Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

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soaringjoy
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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von soaringjoy » Di 19. Feb 2013, 18:53

Na ja, hier werden nun wirklich Tretautos mit Bulldozern verglichen.

Die Pendelfeder für eine Turmuhr muss wohl oft selbst hergestellt werden, die
gibt es nicht an jeder Ecke.

Bei üblichen Hausuhren sieht das jedoch anders aus. Sicher, wir hatten hier schon
die "Schinkenpendelfeder" aus Verpackungsfolie und die Uhren verkraften das auch
zum Austesten oder als Notlösung.
Dies spricht aber eher für die Qualität der Uhren. ;)

Pendelfedern sind Verbrauchsmaterial und wirklich überall für ein paar Cents zu bekommen;
die richtig guten mögen einen Euro kosten.
Wer sich mit alten Uhren ernsthaft beschäftigt, sollte schon ein paar gängige Größen in der
Grabbelkiste haben.

Davon einmal abgesehen, Federn sind für Bewegung ausgelegt - Bleche nicht.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis das Blech ermüdet, bricht und das Pendel liegt unten.

J.
"tempus nostrum"

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droba
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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von droba » Di 19. Feb 2013, 19:24

Also den Mechaniker möchte ich sehen, der es sich früher leisten konnte, mit den Worten vom Turm zu steigen: "Hab´ich kein Ersatzteil"- dem wäre sofort der Auftrag entzogen worden und er wäre als ein Dummkopf dagestanden, der sich nicht zu helfen weiß.

droba

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Typ1-2-3
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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von Typ1-2-3 » Di 19. Feb 2013, 20:16

Es ist klar, nichts hält länger als ein Provisorium. Vom Material her ist die Pendelfeder aus Fühlerblattlehren gar nicht so schlecht, denn dieser Stahl federt gut. Auch die Turmuhr-Pendelfeder aus dem Stahllineal ist so schlecht nicht. Was ich an dieser Feder bemängeln würde, wäre nicht so sehr das Material, sondern eher die Form: Das Pendel wird garantiert schlingern. Wenn man so eine Feder nachfertigt, sollte man ein doppeltes Blech nehmen. Je weiter die beiden Teilstücke auseinanderstehen, um so weniger wird das Pendel schlingern.

Bei Ato-Uhren waren die Pendelfedern sehr breit, weil das Pendel durch die etwas seitlich stehende Klinke auf Torsion belastet wurde. Baut man da so eine schmale Pendelfeder ein, würde die Uhr nicht laufen, weil sie so schlingert, dass der Magnet an der Spule anstößt. Auch hier sollte man die Form der Pendelfeder so gestalten, dass die Federn etwas auseinander stehen.

Das Bild zeigt eine Pendelfeder, die ich für ein Uhrenbauprojekt gemacht habe. Leider wird das Projekt nichts mehr, die Feder ist also übrig. Diesmal ist das Stahllineal wirklich nur Messinstrument. :-)

Bild

Die Federn sind aus Zugfederstahl gemacht, 0,25mm stark. Interesse? Passt sie?

Frank

KleineSekunde
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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von KleineSekunde » Di 19. Feb 2013, 20:23

Hallo,
droba hat geschrieben:Also den Mechaniker möchte ich sehen, der es sich früher leisten konnte, mit den Worten vom Turm zu steigen: "Hab´ich kein Ersatzteil"- dem wäre sofort der Auftrag entzogen worden und er wäre als ein Dummkopf dagestanden, der sich nicht zu helfen weiß.

droba
Da ist natürlich was dran! Und manchmal muss man sich eben auch zu helfen wissen...

Respekt vor der Leistung eine provisorische Pendelfeder für eine "normale" Großuhr aus "Fundstücken" herzustellen, ich gebe da aber gerne zu, dass ich hier dann doch lieber auf verfügbare Exemplare zurück greife.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

walter der jüngere

Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von walter der jüngere » Di 19. Feb 2013, 22:24

Hallo,

es gab auch eine Zeit, da gab es Leute, die eigens damit beauftragt waren, sich regelmäßig um diese Uhren zu kümmern (Türmer, Hofangestellte, städtische Uhrenwärter, Nachtwächter oder Küster etwa). Das war die Zeit, als die Turmuhren für die lokale bürgerliche Zeitfeststellung noch von wirklicher Relevanz war.
Nun ja, und selbst schon zu dieser Zeit passierte es, daß (Turm-)Uhrmacher ratlos den Turm verließen, und nicht gleich die passende Lösung, geschweige denn das passende Ersatzteil dabei hatten, bzw. gleich vor Ort haben anfertigen können - dies geschah, wenn man sich mit einschlägigen Chroniken beschäftigt, offenbar gar nicht sooo selten.
Mindestens ebenso oft passierte es damals auch, daß der Uhrmacher den Ortsausgang noch nicht ganz erreicht hatte, und die Uhr dann schon wieder stehengeblieben war.
Es gab Uhren, die waren über Jahre außer Betrieb, bzw. gingen nur sehr sporadisch, teils sogar zum Gespött der benachbarten Orte...

Selbst in der neueren Zeit (also die Zeit der teilindustriell hergestellten Turmuhren) war es in dieser Gegend hier oft so, daß Turmuhren zumindest für eine gewisse Zeit außer Betrieb bleiben mussten, weil entsprechende Ersatzteile (trotz allen Erfindungs- und Improvisationskünsten, die gerade den Leuten hier immer noch nachgesagt werden) einfach nicht beschaffbar waren bzw. Defekte nicht gleich reparabel waren.
Ich denke zuerst zwar an Quecksilberschalter, Relais, Seile, Kabel usw. - aber auch an defekte mechanische Bauteile oder an gebrochene Schweißnähte bzw. Nieten, defekte Lager usw. - Schäden, die einfach nicht so schnell behoben werden konnten.
Dafür Schelte zu bekommen - nun ja. War zweischneidig - weil es dann galt, einen anderen Uhrmacher zu bekommen. Und die hatten jeder meist so ihr Revier. Und da war oft wenig spontane Fluktuation. Und: Jede der Uhren hat so ihre Eigenheiten. Und in die muss man sich hineindenken. Ansonsten ist es nix mit schnellem Erfolg und großem Ruhm.

Und wer denkt, heute wäre das anders - oft weit gefehlt.
Wenn einer der Turmuhren plötzlich nicht funktioniert, und mit den "Erfahrungen aus vorhergehenden Problemen damit" keine Lösung herbeigeführt werden kann - dann warten einige dieser (teils immer noch mechanischen) Turmuhren schon mal gut ein paar Wochen, bis jemand vom Fach sich das anschaut. Da ist noch nicht gleich die Reparatur ausgeführt, oft noch nicht einmal ein Kostenvoranschlag in Aussicht. Leider.
Oft genug sind es aber auch klimatische Probleme (oder Taubendreck), der solchen Uhren Probleme bereitet. Und es gibt einige Jahrgänge elektronisch gesteuerter Turmuhren, deren wenn dann auftretende Probleme fast aussschließlich elektronischer Natur sind. Und die Ersatzteilversorgung für diese Exemplare ist teils noch schwieriger, als die Reparaturmöglichkeiten an so mancher vor Jahrzehnten ausrangierter bzw. gar verschrotteter Turmuhren...

Aber auch noch etwas muss bei dieser Problematik bedacht werden: So ein Turmuhrmacher hatte zwar ein gewissen "Standardbestand" an Verschleißteilen usw, und auch einiges an Werkzeug mit dabei - aber: Der musste auch in früheren Zeiten erstmal kommmen, sich das anschauen. Oft war es nicht mit dem Ersatz einer (an-)gebrochenen Pendelfeder allein getan.
Und die Auftraggeber waren auch nicht immer bereit, gleich jeden geforderten Betrag zu bezahlen, so daß da durchaus auch andere Meister (gerade bei kostspieligeren Defekten) zurate gezogen wurden. Und oft traten da sehr gegenteilige Meinungen zutage, was da nun besser zu tun sei.
Oft genug gerieten dabei dann die Gemeinderäte (weltlicher oder kirchlicher Natur) auch noch ganz schön aneinander....

Türmerchroniken oder Stadt- bzw. Kirchenchroniken daraufhin sich durchzulesen ist durchaus ein sehr interessantes und lehrreiches Terrain. Man lernt Land und Leute auf ganz eigene Weise kennen...

Ich und sicher einige, die mit Turmuhrpflege betraut bzw. vertraut sind, wissen es daher zu schätzen, wenn nicht gleich schnell-schnell irgendeine (vermeintlich tolle) Lösung improvisiert wird, sondern danken für durchdachte Lösungen.

Ersatzpendelfedern aus normalem Zugfeder- oder Fühlerlehrenstahl sind da immer noch sehr viel willkommenere Lösungen als so manch anderer schon erlebter / erlittener Reparaturversuch...

So weit meine Erfahrungen dazu.

Walter d. J.

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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von soaringjoy » Di 19. Feb 2013, 22:36

Leute,erstens ging es doch ursprünglich "nur" um eine banale,
improvisierte Pendelfeder für eine Turmuhr.
Man beachte auch bitte das Datum.
Der Thread wurde, ähh regeneriert.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Problemchen mittlerweile behoben sein dürfte.
Wenn ich von einer selbstgemachten Turmuhrpendelfeder schreibe, meine ich doch eher
etwas in der Art, wie Frank sie zeigt. Eine schöne Arbeit. ;)

J.
"tempus nostrum"

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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von droba » Di 19. Feb 2013, 22:48

Danke, Jürgen!

Du hast das Thema gut und vor allem mit wenigen Worten (!) wieder auf den Punkt zurückgeführt.

droba

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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von Typ1-2-3 » Mi 20. Feb 2013, 08:48

Oh, auf das Datum von Phil habe ich gar nicht geachtet! Dann kann ich die Feder ja wieder wegpacken.

Frank

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Re: Unkonventionelle Turmuhrpendelfeder

Beitrag von Gnomus » Mi 20. Feb 2013, 23:25

Das Thema "selbstgemachte Pendelfeder" ist aber immer wieder interessant.
Gruß
Micha

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