten was zur eigenen Arbeit zu zeigen. Deshalb hier noch mal einen ganz besonderen Dank an Hr. Teuscher für den Kaffee ;) und an alle Wempe-Mitarbeiter für Ihren Einsatz!

Und was kommt als Nächstes?
Egal, Termin im Mai ist schon notiert…

baghipapa
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Registriert: Di 19. Apr 2011, 20:45

Re: Chronometer? - Wie aus ner Frage ein Seminar wurde.

Beitrag von baghipapa » Mo 14. Nov 2011, 07:34

Oh,
das ist sehr lang geworden...

Bilder?
Kommen später, da ich meine Kamera vergessen hatte :evil:

Also demnächst hier in diesem Beitrag...

winne
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Registriert: Mo 30. Aug 2010, 10:19

Re: Chronometer? - Wie aus ner Frage ein Seminar wurde.

Beitrag von winne » Mo 12. Dez 2011, 16:54

Hallo

Observatoriumswettbewerbe steht für die härteste Prüfung von Chronometern die sich ein
Zeitmessinstrument unterziehen konnte.
Hier maßen sich Fabrikanten und ihre Chronometermacher im Wettkampf, um ihre Produkte
Vorzustellen.
Als 1968 letztendlich aufgrund der Quarzuhren die Wettbewerbe an den Observatorien vorbei
Waren, beendeten sie nicht nur die Geschichte der OB-Chronometer, und ihrer Regleure, Sondern auch eine Epoche in der Uhrmacherei.
Heute sind sie nur noch fossile Zeitmaschinen die diese starke Epoche im Präzisionsuhrenbau Anschaulich dokumentieren.
Es war, wie beschrieben eine LEISTUNGSSCHAU . Dieser Aspekt ist bei der heutigen
COSC - Prüfung gänzlich entfallen!

Was ist nun eigentlich ein Armband-Chronometer?
Die Schweizer Uhrenindustrie definiert die Sache seit 1951so: - Ein Chronometer ist eine Präzisionsuhr, die in verschiedenen Lagen sowie unter unterschiedlichen Temperaturen reguliert ist, und offiziellen Gangschein erhalten hat, den der C.O.S.C.
Nur dann darf eine Armbanduhr die Aufschrift --Chronometer-- Führen!

Es ist ohne weiteres möglich das deine Armbanduhr den Gang eines Chronometers erreichen
Kann oder den Gang einfach hat, wie auch immer. Bei den heute üblichen geringen Fertigungstoleranzen ist das nicht unwahrscheinlich sondern durchaus möglich.
Was ist nun anders an einem Armband-Chronometerwerk ? Sind es besondere Werke ?
Nein die Konstruktion ist mit einem Serienwerk identisch, zum Beispiel Valjoux 7750
ETA 2892-2 ETA 2824-2 uns.
Nur technisch ist ein Armband-Chronometerwerk einfach genauer.
Nach der Terminierung wird hier eine aufwendigere Feineinstellung geleistet um den Gewünschten Chronometergang zu erreichen.
Es kommen nur die besten Werkstoffe zum Einsatz, Beispiel: Nivarox-Spirale der Güteklasse 1 es kommt nur das zum Einsatz was die geringsten Toleranzen aufweist.



Gruß Winne

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Re: Chronometer? - Wie aus ner Frage ein Seminar wurde.

Beitrag von soaringjoy » Di 13. Dez 2011, 11:27

Vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag, baghipapa.

Nun, die "Großuhrenfetischisten" werden wohl über die Rolle der
Firma Wempe im Chronometerbau Bescheid gewusst haben, o ja, doch. ;)

Du hast völlig recht:
Beim DGC und deren Mitgliedern gibt es eine ungeheure Menge an Fachwissen!

Dieses Forum ist gewissermaßen auch dazu da, einen Bruchteil solcher Informationen
zu transportieren. Aber es liegt nun einmal in der Natur der Sache, dass Internet-Foren
oder auch Internet-Encyclopedien immer nur einen "Einstieg" bieten, denn sie können nicht
all-umfassend und abschließend sein.
Wir hoffen, durch das Forum Leute auf den Geschmack bringen zu können... die anschließende
Weiterbildung und Vertiefung des Wissens verfolgt dann andere Wege, wie Du sie ja auch beschreibst.

J.
"tempus nostrum"

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