Seth Thomas Uhrwerk, wann hergestellt?

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pschles
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Seth Thomas Uhrwerk, wann hergestellt?

Beitrag von pschles » Do 20. Okt 2016, 11:51

Hallo,
ich habe in UK eine Wanduhr ersteigert.
P1080790-1.JPG
Vom Gehäuse her würde ich auf ca. 1850-1880 tippen.
Für mich war der Händler, C. Ketterer, interessant (stammt sicher aus dem Schwarzwald)
Überraschend war für mich, dass ein Seth Thomas Uhrwerk eingebaut war.
P1080786-1.JPG
Wer kennt sich mit diesen Uhrwerken aus und kann mir etwas zum Herstellungsjahr sagen?

Gruss

Peter
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adabei
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Re: Seth Thomas Uhrwerk, wann hergestellt?

Beitrag von adabei » Mo 24. Okt 2016, 20:01

Zu dem Uhrmacher C. Ketterer kann ich Ihnen folgende Information unterbreiten und zwar:

Konstanz [später Constantine, daher C. Ketterer] war Sohn des Uhrmachers Joseph Ketterer [geb. za. 1800] und kam 1834 im badischen Dorf Saig zur Welt.

Vater und Sohn zogen za. 1850 nach England und haben sich in der Stadt Ware niedergelassen, wo sie ein Uhrmachergeschäft geführt haben. Konstanz war damals 17 Jahre alt.

1861 war Konstanz bereits selbständig und hat ein Uhrmachergeschäft zusammen mit seinen jüngeren Brüder John [vermutlich Johann] und Joseph auf der High Street in Ware geführt. Konstanz, der sich schon Constantine nannte, war damals 27 Jahre alt, John war 23 und Joseph erst 17. Alle drei waren ledig und noch deutsche Staatsbürger.

Um 1865 hat Constantine geheiratet und zwar mit Bertha [Familienname nicht bekannt]. Bertha stammte aus dem badischen Dorf Hammereisenbach. Das Ehepaar kehrte nach Ware zurück und haben das Geschäft weitergeführt. Im Laufe der Zeit kamen 6 Kinder zur Welt.

1871 befand sich das Geschäft auf dem Marktplatz (Market Place) in Ware. Constantine führte das Geschäft zusammen mit seinem Bruder Joseph, einem Partner namens Andrew [vermutlich Andreas] Heitzenberger und drei (deutschen) Uhrmachergehilfen.

1881 war das Geschäft in der Church Street zu Ware, 1891 wieder auf der High Street, 1901 hingegen wieder am Marktplatz. Im Jahre 1901 wurden Constantine und Bertha zum ersten Male als englische Staatsbürger aufgeführt. Bisher wurden sie in amtlichen Unterlagen als 'Ausländer' oder 'deutsche Staatsbürger' angegeben.

Constantine starb Oktober 1906 in Ware, seine Gattin Bertha am 16. Dezember, ebenfalls in Ware. Das Geschäft scheint nach dem Tod Constantines aufgelöst worden zu sein.

MfG

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droba
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Re: Seth Thomas Uhrwerk, wann hergestellt?

Beitrag von droba » Di 25. Okt 2016, 20:38

Hallo Peter,

das ist wirklich eine sehr interessante Uhr! Im englischen werden diese Uhren als "Drop dials" bezeichnet. Sie macht den Eindruck, wie wenn sie ganz in England gefertigt wurde, insofern wundert mich das Seth Thomas Werk nicht. Schade ist nur, dass das Glas und die Lünette abhanden gekommen sind.

Ein Datum fällt mir ebenfalls recht schwer, aber da die Uhr aus England und nicht aus Deutschland zu stammen scheint, würde ich die Uhr eher spät ansetzen. Also gegen 1900. Aber das ist eine rein gefühlsmäßige Einschätzung von mir

Zum Uhrmacher Joseph Ketterer hast Du von "Adabei" geradezu sensationelle Informationen bekommen- quasi den ganzen Stammbaum! Phänomenal, was Du hier über ihn erfährst!

Auch für uns ist sehr interessant, wie sich dieser deutsche Auswanderer und seine FAmilie so langsam in England integriert haben. Herzlichen Dank Adabei!

Freundliche Grüße!

Droba

petsch
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Re: Seth Thomas Uhrwerk, wann hergestellt?

Beitrag von petsch » Mi 26. Okt 2016, 00:57

Hallo Droba,
ich hätte ein paar Fragen zu Deinen Gedanken.
droba hat geschrieben:Sie macht den Eindruck, wie wenn sie ganz in England gefertigt wurde, insofern wundert mich das Seth Thomas Werk nicht.
Meinst Du dass erst in England das amerikanische Werk in das Gehäuse gebaut worden ist ? Ich habe bisher gedacht, dass Seth Thomas diese drop dial clocks genau wie die O.G. Uhren komplett in die ganze Welt exportiert hat.
droba hat geschrieben:Ein Datum fällt mir ebenfalls recht schwer, aber da die Uhr aus England und nicht aus Deutschland zu stammen scheint, würde ich die Uhr eher spät ansetzen.
Wieso meinst Du das die Uhr später ist, weil sie aus England und nicht aus Deutschland kommt ? Die drop dial Uhren sind doch typisch englische Uhren, die es auch schon früh in England mit typisch englischen Werken (fusees, also mit Kette und Schnecke) gegeben hat. Wobei ich auch nicht weiß, wann diese Seth Thomas- Uhr gebaut worden ist, ich kenne mich leider zu wenig mit den amerikanischen Werken aus.

Zu Ketterer noch eine Anmerkung : Ich habe mal im englischen Uhrmacherverzeichnis von Loomes (sozusagen dem Nachfolger vom Baillie) den Namen nachgeschlagen und habe etliche mit dem Namen gefunden, auch schon vor den Ketterers aus Ware. Da müssen wohl einige Ketterers aus Deutschland nach England gezogen sein.

Gruß
Peter

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droba
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Re: Seth Thomas Uhrwerk, wann hergestellt?

Beitrag von droba » Mi 26. Okt 2016, 19:51

Hallo Peter,

ich kann mir keine aus Amerika nach England exportierte Uhr mit der Zifferblatt-Aufschrift eines englischen Uhrengeschäftes vorstellen. Dass es aber Seth-Thomas-Werke auch lose gegeben hat, überrascht mich auch etwas. Aber warum eigentlich nicht?

Und spät auch deshalb, weil Ketterer in den 1860/70ern vermutlich auch ausschließlich Schwarzwälder Uhren seiner Verwandschaft im Schwarzwald verkauft hat. (Zumal es um 1860/70 noch keine Uhrengeschäfte gab. Möglicherweise ist Ketterer damals sogar noch über Land gezogen.)

Um 1900 hatte Ketterer dann wohl schon ein richtiges Uhrengeschäft und verkaufte dann auch englische Uhren. So meine Gedanken. (Und die Adresse stimmt ja auch mit den Zeit-Angaben von "Adabei" auch überein!)

Aber, wie sagen die Schwaben: "Nix g´wieß woiß mer net!"

Freundlicher Gruß!

Droba

pschles
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Re: Seth Thomas Uhrwerk, wann hergestellt?

Beitrag von pschles » Di 8. Nov 2016, 20:43

Hallo, vielen Dank für die Antworten.
Ich freue mich dass ich dazu noch so detaillierte Infos zu C. Ketterer bekommen habe, vielen Dank, Adabei.

Übrigens, Droba, Glas und die Lünette sind vorhanden, die Lünette war beim Scharnier gebrochen und wird gerade repariert.
Das Glas ist flach, 4mm dick, weiss aber nicht ob es original ist.
Das Glas wird mit Hilfe eines Gegenrings, der mit Gips oder Schlämmkreide aufgefüllt wird, gehalten,
dasselbe System habe ich bei einer W & H Uhr mit 30 cm Zifferblatt.
Ich habe eine ähnliche drop dial aus dem Schwarzwald (8-eckiger Rahmen um das Zifferblatt), dort ist das Glas konkav.
Wie die Gläser bei amerikanischen drop dial Uhren sind, weiss ich nicht.

Gruss

Peter

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