Zeigerwerk rechnen

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Taloon
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Zeigerwerk rechnen

Beitrag von Taloon » Sa 13. Jun 2020, 21:36

astroLab8.jpg
Funktioniert das so? Welche Umlaufzeiten ergeben sich für die einzelnen Zeiger? Drehen sich alle im Uhrzeigersinn?
Gibt es zufällig eine Software mit deren Hilfe man ein solches Getriebe simulieren könnte?
Frage über Fragen, vielleicht kennt sich ja jemand aus ;)
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Taloon
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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von Taloon » So 5. Jul 2020, 21:32

astroLab8b.jpg
eventuell funktioniert das so auch... 🤷‍♂️ muss ich dann bei Gelegenheit wohl mal ausprobieren.
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Uroboros
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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von Uroboros » Mo 17. Aug 2020, 08:18

Hallo Taloon,

Ich bin neu hier im Forum und habe Deinen Beitrag daher erst jetzt gesehen. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät!
Solche astronomischen Getriebe interessieren mich sehr. Das ist schon ein Getriebe der komplizierteren Art... :shock: Darf ich fragen, wie Du die Topologie und die Zähnezahlen erzeugt hast?

Ich habe einmal begonnen, die Übersetzungen durchzurechnen und fürchte fast, dass wenn ich mich nicht verrechnet habe, Du noch einen Fehler drin hast. Am Beispiel der ersten, vertikal gezeichneten Variante:
  • Die Sonne mit 123 Zähnen dreht sich mit 3*(41/123)=1 U/d, logisch.
  • Das Rad mit 124 Zähnen dreht sich mit 3*(40/124)=0,96774194 U/d.
  • Setzen wir uns gedanklich auf das 124er-Rad als Bezugssystem, kann man leicht die Drehzahlen der Plantenrad-Kaskade bis zum Mondzeiger durchrechnen: Relativ zum 124er-Rad dreht sich dann der Mond mit -3*(41/123-40/124)*(50/49)*(41/43)*(41/38)=-0,03386319 U/d.
    Zurück in Absolutkoordinaten im ruhenden Bezugssystem kommen wir, indem wir dazu die Drehzahl des 124er-Rads addieren: Absolut dreht sich dann der Mond mit 3*((40/124)-(41/123-40/124)*(50/49)*(41/43)*(41/38))=0,93387874 U/d.
Und das ist leider nicht der richtige Wert! Die korrekte Drehzahl des Mondzeigers wäre schließlich 1-1/29,530589=0,96613681 U/d.
Und hier glaube ich auch, Deinen Fehler zu erkennen: Hätte die obige Rechnung nicht im rotierenden Bezugssystem des 124er-Rads, sondern des 123er-Rads (Sonne) gegolten, hätten wir im letzten Rechenschritt stattdessen die Drehzahl der Sonne, also 1 addiert und wären auf 3*((41/123)-(41/123-40/124)*(50/49)*(41/43)*(41/38))=0,96613681 gekommen, also den exakt richtigen Wert!

Alles gilt ebenso für die zweite, horizontal gezeichnete Variante, denn dort kommen wir auf die die selben Brüche, bloß in etwas anderer Reihenfolge.

Solange wir das Problem des Mondes nicht behoben haben (bzw. nicht abschließend aussortiert haben, wer von uns beiden den Fehler gemacht hat), habe ich erst einmal davon abgesehen, auch die Drehzahlen von Rete und Drache auszurechnen.

Moritz

teslak
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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von teslak » Di 18. Aug 2020, 08:29

Hallo Moritz,

danke für die ausführliche Darstellung der Berechnung zum Astro-Getriebe. Mich interessieren diese Getriebe auch sehr, jedoch tue ich mich schon sehr schwer auch nur ein einfacheres Astro-Getriebe zu berechnen. Was aber aus den Zähnezahlen noch nicht ersichtlich ist, ist die zweite Herausforderung, die Zähnezahlen in den Modulen so abzustimmen, dass auch die Achsabstände zueinander passen. Da ist letztlich noch weitere Rechnerei versteckt. Aber das ist ja auch das besondere an solchen Systemen.

Viele Grüße,
Dieter

Uroboros
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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von Uroboros » Di 18. Aug 2020, 16:09

teslak hat geschrieben:
Di 18. Aug 2020, 08:29
Was aber aus den Zähnezahlen noch nicht ersichtlich ist, ist die zweite Herausforderung, die Zähnezahlen in den Modulen so abzustimmen, dass auch die Achsabstände zueinander passen. Da ist letztlich noch weitere Rechnerei versteckt.
Da hast Du vollkomen Recht! Die Herausforderung besteht meiner Meinung gar nicht einmal so sehr darin, ein beliebig genaues Getriebe zu entwerfen, sondern eines, dass
  • hinreichend genau ist
  • möglichst einfach aufgebaut ist und mit möglichst wenig Rädern auskommt
  • nur praktikable Zähnezahlen aufweist
  • mit möglichst wenig unterschiedlichen Verzahnungsmoduln (Fräsern) auskommt
Aus diesem Zielkonflikt gilt es ein Optimum zu finden.
Denn mit beliebig vielen Stufen und Zahnrädern mit riesigen primzahligen Zähnezahlen könnte man theoretisch ein fast beliebig genaues Getriebe bauen. Aber was bringt einem ein Getriebe, das theoretisch in 100000 Jahren nur um ein Winkelgrad abweicht, wenn man die Uhr eh alle 10 Jahre zur Revision anhalten, zerlegen und anschließend wieder neu stellen muss?

Ich habe selber einige Zeit an Astrolabiumsgetrieben herumgerechnet. Eine der "schönsten" (weil kompaktesten) Varianten, die ich bisher entwickeln konnte, ist folgende:
Variante_J.JPG
Die Eigenschaften davon sind:
  • Man kommt mit bloß zwei, voneinander unabhängigen Verzahnungsmoduln aus (z.B. Modul 1,5 für die großen Räder Sonne und Mond und deren Antrieb, und z.B. Modul 1,0 für den ganzen Rest)
  • Die beiden jeweils benachbarten Stirnradstufen (44/84 und 45/83 bzw. 26/67 und 27/66) führen im selben Modul zum selben Achsabstand, weil sie jeweils die selbe Summe von Zähnen besitzen. Ein großer Vorteil in der Fertigung!
  • Sonne und Mond sind durch eine einfache Stirnrad-Vorgelegewelle (unten) miteinander verbunden
  • Da die Sonne eine primzahlige Zähnezahl besitzt, muss der Antrieb über eine separate Stufe (z.B. 96 Zähne) eingekoppelt werden
Das führt dann zu folgenden Übersetzunge bzw. Drehzahlen:
  • Sonne: 1,000000 U/d
  • Mond: (83/45)*(44/84)=0,966138 U/d
  • Rete: 1+(1-(83/45)*(44/84))*(20/40)*(15/36)*(26/67)=1,002738 U/d
  • Drache: 1+(1-(83/45)*(44/84))*(20/40)*(15/36)*(27/66)=1,002886 U/d
Damit ergeben sich folgende Fehler der einzelnen Zeiger gegenüber ihren exakten Positionen:
  • Mond: 0,09960°/Jahr
  • Rete: 0,03609°/Jahr
  • Drache: 0,13109°/Jahr
D.h., den größten Fehler macht der Drachezeiger (was sich m.E. am ehester verschmerzen lässt), und selbst der weicht innerhalb einer Revisionsperiode von 8 Jahren nur um ein Winkelgrad von seiner Sollposition ab. Mir wäre das zumindest für eine Heimuhr genau genug!

Moritz
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teslak
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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von teslak » Di 18. Aug 2020, 17:10

Hallo Moritz,

Vielen Dank für deine ausführliche Beschreibung des neuen Getriebes.Ich ziehe meinen Hut vor dir. die Berechnung der epizyklischen Getriebe habe ich noch nie verstanden, möglicherweise, weil ich es nie gelernt habe.
Was ich in deiner Rechnung aber vermisse bzw. nicht verstehe, ist, dass der Antrieb mit den 16 Rad, welches in das 96 er Rad eingreift nicht in der Rechnung vorkommt. Wie oft dreht sich das 16er Rad? Ich frage nicht weil ich deine Rechnung anzweifle, sondern weil ich es nicht richtig verstehe.

Hast du das Getriebe schon gebaut? Wenn ja, in welche Uhr hast du es eingesetzt?

Viele Grüße,
Dieter

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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von Uroboros » Di 18. Aug 2020, 17:17

Das 16er Rad ist bloß der (nur beispielhafte) Antrieb von dem Ganzen, damit sich die gelbe Sonne 1x in 24h dreht. Dazu müsste sich das 16er Trieb 1x in 4h gegen den UZS drehen, was von einem gewöhnlichen Uhrwerk abgenommen werden kann.
Alle weiteren Rechnungen sind von der Sonne mit 1 U/d aus abgeleitet.
Nein, gebaut habe ich das noch nicht. Bislang reines Gehirnjogging.

Moritz

teslak
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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von teslak » Di 18. Aug 2020, 17:27

Hallo Moritz,

danke für die superschnelle Antwort. Aber dann rechne ich falsch oder gehe von falschen Voraussetzungen aus. Das 16er Trieb dreht sich alle zwei Stunden 1x um die eigene Achse. Das bedeutet es dreht in 24 Stunden (24/2=12x). Wenn ich jetzt rechne (16/96)*12=2, dass sollte doch eigentlich 1 herauskommen, wenn das 96 und das 83 Rad fest miteinander verbunden sind und somit die gleiche Umlaufzeit haben? Oder wo denke ich da falsch?

Sory für die vielen Fragen,
Dieter

Uroboros
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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von Uroboros » Di 18. Aug 2020, 17:43

Das 16er Trieb dreht sich alle vier Stunden :oops: . Ust aber eigentlich auch vollkommen Wurscht und hat mit dem eigentlichen astronomischen Getriebe überhaupt nichts zu tun, deswegen hatte ich es bewusst aus der Rechnung herausgelassen. Hauptsache, man verwirklicht irgendwie, dass sich die Sonne 1 mal in 24h dreht.

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Re: Zeigerwerk rechnen

Beitrag von teslak » Do 20. Aug 2020, 09:08

Hallo Moritz,

danke für die Aufklärung. Wie ich auf die 2 Stunden Rotationszeit gekommen bin, kann ich nicht mehr nachvollziehen, wo du ja in deinen oberen Post geschrieben hast, dass diese 4 Stunden beträgt. Somit stimmt auch die Rechnung. Jetzt habe ich es verstanden.Danke!

Gruß,
Dieter

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