Sekundenpendeluhrbau reloaded!

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Schorsch
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von Schorsch » Di 14. Jun 2016, 15:27

Grüß Dich Dieter,
ich denke, der Knickpunkt verlagert sich geringfügig in Abhängigkeit zum Gewicht, je größer das Gewicht, um so weiter verlagert er sich nach oben, denn durch die größere Spannung wird das freie Federstück mehr gestreckt.
Eigentlich besteht der Pendelausschlag aus Hebung und Ergänzungsbogen. Die Hebung ist durch die Palettenbreite, und der Ergänzungsbogen durch die Güte des Pendels, ähnlich wie bei einem el. Schwingkreis die Resonanzüberhöhung, definiert. Je höher die Schwingkreisgüte, um so weniger Energie ist nötig, das System anzuregen. Die Scherenhemmung greift über einen Zahn, von der Funktion sehe ich da eigentlich keinen Unterschied. Bei einer älteren Sek.- Jahres - Pendeluhr fand ich diese Hemmung. Dabei war die Pendelfeder 0,5 mm dick und 8 cm lang. Das Pendelgewicht betrug 9 kg.

LG
Schorsch.

winne
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von winne » Di 14. Jun 2016, 16:15

Hallo

Dieter meine Wiener Sekundenpendeluhren darunter auch Monatsläufer haben alle
Kleine Hemmungsräder und der Anker greift über das halbe Hemmungsrad !
Der Grundsatz hier : möglichst kleine Schwingungsweiten und möglichst gleichförmige
Schwingungsweiten ergeben nur kleine Isochronismusfehler !

Die Dicke der Pendelfeder beträgt : 0,11 - 0,12 mm

Die Biegungsachse der Pendelfeder liegt etwa 0,3 mm unterhalb der oberen Federklemmung
Der Pendelfeder .

Lieteratur : Giebel Hellwig Riefler



Gruß Winne

Stupferich
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von Stupferich » Mi 15. Jun 2016, 00:50

Hallo Dieter,
wie Winne schon schrub, es gilt der Grundsatz ... zusätzlich auch kurze Hebelarme des Ankers. Das hat bereits Saunier experimentell nachgewiesen, und über Kessels, Grossmann, Strasser ... PPU Anker hatten 6 1/2, max. 7 1/2 TE überspannt.

Es wäre für mich interessant zu erfahren, warum D. M. auf 11 gegangen ist... möglicherweise aus Gründen besserer Reproduzierbarkeit in der Kleinserie?

Bezüglich Deiner Fragen, man muss sich notgedrungen mit dem Grahamgang speziell und der Theorie des Pendels im Allgemeinen etwas intensiver einlassen. Zu letzterem siehe auch Dieter Merkel "Portrait einer einfachen PPU" in AU 2/82 ff.
Man beachte ... einer einfachen PPU! Finde die Pointe 8-)
Was bemerkte damals ein Redakteur dazu? "Die Theorie interessiert doch kein Schw***". Tja, so kann es schiefgehen, leider.

Schau mal in Dittrich, Anhang III/S. 158, Kap. 4, Die Graham-Hemmung Glashütter Art.

Ingenieurmäßig abgehandelt ist der Grahamgang in Reutebuch, Der Uhrmacher, S. 292.

Überhaupt, den Reutebuch kann ich allen technisch Interessierten nur ans Herz legen. Stand 1951, mit auf dem Höhepunkt der mechanischen Uhrentechnik. Auch ohne tiefere Kenntnisse in Trigonometrie und Mathe kann man sich an der umfassenden Darstellung erfreuen. Mit umso mehr ... Danke nachträglich an Michael Stern, der mir diese 528 Seiten schönes Reprint in 2008 für sagenhafte 17€ (inkl. Porto!) verkauft hat.

Herzlichen Gruß aus Baden nach Mittelfranken ...
Duplex

PS.: Alfred Helwig warnt übrigens vor zu dünnen(!) Pendelfedern. Ich glaube in "Vervollkommnung der Pendeluhr". Also, Obacht...!

teslak
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von teslak » Mi 15. Jun 2016, 14:37

Hallo Schorsch, hallo Winne, hallo Duplex,

vielen Dank für eure Antworten. Wenn der Biegepunkt rund 0,3mm unterhalb der oberen Klemmbacke liegt, dann bin ich zu hoch. Ich habe mich an die Angaben im Lehotzky (Grundlagen mechanischer Uhren, S. 250) gehalten. D. M. sprach auch immer von 0,3mm unterhalb der oberen Klemmbacke. Dann werde ich eben den Pendelbock entsprechend absenken, was noch geht, da er noch nicht verstiftet ist.
Warum er bei der Konstruktion auf den großen Übergriff gegangen ist, kann ich nicht sagen, werde es aber beim nächsten Telefonat nachholen. Ich weis von seinen Erzählungen, dass er damals alle Räder, Triebe als auch die Ankerräder mittels Abwälzfräsen hergestellt hat. die Fräser müssen schon damals eine sehr große Summe gekostet haben, da er für jede Zähnezahl einen eigenen Fräser benötigte.

Die Federstärke ist in seinen Angaben mit 0,12mm angegeben, aber die Federlänge zwischen den Klemmbacken sollte bei seiner Konstruktion 7,5mm betragen. Mir erschien das zu lang, verglichen mit Strasser & Rohde als auch Riefler, da wurde immer ein Wert von 4mm eingehalten.

Ich werde die zweite Pendelfeder einmal testhalber mit längeren Federn versehen, dann wird sich zeigen ob sich etwas ändert. Ich weis aber von zwei originalen Schuluhren, welche auch mit einer kurzen Federlänge ausgerüßtet sind und eine Amplitude von 80 Bogenminuten aufweisen, allerdings bei einem Gewicht von über 1kg. Wenn ich bei meiner Uhr das Gewicht von momentan 560 Gramm auf 1 kg erhöhe komme ich auf gut 65 Bogenminuten.

Ich finde es Schade, dass sich damals der Redakteur und D. M. verstritten haben und die Serie nicht mehr zu Ende geführt wurde. Aber das lässt sich halt nicht mehr ändern.

Danke für die Literaturhinweise, die werde ich jetzt expliziet auf meine Fragestellung hin noch mal durchforsten.

Den Artikel von Helwig habe ich schon sehr lange nicht mehr gelesen, das muss ich noch mal wiederholen.

Ich werde wie beschrieben, als nächstes den Pendelbock auf Position bringen, damit die Amplitude prüfen und die zweite Pendelfeder mit den originalen Maßen ausstatten und auch das wieder prüfen und euch die Ergebnisse mitteilen.

Ich habe gestern auch vorsichtshalber ein Lehrenband mit der Stäke von 0,1mm bestellt, damit lässt sich, wenn sich die Amplitude nicht wirklich ändert, auch die Pendelfeder bestücken.

Viele Grüße,
Dieter

winne
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von winne » Mi 15. Jun 2016, 19:40

Hallo

Dieter bei einer Grahamschen Hemmung ist es vorteilhaft den Hebungsbogen klein zu
Halten weil das Pendel immer mit dem Uhrwerk in Verbindung steht !
Das Pendel wird durch Ungleichheiten wie Reibung Hemmungszahndruck negativ beeinflusst

Wenn deine PPU mit 560 Gram sicher arbeitet ist das okay
Mehr an Gewicht bring immer mehr an Reibung und ein mehr an Hemmungszahndruck
Die folgen können sein das der Antrieb nicht immer stoßfrei erfolgt !
Die Pendelschwingungen sind dann nicht mehr gleichmäßig und die Präzision ist nicht mehr
Gegeben !

Literatur Giebel Riefler


Gruß Winne

teslak
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von teslak » Do 11. Aug 2016, 10:12

Hallo zusammen,

nachdem meine Uhr seit einigen Wochen läuft, habe ich in der Zwischenzeit am Zeigerwerk gearbeitet. Das Zeigerwerk ist als "Geradeaus-Kette" von Hr. Merkel konstruiert worden und genauso von mir nachgebaut. Das Stundenrad hat 144 Zähne bei einem Modul von 0,55, das Viertelrohr damit 12 Zähne. Das Übertragungsrad wurde mit 72 Zähnen angefertigt. Nach den Schenkeln der Räder wurden diese wieder verzahnt und nachdem die Ecken freigefeilt worden waren und das Finish aufgebracht war konnten die Büchsen eingepresst werden.
RIMG2630 (2).JPG
Uhrwerk mit montierten Zeigerwerk

In der Zwischenzeit zeigen sich etliche Fingerabdrücke an den geschliffenen Flächen, ich gehe aber davon aus, dass es noch nicht die letzten sind die entstehen, da es doch immer wieder etwas zum Ändern bzw. zum Probieren gibt.
RIMG2627.JPG
Alle drei Räder/Triebe kämmen miteinander

Die Räder wurden wie schon einmal erwähnt mit Fräsern von der Fa. Thornton gefertigt. Wenn Rad in Rad kämmt, sollten die Zähne um einen kleinen Betrag schmäler sein. Das habe ich bei der Anfertigung vergessen, weshalb ich den tatsächlichen Achsabstand der beiden Räder erst ermitteln musste. Dazu habe ich, weil kein Eingriffszirkel vorhanden etwas improvisiert. Dazu wurde eine Alu-Platte im Schraubstock gespannt und auf einer willkürlichen Position eine Bohrung mit 6H7 gesetzt. Beide Achsen, X + Y wurden abgenullt. In die Bohrung wurde ein im Durchmesser passender Bolzen gesetzt, welcher danach das Stundenrad mit geringen Spiel aufnehmen konnte. In das Bohrfutter wurde eine 2mm Silberstahlwelle eingespannt welches das Übertragungsrad aufnahm. Jetzt konnte durch kurbeln am X-Schlitten das Laufspiel zwischen den beiden Rädern eingestellt werden und an der Digitalanzeige der Achsabstand genau abgelesen werden.
RIMG2619.JPG
Das Kämmen der Räder kann so sehr feinfühlig eingestellt und getestet werden
RIMG2618.JPG
Der theoretische und der tatsächliche Achsabstand unterscheiden sich 0,45mm

Am CAD wurden danach die Achsabstands-Kreise aufgetragen und am Schnittpunkt derselben die Koordinaten für die Achse des Übertragungsrad ausgelesen. Danach wurde die Vorderplatine auf der Fräsmaschine ausgerichtet und die Position angefahren und entsprechend gebohrt.
Und weil früher die Uhrmacher keine CAD hatten, habe ich im Nachgang für mich die Winkelberechnet und die Werte als Koordinaten umgerechnet. Zum meiner Freude stimmten die Werte des CAD :-)

Da das Werk schon vom Träger entfernt war, konnte ich auch gleich die original Pendelanregung welche ich in der Zwischenzeit auch angefertigt habe montieren. Sie ist im Vergleich zur ausgeliehen Strasser und Rohde-Anregung deutlich filigraner.
RIMG2593.JPG
Unschön war die Fertigung des Biegeteils, eine der Arbeiten für die ich mich nicht begeistere
RIMG2584.JPG
Komplette Einheit bereit zum Einbau
RIMG2576.JPG
Rändelmutter eigener Fertigung

Als nächstes werde ich die Zeiger anfertigen und darüber erzählen.

Gruß,
Dieter
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Stupferich
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von Stupferich » Do 11. Aug 2016, 13:33

Wie immer: Bravo Zulu ... !

Schorsch
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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von Schorsch » Do 11. Aug 2016, 21:35

Grüß dich Dieter,
Eine feine und gelungene Arbeit zeigst Du da. Zur Frage der Zahnradfräser gibt es Alternativen, sowohl beim Wälzen als auch beim Teilverfahren. Wir haben in Ruhla auch eine Fräserfertigung gehabt, die auch im Austausch mit der SMH Wälzfräser hergestellt hat. Da hab ich mir die Technologie abgeschaut. Einen Einzahnfräser herzustellen, ist eigentlich gar nicht so kompliziert. Ich habe das oft gemacht, auch für Chronometerhemmungsräder. Die kann man in einem Zug damit Wälzen und man hat den Vorteil, wenn man eine unbeschädigte Zahnlücke hat, daß man damit das Rad oder den Trieb neu fräsen kann. Sowohl im Wälz- als auch im Teilverfahren.

Grüße von
Schorsch

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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von teslak » Fr 12. Aug 2016, 09:15

Hallo Schorsch,

danke für das Lob zu meiner Uhr. Das mit der Fräserherstllung interessiert mich. Einen Einzahnfräser habe ich auch schon hergestellt. Dass man damit auch abwälzen kann war mir nicht bewust.

Viele Grüße,
Dieter

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Re: Sekundenpendeluhrbau reloaded!

Beitrag von KleineSekunde » Fr 19. Aug 2016, 20:09

Hallo Dieter,

absolut toll, was du uns da zeigst! Vielen Dank, dass du uns Teilhaben lässt!

Freue mich schon jetzt auf weitere Berichte!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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