Räder auf Wellen befestigen

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Uhrmacher 19
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Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von Uhrmacher 19 » Di 19. Okt 2010, 00:32

Hallo Forumskollegen,

habe zu später Stunde ein Frage (läßt mir schon den ganzen Abend keine Ruhe):

Ich suche Beispiele (Fotos, Zeichnungen, Erklärungen) dazu, wie ein Zahnrad in einer Großuhr "richtig" auf der Welle befestigt wird.
(Mit "richtig" meine ich entsprechend der Uhrmacherlehre und letztendlich so, wie es in früheren Jahren gemacht wurde)
Die einfachste Methode ist wohl die, wenn Rad und Trieb direkt nebeneinander angebracht sind.
Das ist aber in meinem vorliegenden Fall nicht so.
Ich muss das Rad auf der blanken Welle befestigen.
Kleben und Löten kommen dabei nicht in Frage.

Ich habe in meiner Literatur Beispiele gefunden, wie das Rad mit einer "Hilfsbuchse" befestigt wird.
Danach wird das Rad auf einen genauen Sitz auf der Buchse vernietet.
Wie aber wird die Buchse auf der Welle befestigt?
Ich habe Bedenken wegen der Verdrehsicherung.
Wird die Buchse mit einer Presspassung aufgepresst?
Ist es früher üblich gewesen, dass die Buchse auf der Welle mit einem konischen Stift gesichert wurde?

Für Hinweise wäre ich wirklich sehr dankbar !!!

Gruß
Jörg

steffl62
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Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von steffl62 » Di 19. Okt 2010, 07:54

Hallo Jörg,
also ich kenn von den alten Werken 5 Methoden die mir so auf die schnelle einfallen:

1. Aufgepresst
die Bohrung im Rad ist etwas kleiner als der Durchmesser der Welle, Das Rad wird einfach auf die Welle gepresst. Das erfordert allerdings ein Dickes Rad oder einen aufgedrehten Ansatz sonst hält das nicht vernünftig. Ist wahrscheinlich die häufigste Methode. Verdrehen geht aber nur schwer.

2. Aufgelötet
Oft bei Minutenrädern, da ist am Rad eine "Messinghülse" mitgedreht oder aufgenietnietet, zwischen dieser und der Achse befindet sich dann das Lötzinn. Ist also von aussen nicht zu sehen. Verdrehen geht gar nicht.

3. Direkt auf den Trieb aufgenietet
Da wird am Trieb ein Ansatz gedreht (ungefähr die halbe Zahnhöhe) der etwas breiter als die Dicke des Rads ist, das Rad aufgepresst und die leicht überstehenden Zahnreste anschließend verpresst. Verdrehen geht nur mit Gewalt.


4. Verstiftet
Die Methode kenn ich, dank Phil, von Turmuhren. Da wird am Rad ein Ansatz gedreht oder mitgegossen, ein Loch durch diesen Ansatz und die Welle gebohrt und in das ganze dann ein durchgehender Stift eingepresst. Verdrehen geht gar nicht.


5. Verschraubt
Das hab ich bis jetzt nur bei "moderneren" Werken gesehen. Ebenfalls ein Ansatz am Rad, darin Bohrungen mit Gewinden und darin dann meist Wurmschrauben mit einer Körnerspitze. Einfach auf die Achse Stecken und an der gewünschten Position die Schrauben festziehen. Verdrehen geht nur mit Gewalt oder wenn die Schrauben locker sind. Die Welle wird deshalb manchmal mit entsprechenden Vertiefungen für die Schrauben versehen.


lg Christian ;)
P.S.: Das ist aus meinem Erfahrungsschatz und hat nix mit der reinen Uhrmacherlehre zu tun. Von der weis ich leider noch viel zu wenig :P
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!

walter der jüngere

Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von walter der jüngere » Di 19. Okt 2010, 09:07

Hallo,

@Uhrmacher19: Bist Du Uhrmacher, lernst Du Uhrmacher - oder:
Was hast Du gelernt, was sind Deine fachlichen Vorkenntnisse?

Man kann Dir viel Rat geben - z.B. den Reif aufpressen.
Die nächste Frage Deinerseits könnte dann sein: Wie dick muß der Reif sein, welche Steigung muß ich beachten, wie stark muß der Aufpressdruck sein, wie halte ich wie die Welle fest, wo geht das oder jenes Verfahren, wie gehe ich vor, wenn - usw. ...
Bitte also nicht falsch verstehen. Erst Deine fachliche Grundlage klar sein, dann kommt auch die Antwort meinerseits - entsprechend Deinem Level.

Walter d. J. (Moderator)

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soaringjoy
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Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von soaringjoy » Di 19. Okt 2010, 09:22

Die Variante Nummer 5 von steffl62 hat in der Regel den
Hintergrund, dass an dem Rad Justierungen vorgenommen
werden können.
J.
"tempus nostrum"

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Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von Typ1-2-3 » Di 19. Okt 2010, 09:35

6. Variante: Auf der Welle wird ein recht großer Messingputzen aufgepresst. Das Rad wird dann von einer Seite auf dem Putzen mit 3 kleinen Schrauben aufgeschraubt. Vorteil: Rad kann gewechselt werden. Methode bei Präzisionsuhren beim Hemmrad.

Frank

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Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von soaringjoy » Di 19. Okt 2010, 09:56

Ich denke, die Art der Befestigung sollte auch davon
abhängig gemacht werden, welche Kräfte auf das infrage
kommende Rad einwirken.
Das Anlaufrad z.B. dürfte auch mit ausgehärtetem Schweineschmalz
halten... (sorry) ;)
Damit sind allerdings meine technischen Fähigkeiten so ziemlich
ausgereizt und ich überlasse gerne das Feld den Fachleuten.

J.
"tempus nostrum"

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Uhrmacher 19
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Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von Uhrmacher 19 » Di 19. Okt 2010, 12:12

Hallo und Danke für die informationen Antworten :-)
Ich denke das ich in meinem Fall die Befestigung mit Buchse und vernietetem Rad wähle.
Radbefestigung.jpg
Sollte seitlich kein ausreichender Platz für eine etwas längere Buchse sein, so könnte man eine kürzere Buchse aus Stahl fertigen oder an der Welle einen Absatz drehen (wenn ausreichende Dicke vorhanden) und dann evtl. doch löten.
Treten sehr hohe Kräfte auf, dann würde ich im Zweifelsfall die Variante mit einem konischen Stift wählen (zur Befestigung der Buchse auf der Welle).

Mit welchen Paßmaßen arbeitet man im Bereich der Welle und Buchse?
Gibt es dafür Erfahrungswerte, prozentuale Vorgaben oder Toleranztabellen?
Ich würde rein gefühlsmäßig sagen, dass wenn die Welle Nullmaß hat, ich das Bohrungsmaß der Buchse ungefähr 1/100mm kleiner drehen würde.

Kann mir jemand hierzu einen Rat geben?

Danke und Gruß
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karlo

Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von karlo » Di 19. Okt 2010, 12:42

Die heutige Industrie wird natuerlich mit genau definierten Passungen arbeiten.
Aber der klassische Uhrmacher hatte nur Augemass und Handgewicht.

Karlo

walter der jüngere

Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von walter der jüngere » Di 19. Okt 2010, 12:56

Hallo,

@Uhrmacher 19:
Gefühlsmäßig geantwortet kommen mir hier arge Zweifel, ob die Fragen nach der Befestigung eines Rades auf der Welle wirklich aus der gleichen Hand kommen, wie die in Deiner Vorstellung gezeigten Werkzeugmaschinen.

Meine Zweifel kann ich nicht mehr unterdrücken, insbesondere, da Du das Rad auch noch auflöten möchtest.

Tut mir leid, aber ich kann hier nicht ohne deutliche Worte mitgehen. Warum?
Zitat: "habe ich inzwischen schon die ein oder andere Uhr selbst gebaut. Allerdings noch kein eigenes Werk, ..."
Schön - also bislang nur die Werke ins Gehäuse geschraubt, wenn ich das in Deiner Vorstellung richtig verstanden habe. Unter Uhren bauen kann man vieles verstehen, okay.
Zitat: "...obwohl ich inzwischen ein Comtoise-Werk (Spindelhemmung) konstruiert habe..."
Dies hätte in meinen Worten bedeutet - das Werk läuft schon, der Mann hat Erfahrungen gesammelt, der weiß also zumindest, wovon er spricht.
Aber nein - denn das nächste Zitat folgt: ...und auch bereits mit dem Bau begonnen habe."
Er hat auch schon mit dem Bau begonnen. Aha! Die Erfahrung liegt im Entwurf. Okay.

Und nun kommen so tröpfchenweise die Fragen - wie bekomme ich das Rad auf die Welle? Wie muß die Passung sein?

Sind die von Dir gezeigten Maschinen wirklich von Dir selbst eigenhändig und nach eigenen Gedanken entworfen, konstruiert, gefertigt und: Je benutzt worden?

Hast Du irgendwelche praktischen Erfahrungen - auch mit Uhren? Hast Du schon jemals Uhrwerke repariert? Und wenn ja, was daran?

@Karlo:
Arbeiten mit Augenmaß und Handgewicht: Gibts da irgendwelche Erfahrungswerte?
Reicht eine Handvoll?
Kann mir da jemand einen Tipp geben?

Um keine Mißstimmung zu initiieren, zurück zu Uhrmacher 19:
Ohne eigene Erfahrungen, ohne entsprechendes Wissen kann man nicht einfach mal eine Uhr bauen. Zwischen Werkzeug/Maschinenbau und Uhrmacherei gibt es nunmal einige Unterschiede.

Es gibt m.E. im Allgemeinen zwei Wege, um Erfahrungen zu sammeln:
Empirisch - also learning by doing
oder:
Entsprechende Fachbücher lesen, das Gelesene erst geistig verarbeiten und dann das Gelesene Schritt für Schritt praktisch nachvollziehen.

Und erst wenn man genug Erfahrungen gesammelt hat, erst dann (!) kann man sich mit einigermaßen Aussichten auf Erfolg daran machen, ein Werk selbst zu planen und diese Planung in die Realität umzusetzen.

Walter d. J. (Moderator)

Edelweiss

Re: Räder auf Wellen befestigen

Beitrag von Edelweiss » Di 19. Okt 2010, 13:26

Hallo,
Walter d. J. stellt nicht zu Unrecht die Frage, nämlich wie fit bist Du in der Metallverarbeitung?
Wir wissen nicht, welche Kräfte muss die „Buchse“ zusammen mit dem Rad aufnehmen / übertragen?
Mit welchen Maßen (Durchmessern, Wanddicken) haben wir es zu tun?
Mit welchen Materialien haben wir es zu tun? Stahl auf Stahl ist was anderes, wie Messing auf Messing!

Egal wie im Detail das ganze Bauteil aussieht, egal mit welchen Kräften zu rechnen ist, ich würde den skizzierten Vorschlag umsetzten.
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