Reparatur einer Standuhr

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Falls hier theoretische Hilfen angeboten werden, so sollen und können sie keinen Uhrmacher ersetzen. Sie sind ohne jede Garantie oder Gewähr und jeder muss selbst wissen, was er sich zutrauen kann und dass man mit einem Selbstversuch evtl. leichtfertig die Uhr zerstören könnte. Vor allen Dingen wertvolle Uhren gehören in die Hand eines Fachmanns. Vielleicht sogar eines Fachmanns hier aus dem Forum. Laien sollten unbedingt den oben angepinnten Hinweis über Uhrenfedern lesen.
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churchy30
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Reparatur einer Standuhr

Beitrag von churchy30 » So 8. Okt 2017, 19:17

Hallo, liebe Uhrenfreunde,
ich habe ein Problem mit einer geerbten Standuhr, an der ich sehr hänge (ca. 100 J. alt von LFS).
Die Sperrfeder am Kettenrad des Schlagwerks ist nun zum zweiten Mal gebrochen.
Beim ersten Mal habe ich die Feder einfach wieder etwas abgewickelt und neu verschraubt. Das hielt 1,5 Jahre.
Nun ist sie wieder gebrochen. Nun möchte ich die Feder ersetzen oder ersetzen lassen.
Ein erster Versuch, die Feder direkt auf dem Kettenrad selbst zu biegen ist gescheitert.
Eine neue Feder auf die Welle aufzuschieben ist bislang nicht möglich, da ein Messingring fest auf der Welle montiert ist.
Ich habe nicht gewagt, auch nur den Versuch zu wagen, diesen abzuhebeln.
Da möchte ich mir lieber den Rat eines Fachmanns/Fachfrau einholen bzw. sofern möglich das Kettenrad in einer Uhrmacherwerkstatt reparieren zu lassen.
Könnt Ihr mir dazu Rat und Tipps geben.
Daten auf der Uhr: LFS 10118 (Kobold)
Handschriftliche Notiz auf der Rückseite des Ziffernblattes: D1198W
Anbei ein paar Fotos.
Vielen Dank & herzliche Grüße
Churchy
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Chroniker
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Re: Reparatur einer Standuhr

Beitrag von Chroniker » Mo 9. Okt 2017, 13:27

Hallo Churchy,

willkommen im Forum- und hoffen wir, dass wir Dir auch einen Rat geben können!

Welcher Rat für Dich richtig ist, hängt aber auch entscheidend von Deinen handwerklichen Fähigkeiten ab.

Im Prinzip sehe ich keine andere Möglichkeit für ein Ersetzen der Feder, als den Ring abzunehmen und eine neue Feder zu wickeln und aufzuziehen. Und den Ring würde ich vorsichtig über einer Gasflamme erwärmen, in der Hoffnung, dass er sich dann lösen lässt. Dann die Feder wickeln, aber das Ende, das in das Federrad ragen muss, würde ich weichglühen. Dann wieder den Ring warm machen und aufziehen. Sollte der Ring durch das Ab- und Aufziehen nicht mehr fest sitzen, musst Du ihn eben verlöten oder aufkleben.

Wenn Du Dir das alles nicht zutraust- ab damit zu einem handwerklich geschickten (und entsprechend ausgerüsteten) Mechaniker. Denn eigentlich ist die Reparatur kein Hexenwerk.

Und noch etwas: Deine Uhr ist keine LFS, sondern von der Firma Ernst Kobold. Die Firma Kobold hat etwa von 1920 bis 1928 existiert. Näheres zur Firma Kobold kannst Du im "Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850-1980" (3. Auflage 2017) nachlesen.

Und nun viel Erfolg bei der Reparatur des Aufzugrades!

Chroniker

walter der jüngere

Re: Reparatur einer Standuhr

Beitrag von walter der jüngere » Mo 9. Okt 2017, 13:57

Hallo,

der Messingring ist ursprünglich aufgepresst worden. Also - vorsichtig erwärmen und dann (flächig) abdrücken.
Die Feder ist aus Federdraht (Stahldraht, Klaviersaitendraht) gefertigt. Die Windungen um die Welle sind im nichteingebauten Zustand etwas kleiner, sie müssen beim Aufschieben aufgedreht werden und werden dabei dann gleich auf die Welle geschoben. Normalerweise muss so eine Feder etwas Öl (ggfs. sogar etwas Fett) auf die Welle bekommen. Dann geht der Aufzug lautlos vonstatten. Die Gesperrwirkung erfolgt hier nur über das immer straffere Zusammenziehen der Umgänge der Feder auf der Welle bei Belastung durch Drehen der Welle in eigentlich zu blockierender Drehrichtung.
Sind diese Umgänge zu locker (nicht sachgerecht montiert, bzw. aufgebogen bzw. zu große Feder) - dann rutscht das Gesperr, die Welle dreht sich also entgegen der gewünschten Richtung - und das Gewicht saust herab.
Ähnlich ist dies z.B. auch bei Koffergrammophonen konstruiert. Da muss diese Gesperrkonstruktion der Kraft breiter und sehr, sehr langer Federn standhalten - und sie tut es auch.
Fachgerecht geschmiert laufen diese Gesperrkonstruktionen leise, fast geräuschfrei und länger als der Rest der Mechanik, im nicht fachgerecht gewartetem Zustand sind diese Federn schnell wieder kaputt.
Die Vorteile dieser Konstruktion:
Es werden weniger Teile benötigt (kein Niet, kein Gesperrrad, keine Gesperrklinke).
Und:
Weniger Zeitaufwand bei der Montage.
Beides senkt die Produktionskosten.
Vorteil für den Kunden:
Weicher, stufenloser, fast geräuschfreier Aufzug.


Wenn alles schön demontiert ist, dann lässt sich nach den alten Teilen sehr einfach eine neue Feder biegen. Wirklich: Nur biegen! Nix glühen, nix bläuen.
Solche Federn waren preiswerte Automatenware - also einfachste, automatisierte Herstellung. So wie fast alle Teile an dieser Art von Uhrwerken. Maschinenprodukte.
Lediglich die Montage war Handarbeit, aber in Serie. Also jeder Montageschritt in einem anderen Händepaar. Meist waren es angelernte Kräfte.
Lediglich die Endkontrolle und ggfs. Korrektur wurde durch Fachkräfte durchgeführt. Preiswerte Produktion eben.
Wenn man sich dies bei all diesen Fragen nach "wie wurde das damals gemacht" vor Augen führt, dann kann man sich den Fertigungsprozess der einzelnen Teile und deren Montage oft recht gut vorstellen.

Viel Erfolg bei der Reparatur!

Walter d. J.

Chroniker
Beiträge: 146
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Re: Reparatur einer Standuhr

Beitrag von Chroniker » Mo 9. Okt 2017, 14:18

walter der jüngere hat geschrieben:
Wenn alles schön demontiert ist, dann lässt sich nach den alten Teilen sehr einfach eine neue Feder biegen. Wirklich: Nur biegen! Nix glühen, nix bläuen.

Viel Erfolg bei der Reparatur!

Walter d. J.
Hallo Chruchy,

Ich hatte mir die Konstruktion nicht vollständig klar gemacht, aber Walter hat recht mit seinem Hinweis: Die Feder muss sehr eng gewickelt sein, damit sie auf der Welle auch klemmt. Also kein Einhaken im Aufzugsrad.

Wichtig ist für die Herstellung der Feder dann aber der Hinweis, dass die Feder nicht über den Durchmesser der Welle gebogen werden kann, sondern über einen kleineren Durchmesser. (Erklärung: Die Feder wird sonst zu groß und klemmt dann nicht) Am Besten einen Wickeldorn anfertigen und den so lange dünner drehen, bis die Feder ausreichend eng wird und auf der Welle klemmt.

Und damit wird auch klar, dass für diese Reparatur am besten eine Drehmaschine zur Verfügung stehen sollte.

Chroniker

churchy30
Beiträge: 3
Registriert: So 8. Okt 2017, 18:35

Re: Reparatur einer Standuhr

Beitrag von churchy30 » Mo 9. Okt 2017, 17:37

Hallo,
vielen Dank für die fachkundigen Hinweise.
Da mir die Uhr wichtig ist und ich nur Erfahrungen und Werkzeug habe für eher "grobe" Mechanik (sprich Autoreparatur), möchte ich diese Arbeit lieber einem echten Feinmechaniker übergeben.
Kennt ihr Werkstätten / Uhrmacher, die solche Arbeiten durchführen können?
Um Kosten zu sparen, möchte ich gern nur das Kettenrad einschicken und dieses später selbst in die Uhr einbauen.
MfG
churchy

walter der jüngere

Re: Reparatur einer Standuhr

Beitrag von walter der jüngere » Mo 9. Okt 2017, 21:05

Hallo,

ich habe mit Holger Brandt sehr gute Erfahrungen gemacht.
Er hatte sich hier im DGC-Forum mal vorgestellt:

http://www.dg-chrono.de/dg-chrono.de/fo ... 118&t=2794

Aber es gibt auch noch andere Fachleute, hier der Link dazu:

http://www.dg-chrono.de/dg-chrono.de/fo ... .php?f=118

Viel Erfolg!

Walter d. J.

churchy30
Beiträge: 3
Registriert: So 8. Okt 2017, 18:35

Re: Reparatur einer Standuhr

Beitrag von churchy30 » Mo 9. Okt 2017, 22:52

Hallo, vielen Dank,
ich habe mich an Holger Brandt gewandt.
Nur der Vollständigkeit halber in Bezug auf einen Komentar weiter oben:
Vielleicht wurden Teile der Uhr von der Firma Koboldt gefertigt, aber das Hersteller-Logo stammt von LFS.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

Chroniker
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Re: Reparatur einer Standuhr

Beitrag von Chroniker » Di 10. Okt 2017, 09:29

Hallo Churchy,

Deine Uhr ist "eine Uhr des Handels" und kein Modell, das Du im Katalog eines Herstellers finden wirst. "Uhren des Handels" hat es schon vor dem Ersten Weltkrieg gegeben, aber besonders in den Jahren der Inflation und Weltwirtschaftskrise.
Auch ich habe eine Gründerzeit-Standuhr dieser Art:

- Auf dem Zifferblatt der Name einer großen Uhrenhandlung in Berlin.
- Das Uhrwerk ist von LFS.
- Auf dem Gong das Kienzle-Logo.

Und so ist es auch bei Deiner uhr:

- Dein Uhrwerk stammt von der Firma Kobold.
- Wer Dein Gehäuse hergestellt hat, wissen wir nicht (Oder ist im Innern ein Name?)
- Der LFS-Gong ist zugekauft.

Und irgendwer hat sich Werk, Gehäuse und Gong besorgt und Deine Uhr zusammengestellt und in den Handel gebracht.

Nach allgemein üblicher Lesart nimmt man bei "Uhren des Handels" den Hersteller des Uhrwerkes als Angabe für den Hersteller der ganzen Uhr, obwohl das genaugenommen nicht ganz richtig ist. Aber das Uhrwerk ist halt das Wichtigste an einer Uhr. Deshalb ist auch Deine Uhr als eine Uhr von Kobold anzusprechen und nicht als LFS.

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