Aiug. Schatz & Söhne Jahresuhr aus der Serie 1881

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Der_Stromer
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Aiug. Schatz & Söhne Jahresuhr aus der Serie 1881

Beitrag von Der_Stromer » Mo 27. Mai 2013, 19:36

Jahresuhr / Drehpendeluhr Aug. Schatz & Söhne 1881.

Diese Uhr wurde im Jahr 1981 zum 100-Jährigen Firmenjubiläum der Aug. Schatz & Söhne in Triberg in einer einmaligen Serie aufgelegt. Leider kenne ich die genaue Anzahl nicht. Es gibt Aussagen, die liegen zwischen 500 und 5000. Ich nehme aber an, dass die Nummerierte Serie 1000 Stück zählte.

Der Besitzer fragt mich per Mail, ob ich eine solche Uhr wieder zum zählen der Zeit bringen könnte. Bei seiner war die Pendelfeder gerissen.

Nun, bei Jahresuhren ist ja bekanntlich die Pendelfeder das empfindlichste Teil des Werkes. Aber Brechen oder Reißen wird die von alleine nicht. Dazu bedarf es schon eines Eingriffes von Außen und das heißt dann, die Uhr hatte schon vorher irgendwelche Probleme. Sei es ein ungenauer Gang oder gar ein Auspendeln (stehen bleiben).
2337-Zerbrochene-Pendelfede.JPG
Nachdem also die Uhr bei mir auf dem Tisch stand und ich sie mir genauer betrachtet hatte, dann die Diagnose: Total verölt mit dem falschen Öl. Und die Pendelfeder (oder das, was davon übrig war) war falsch. So konnte die Uhr nie gelaufen sein.
2367-Gut-geschmiert.JPG
2368-Federhaus.JPG
Die erste Maßnahme war also das Werk in seine Einzelteile zerlegen und im US-Bad gereinigt. Diese Prozedur musste ich hier 3 x wiederholen, so hartnäckig waren das Öl und der Schmutz. Aber dann war fast alles von den teilen herunter.
Rost-am-Trieb-134.JPG
Ankerlager-137.JPG
2368-Fett.JPG
Jetzt das Überprüfen der Lager und Zapfen: Keine Probleme. Das doch recht klebrige Öl hatte wohl verhindert, dass sich noch etwas im Werk bewegen konnte und damit größeren Schaden verhindert.

Nun kam die Pfriemelarbeit, das Polieren und Konservieren der Teile, denn das Messing sollte ja nicht nach ein paar Wochen wieder angelaufen sein. Helferlein waren hier die Polierpaste für Messing und Kupfer, so wie anschließend das Konservierungs-Wachs.
2372-Wie-Neu.JPG
Nach dieser Prozedur müssen immer die Lager neu gereinigt werden, damit weder Polierpaste noch das Wachs in den Lagern sitzt. Putzhölzer in Mengen werden dabei verbraucht.

So können sie die Teile nun wieder sehen lassen, oder?
2374-So-muss-es-sein.JPG
Das Werk wird montiert und auf den ebenfalls gereinigten Stuhl gesetzt.

Jetzt noch die Pendelfeder anpassen. Für diese Uhr (Scheibenpendel) gibt es keine Pendelfeder, die sofort passen würde. Also musste die Pendelfeder angepasst werden. Zur Erklärung: Die Dicke der Pendelfeder bestimmt die Federkraft. Ist die Feder zu stark (dick), läuft die Uhr zu schnell und umgekehrt.
2366-Zerstoert.JPG
Die Länge der Pendelfeder spielt entgegen der allgemeinen Meinung keine große Rolle beim Gang. Hier macht es ca. 4 Sekunden in 24 Stunden aus, wenn die Pendelfeder um 6,5 mm gekürzt wird. Auch das Gewicht des Drehpendels spielt keine große Rolle bei der Ganggenauigkeit. Das Gewicht ist aber für den sog. „Abfall“ der Hemmung wichtig. Lediglich der Durchmesser des Drehpendels ist für den genauen Gang der Uhr maßgebend. Aber vorher muss halt die Pendelfeder stimmen!

Bei der Anpassung bin ich also folgendermaßen vorgegangen: Die Platine und damit die ungefähre Stärke der Feder war anhand von Fachbüchern ermittelbar. Dann habe ich diese Feder mit der oberen Montierung und der Unteren versehen, eingehangen und auch das Pendel angebracht. Nun das Pendel in Drehung versetzt. Die Pendelschwingung (Halbdrehung) war bekannt (das kann man im Fall der Fälle auch messen), hier 8 Perioden in der Minute. Also mit einer Stoppuhr diese Halbdrehungen gemessen.

Die ersten Messungen waren natürlich zu schnell. Also die Feder wieder raus, obere Montierung ab und mit 1200er Schleifpapier die Dicke der Feder von beiden Seiten verringert.

Die ganze Prozedur solange wiederholen, bis die 8 Halbdrehungen genau in 1 Minute ausgeführt werden. Zur besseren Abstimmung dann 32 Halbdrehungen gezählt und gemessen: 4 Minuten zeigte meine Stoppuhr. So ist es gut.

Wenn Sie das machen wollen / müssen: Darauf achten, dass die Gewichte auf dem Scheibenpendel in etwas in der Mittleren Position sind, damit beim späteren Feinjustieren noch genug „Masse“ zum Verschieben vorhanden ist.

Bei dieser Uhr (sie hat sich wahrscheinlich Mords gefreut, dass sie das olle Öl los war) hat das erstaunlich schnell und gut geklappt.

Na ja, wohl auch ein wenig Erfahrung ist dabei gewesen!

Und so sieht sie (die Uhr) jetzt wieder aus und kann die reise in die Schweiz zurück wieder antreten. Grüezi!
2376-Fertig.JPG

Zum Schluß jetzt noch eine kleine Bemerkung. Diese Serie wurde, wie ja schon geschrieben, zum 100sten Firmenjubiläum der Firma Aug. Schatz & Söhne / Triberg im Jahr 1981 aufgelegt. Anscheinend gab es bei Schatz aber keine Maschinen und Werkzeuge mehr, um mechanische Jahresuhren herstellen zu können. Daher wurden diese Uhren ausschließlich und limitiert von der Firma Kern und Söhne für Schatz produziert.

Die Firma Aug. Schatz & Söhne hat leider im Jahr 1986 seinen Geschäftsbetrieb einstellen müssen.
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Hallo aus der Oberpfalz
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Re: Aiug. Schatz & Söhne Jahresuhr aus der Serie 1881

Beitrag von KleineSekunde » Mo 27. Mai 2013, 21:16

Hallo,

schön, dass die Uhr nun wohl wieder funktinoniert und die Zeit zuverlässig anzeigt! Vielen Dank also für diesen Bericht!

Ich kenne mich mit Jahresuhren nicht aus, daher hier zwei Fragen eines Laien:
Der_Stromer hat geschrieben:Nun, bei Jahresuhren ist ja bekanntlich die Pendelfeder das empfindlichste Teil des Werkes. Aber Brechen oder Reißen wird die von alleine nicht. Dazu bedarf es schon eines Eingriffes von Außen und das heißt dann, die Uhr hatte schon vorher irgendwelche Probleme. Sei es ein ungenauer Gang oder gar ein Auspendeln (stehen bleiben).
Ein ungenauer Gang oder ein "Auspendeln" lassen sicherlich auf entsprechende Probleme im Uhrwerk (verharztes Öl,...) schließen, aber davon reißt eine Pendelfeder ja zunächst auch nicht... Reicht ein wiederholtes, schwungvolles und "zu starkes" Anwerfen des Pendels - aus purer Verzweiflung des Besitzers darüber, dass die Uhr immer wieder stehen bleibt - um ein Reißen der Pendelfeder zu verursachen? Könnten eventuell nicht auch Transportschäden für den Riß der Pendelfeder gesorgt haben?
Der_Stromer hat geschrieben:Die ersten Messungen waren natürlich zu schnell. Also die Feder wieder raus, obere Montierung ab und mit 1200er Schleifpapier die Dicke der Feder von beiden Seiten verringert.
Hier hätte ich vermutet, dass die Dicke der Pendelfeder auf der gesamten Länge auf das benötigte Maß hätte angepasst werden müssen, damit sie dann auch überall konstant ist, also auch im Bereich der unteren Pendelbefestigung. Die untere Befestigung wurde hier wohl nicht entfernt. Ist dies hier unkritisch?

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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Re: Aiug. Schatz & Söhne Jahresuhr aus der Serie 1881

Beitrag von Der_Stromer » Mo 27. Mai 2013, 23:15

Hallo, Guido.

Zur ersten Frage: Eben. Eine Pendelfeder bricht nie ohne grobe Gewalt. In (fast) allen Fällen ist ein Problem des Werkes die Ursache für eine Falschbehandlung, angefangen vom "Aufziehen" der Pendelfeder bis diese bricht, oder z.B. am Pendel ziehen, wenn der Gang eingestellt werden muss. Ja, Verzweiflung ist vielleicht der passende Ausdruck :shock:. Bei dieser hier war die Feder gebrochen, denn der Rest steckte noch zwischen den Backen der oberen Montierung :?.

Zur zweiten Frage: Selbstverständlich wird der Mitnehmer erst garnicht montiert, so das bis auf die letzten 3 - 4 mm über die ganze restliche Länge geschwächt wird. Und die 3 - 4 mm machen nach meiner Erfahrung nichts aus. Erst wenn die Feder den richtigen "Gang" hat, wird der Mitnehmer auch montiert.
Die untere Montierung hat bei fast allen Uhren einen Stift. Eine passende Bohrung im Holz verhindert, dass die Pendelfeder beim Schleifen unkontrolliert hin- und her rutscht.
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: Aiug. Schatz & Söhne Jahresuhr aus der Serie 1881

Beitrag von lokonelly » Sa 8. Jun 2013, 17:21

Hallo Rolf-Dieter! :)
Vielen Dank für Deinen Bericht. Es hätte mich schon gewundert, wenn Du diese Jahresuhr nicht wieder zum Leben erweckt hättest.
Du schreibst, daß es für diese Uhr keine passende Feder gibt. Hast Du die .091mm von Horolovar auch probiert? Viele Grüße Willi. :D

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Re: Aiug. Schatz & Söhne Jahresuhr aus der Serie 1881

Beitrag von Der_Stromer » Mo 17. Jun 2013, 11:41

@ lokonelly :oops:

Leider erst heute gesehen :oops: .

Nein, die habe ich erst garnicht genommen, sondern eine aus meinem Fundus - 0.102 - . Das Anpassen der Feder ist, wenn man es weiß, überhaupt kein Problem.
Hallo aus der Oberpfalz
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