400-Tage-Uhr der Jahresuhrenfabrik (JUF) aus 1902

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Der_Stromer
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400-Tage-Uhr der Jahresuhrenfabrik (JUF) aus 1902

Beitrag von Der_Stromer » Mo 21. Okt 2013, 17:42

So, nach längerer Zeit mal wieder eine (jetzt) schöne Drehpendeluhr.

Jahresuhrenfabrik (JUF) Baujahr 1902
Diese Uhr hat ein mechanisches 400-Tage-Werk. Sie ist also eine "Echte" Jahresuhr. Die Höhe der Uhr 29 cm vom Scheitel bis zur Sohle und der Durchmesser des Sockels 19 cm. Also eine richtige erwachsene Jahresuhr.
Das Gehäuse besteht aus Messing und der Dom (ist bei der Besitzerin geblieben, da er ja für eine Instandsetzung nicht relevant ist) aus Glas. Das Drehpendel, ein Scheibenpendel, ist ebenfalls aus der Zeit und somit das Originale für diese Uhr.
Jetzt aber zur Uhr. Eine Jahresuhr kann am besten über die hintere Platine identifiziert werden. Es gibt Fachliteratur, die mich dabei unterstützt. Die hintere Platine dieser Uhr weist nur eine Marke auf: Auf der rechten Seite "PATENT ANGEMELDET" und darunter "PATENTS APPLIED". Zusammen mit anderen Charakteristika der Platinen weist das auf die Uhrenmanufaktur "JAHRESUHRENFABRIK" in Triberg / Schwarzwald, hin.
007-Bildmarke.JPG
2738-Hintere-Platine.JPG
Ganz kurz noch zur Geschichte: Im Jahr 1900 wollte oder konnte der Patentinhaber, nach dessen Patenten die Jahresuhrenfabrik bisher Jahresuhren hergestellt hat, die fälligen Patentgebühren nicht mehr Zahlen. Daraufhin machten sich viele Uhrenhersteller jetzt daran, diesen Lukrativen Markt auch für sich zu erschließen, mit und ohne Patent! Die Jahresuhrenfabrik hat dann ebenfalls im Jahr 1900 Patente für seine Konstruktionen angemeldet und um sich vor Nachahmern zu schützen, eben das „Patent angemeldet“ und „Patents applied“ auf die Platine geprägt. Diese Patente wurden erst in 1902 vom „Kaiserlichen Reichspatentamt“ bestätigt und solange blieb halt das „Patent angemeldet“ auf den Platinen stehen. Ab 1902, nach Offenlegung der Patente, wurde dann auch erstmalig die Firmenmarke der Jahresuhrenfabrik, die zwei Elefanten, die eine Uhr tragen, geprägt.
Die hintere Platine ist mit Vorsteckstiften mit den Werkspfosten verbunden, die vordere Platine ist geschraubt. Das Ziffernblatt hat einen Durchmesser von 55mm (innen).
Das Ziffernblatt ist ein Emailblatt mit feinen Ziffern in schwarz. Die Zeiger sind aus Stahl gebläut. Das Ganze befindet sich in einer Lünette aus Messing und ist mit der vorderen Platine ebenfalls mit Pfeilern und Stiften verbunden.
Alle relevanten Teile der Uhr sind mit der Nummer 44 gekennzeichnet, auch das Scheibenpendel.
Diese Uhr hat noch keine Stellschrauben zur Justage, auch gibt es noch keine Transportsicherung der Pendelfeder. Die Aufhängung der Pendelfeder ist original und weist diese Uhr ebenfalls als JUF 1902 aus.
Diese Uhr war in einem recht desolaten Zustand. Der Vorsteckstift am Minutenzeiger wurde bündig zur Minutenwelle abgefeilt.
003-Abgefeilter-Vorstecker.JPG
Bei dieser Manipulation wurden dann wohl auch beide Zeiger demoliert. Sie wurden einfach geklebt und der Minutenzeiger mit einem falschen Ende versehen. Die Vorsteckstifte der Platine waren umgebogen, um ein herausrutschen zu verhindern und der Clou der Geschichte war der selbst angefertigte Mitnehmer. Und: die Uhr war, wie schon zu erwarten, wahrscheinlich als Ölsardine eingemacht worden, jedenfalls triefte sie nur so und hinterließ überall Öllachen auf dem Arbeitstisch.
Alle Messingteile waren total blind und teilweise auch schon im Material angegriffen. Das wird noch eine Heiden Arbeit bringen.
2734-Rost-am-Scheibenpendel.JPG
Die ersten Arbeiten an der Uhr war das Zerlegen und Reinigen aller Teile erst im Ultraschallbad anschließend mit Polierpaste auf Glanz gebracht, die Gangfeder wurde aus dem Federhaus genommen, ebenfalls gereinigt und gefettet und wieder eingesetzt. Vor dieser Arbeit habe ich immer großen Respekt, denn wenn sich diese Feder selbständig machen sollte, sind Beschädigungen und Verletzungen ganz sicher. Sie hat eine enorme Kraft. Nach der Reinigung der Teile wurden die Lager und Zapfen überprüft und für in Ordnung befunden. Die Zapfen wurden poliert und die Lager mit Putzhölzern gereinigt. Auch die Zähne der Triebe und Räder wurden geputzt, da das vorher verwendete Öl als feste Masse zwischen den Zähnen klebte.
Eine schöne Arbeit ist das Anpassen der Pendelfeder. Bei Scheibenpendeln ist man da aufs Probieren angewiesen, zumal auch hier die Pendelfeder (aus Bronze!) falsch bemessen war und die Uhr so nie richtig die Zeit zählen würde. Auch war der Mitnehmer ja durch eine Eigenkonstruktion ersetzt worden, was so natürlich auch nicht funktionierte.
2736-Der-Clou.JPG
In der Zwischenzeit war meine Suche nach einem Zeigerpaar teilweise von Erfolg gekrönt. Zumindest einen Minutenzeiger habe ich in der Bucht gefunden und erstanden. Die Anpassung war nicht besonders schwierig, aber der Stundenzeiger musste der alte, geklebte bleiben.
Jetzt gab es bei der Montage und beim Probelauf keine Probleme mehr. Die Einstellung des Ganges bei diesen Uhren ist immer eine langwierige Angelegenheit, da das Werk nach jeder Manipulation an der Pendelfeder oder am Drehpendel mehrer Stunden braucht, bis sie IHREN Takt wieder gefunden hat. Aber Rentner (ich) habe ja Zeit! Die Amplitude beträgt jetzt ca. 260° und der Gang ist über 3 Tage gesehen auf 1 Minute genau. Der muss dann am Aufstellungsort noch Feinjustiert werden, aber das ist ja kein Problem.
Jetzt ist dann also die Zeit gekommen, sie wieder der an die Besitzer zu Senden. Ich bin mir sicher, Sie werden viel Freude an dieser seltenen und schönen Uhr haben.
2730-So-kam-sie-an.JPG
2754-Fertig.JPG
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Re: 400-Tage-Uhr der Jahresuhrenfabrik (JUF) aus 1902

Beitrag von Fritz » Mo 21. Okt 2013, 20:13

Hallo,
Mir scheint, das Scheibenpendel hängt ziemlich hoch. Ich kenne es tiefer.

Gruß Fritz

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Re: 400-Tage-Uhr der Jahresuhrenfabrik (JUF) aus 1902

Beitrag von KleineSekunde » Di 22. Okt 2013, 02:06

Hallo Rolf-Dieter,

vielen Dank für den interessanten Bericht!
Der_Stromer hat geschrieben:Und: die Uhr war, wie schon zu erwarten, wahrscheinlich als Ölsardine eingemacht worden, jedenfalls triefte sie nur so und hinterließ überall Öllachen auf dem Arbeitstisch.
Nun ja, zumindest nach den gezeigten Fotos vom Ausgangszustand zu urteilen, würde ich darauf tippen, dass zum Reinigen des Arbeitstisches eher keine sehr großen Mengen an Öl-Bindemittel notwendig waren ;-)

Hattest du einen passenden Mitnehmer, um die provisorische Lösung zu ersetzen? Oder hast du den angefertigt? Wie sieht die Sache denn nun aus?

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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Re: 400-Tage-Uhr der Jahresuhrenfabrik (JUF) aus 1902

Beitrag von Der_Stromer » Di 22. Okt 2013, 11:43

Fritz hat geschrieben:Hallo,
Mir scheint, das Scheibenpendel hängt ziemlich hoch. Ich kenne es tiefer.

Gruß Fritz
@Fritz:
Das ist der Pendelfeder geschuldet :( . Aber ich glaube, diese 8mm über dem Boden sind sicher noch vertretbar, oder?

Es sieht auf dem Foto schlimmer aus, al es ist.
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Re: 400-Tage-Uhr der Jahresuhrenfabrik (JUF) aus 1902

Beitrag von Der_Stromer » Di 22. Okt 2013, 11:56

@Guido,

na ja, also die vorhandenen 5 Kg Bindemittel haben gerade so gereicht :mrgreen: . Nee, SOOO schlimm war es nicht, aber unter dem Staub der 111 Jahre war es schön klebrig und aus dem Federhaus lief es heraus.

Den Mitnehmer habe ich aus meinem Fundus, passend zum Werk. Ersatzteile, auch für diese alten Schätze gibt es z.B. noch in den USA! Bild habe ich natürlich keins gemacht. Mitnehmer war mir einfach zu profan :oops: .

Hier ein Bild eines Ähnlichen, nur 3 mm kürzer.
017-Mitnehmer.JPG
Noch etwas: Die vorhandenen Reste der Pendelfeder waren eine Bronzefeder und das geht nunmal garnienich :cry: . Die neue Feder ist eine HOROLOVAR .004" (0,102mm).

Ich hätte auch die letzten 8 mm Höhe des Pendel über dem Boden machen können, aber dann wäre kaum noch "Luft" für eine Regulierung in den + Bereich möglich gewesen. Also lieber die Pendelfeder etwas gekürzt und dafür mehr an Spielraum erhalten. Dass heißt, die Gewichte sind jetzt fast in der Mittelstellung angeordnet.

Eine .0041" Feder hätte es auch gerichtet, aber die sind schwer zu beschaffen :x .
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Re: 400-Tage-Uhr der Jahresuhrenfabrik (JUF) aus 1902

Beitrag von petsch » Di 22. Okt 2013, 12:06

Hallo Rolf-Dieter,
danke fürs Einstellen dieses Berichts.

Ich muss sagen, der Mitnehmer hat mir vorher besser gefallen :twisted: :mrgreen:
Der_Stromer hat geschrieben:...Aber ich glaube, diese 8mm über dem Boden sind sicher noch vertretbar, oder?
Ich hatte auch gedacht, dass das Pendel wohl sehr hoch sitzt, aber anscheinend sieht das dann ja nur so aus. 8 mm sind nicht zu viel.

Gruß
Peter

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