HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

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Der_Stromer
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HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

Beitrag von Der_Stromer » Di 22. Jul 2014, 16:01

HAU-ATO aus 1928
3254-Marke-ATO-HAU.JPG
HAU (bekannt auch als PFEILKREUZ) ist die Kurzform der „Hamburg-Amerikanische-Uhrenfabrik AG“, gegründet 1875 in Schramberg. Die Firma wurde 1930 von Junghans übernommen. ATO ist der Markenname für diese Uhrform, nach Patent von Léon Hatot, welcher der HAU die Lizenz zum Nachbau verkaufte.

Zur ATO-Lizenz so viel: Die HAU erwarb 1928 die Lizenz zum Bau von Elektrischen Uhren von der Französischen Firma Léon Hatot. Die HAU war also die erste Firma, die solche Uhren, neben der Firma Haller & Benzing, von 1928 an in Deutschland herstellte. Die Hau wurde dann (1930) von Junghans übernommen und dort wurden ebenfalls, aber ohne eigentlich die Rechte dazu zu besitzen, Uhren nach L. Hatot hergestellt und unter „Junghans“ vertrieben. Erst 1955 stellte ein Gericht fest, dass Junghans dazu nicht berechtigt gewesen war und verurteilte Junghans zu einer Strafzahlung (Patent- und Markenverletzung) an L. Hatot, der aber leider bereits 1953 verstorben war.

Die Uhren HAU-ATO und JUNGHANS-ATO sind baugleich und unterscheiden sich in dieser Form nicht. Später wurden Modelle (nach 1930) natürlich mit Änderungen und in allen Formen hergestellt.

Nun zu der Uhr, die den Weg zu mir gefunden hatte.

Die obligatorische Frage an Anfang: Können Sie…..? Nun ja, gucken kost ja nichts und so eine Uhr hatte ich noch nicht auf dem Tisch.
2979-So-kan-sie-hier-an.jpg
Und dann kam ein Packet mit Uhr. Auf den ersten Blick zu sehen: Hier war mal eine Batterie ausgelaufen und hat den mit schönem Schlff versehen Werkhalter und das Bodenblech arg in Mitleidenschaft genommen.
2992-Seite-rechts.JPG
2993-Rueckseite.JPG
Eigentlich waren hier sog. „Luft-Kohl-Batterien“ mit einem quadratischen Pappbecher verwendet worden. Sehr teuer, aber auch langlebig und bereits in den 1910er auslaufsicher!!! Als die Produktion eingestellt wurde, änderten viele Uhrmacher den Batteriehalter ab, damit Baby-Zellen genutzt werden konnten. Eigentlich ja nichts schlimmes, nur diese (Trocken)Zellen hatten die fatale Eigenschaft, dass der Zinkmantel vom Aluminiumoxyd mit der Zeit zerfressen wurde und eben dieses Zeugs dann durch den Pappmantel sich den Weg nach außen suchte.

Die Folgen zeigten sich dann ja.

Auch war bei dieser Uhr das Werk mal in Öl getaucht und daher ganz schön hässlich verklebt. Aber das kenne ich ja schon.

Also alles demontiert und die Kleinteile ab ins US-Bad.
3157-Uhrenpuzzle.JPG
Das große Problem war der Werkhalter mit seinem schönen Schliff und die Bodenplatte, die sehr mitgenommen war.

Beim Werkhalter reinigte ich sehr vorsichtig, damit an den sichtbaren Stellen der Schliff erhalten blieb. Das ging ganz gut.

Nun zur Bodenplatte. Sah aus wie Kupferblech mit Zink- oder Bleieinlage zum Beschweren. Komisch war nur, dass da, wo die Batterielauge gewirkt hatte, das Kupfer messingfarben war.
3205-Fehlstellen.JPG
Trotzdem erstmal geputzt und poliert. Immer noch Kupfer. Dann die Frage, wie kann man (ich) Kupfer schwärzen, da ja die Uhr nicht „verhübscht“ werden, sondern möglichst im gebrauchten Zustand erhalten werden sollte. Und da war die Bodenplatte eben geschwärzt (oder Brüniert) und zusätzlich mit einem Lack überzogen.

Im iNet gesucht und gefunden: Kupfer wird mit „Schwefelleber“ geschwärzt. Mit einigen Tricks kann dann ein sehr guter „Alterungsefekt“ erzielt werden. Meinte man.

Also diese Zeugs bestellt und weiter gelesen. Ratschläge gab es zu Hauff, angefangen von 10%iger Lösung bis zu 0,5%. Nun, ich versuchte es mit 3%, ein Tipp vom Profi :cry: .

Ergebnis: Schlagartig wurde das Kupfer schwarz. Sofort raus aus der Brühe und unter fließendes Wasser. Es nutzte nichts mehr. Die Bodenplatte war so was von verdorben, ich war nahe am Heulen.
3179-Missglueckt.JPG
Na ja, nutzt nichts, mit Stahlpolierwolle dem Stück ans Blech…. Und was kommt zum Vorschein? MESSING! Also, das Messing war nur dünn verkupfert (daher auch die messingfarbenen Stellen bei der Batterie) und die Lösung hat das Kupfer sofort abgeätzt ohne das Messing an zu greifen.

Also die Bodenplatte richtig mit Stahlwolle bearbeitet, damit alles metallisch rein wurde. Das ging ganz gut, bis auf den Muskelkater in den Fingern und den Handgelenken. Ungewohnte Arbeit für einen Rentner.


Letztlich kam dann eine Tinktur eines Versandhauses zu Einsatz und die schaffte es, dass Messing zu Brünieren. Jetzt bin auch ich zu frieden mit der Bodenplatte.
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Der Zusammenbau ging endlich recht gut von der Hand, obwohl es eine Unmenge von Schrauben, Scheibe und Muttern gab, die fast alle unterschiedlich waren, aber zwingend (wie bei Uhren so üblich) ihren festen Platz im Werk hatten. Es ist NICHTS übrig geblieben :mrgreen: :o !!
3167-Pendelstab-mit-Fortsch.JPG
3165-Es-wird.JPG
Eine pfriemelige Arbeit war dann noch die Justage der Schaltklinke und der Kontakte. Bei diesen Kontakten ist höchste Aufmerksamkeit geboten.
3253-Sie-bewegt-sich-doch.JPG
Ein Fehler, und man hat ein richtiges Problem. Diese Teile sind so filigran, dass eine falsche Verbindung mit einem Kurzschluss diese zum Verglühen bringt. Und diese Federn gibt es natürlich nicht mehr.
3180-Kontakte.JPG
Daher mein Rat: Immer die Batterie abklemmen, bevor an den Kontakten gestellt wird.
3255-Fertig.JPG
Aber jetzt ist die Uhr fertig und zeigt wieder zuverlässig die Zeit.


Und ich meine, für ihr Alter noch ganz schön unter Strom.
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Re: HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

Beitrag von droba » Di 22. Jul 2014, 19:42

Hallo Rolf-Dieter,

ich sage einfach nur: Respekt vor der Reparatur und erst recht zu Deinem Bericht. Wirklich Super!

Eine Anmerkung zu den ATO-Lizenzen: Haller & Benzing der erste Hersteller der ATO-Uhren in Deutschland; diese Lizenz ging mit Zustimmung von Hatot dann an die HAU über. Junghans hat nach der Übernahme der HAU geglaubt, sich diese Lizenz unentgeldlich aneignen zu können und wurde von der Firma Hatot verklagt, man hat sich aber außergerichtlich und auch gütlich geeinigt.

Eine andere deutsche Firma, die ebenfalls mit Hatot Probleme bekommen hat, war Kundo. Und so weit ich weiß, musste auch Kundo noch an Hatot bezahlen.

droba

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Re: HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

Beitrag von KleineSekunde » Di 22. Jul 2014, 22:23

Hallo Rolf-Dieter,

vielen Dank für diesen sehr schönen und ausführlichen Bericht! Schön, dass die Uhr nun wieder funktioniert, das wird den Besitzer sicherlich freuen und ich hoffe, er hat dann auch viel Freude an der Uhr.

Könntest du eventuell noch ein Foto der eigentlichen Kontakteinrichtung einstellen? Auf dem Foto mit der Uhr auf dem Probierstuhl im Schraubstock ist diese zwar zu erkennen aber aufgrund der Lichtreflexe leider nicht so ganz deutlich. Eventuell hast du ja noch ein Detailfoto parat. Ein solches Detail wäre sicherlich recht interessant.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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Der_Stromer
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Re: HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

Beitrag von Der_Stromer » Fr 25. Jul 2014, 14:58

Gerne ein paar Antworten von mir :D :

@ Droba: Danke für die Korrektur Haller & Benzing! Das war mir so nicht bekannt. Aber man lernt immer dazu. Das Tränchen aber gleich hinterher: Nein, Junghans hat sich nie mit Hatot "gütlich" geeinigt. Der Prozess wurde bis zum bitteren (für Léon Hatot) Ende durchgezogen. Das steht natürlich so nicht in der Junghans-Chronik. Warum auch. Nutzt ja keinem und könnte nur am schönen Lack kratzen.

Und jetzt zur Dir, Guido :mrgreen: :

Ich habe mal ein wenig in der Bilderkiste gegrabbelt und noch was gefunden.

Zu aller Erst die Justagen. Die Fortschaltklinke am Pendelstab muss mittels der Stellschraube so eingestellt werden, dass das Schaltrad wirklich nur 1 Zahn weiter geschaltet wird. Am besten macht man (ich) das, indem der Pendelstab händisch nach links bewegt wird. Wenn die Schaltwelle soweit gedreht wurde, dass der Kontaktnocken direkt hinter das Kontacktschaltrad fällt, muss die Fortschaltklicke über "seinen" Zahn gehoben werden. Erst dann ist gewährleistet, dass auch wirjklich nur 1 Kontakt pro Zahn erfolgt. Sonst läuft die Uhr nicht richtig.

:oops: Wenn ich mich hier am irgend Jemanden angelehnt haben sollte, bitte ich um Nachsicht. Aber solche Vorgänge wie hier lassen sich nunmal nicht mit unterschiedlichen Varianten beschreiben :oops: .

Im Hintergrund der Pendelstab mit Schaltklicke und Einstellschraube (rechts), davor der Kontakthebel mit der Kontaktspirale, die den elektrischen Widerstand des Lagers überbrückt und gleichzeitig für eine kleine Rückhohlung des Hebels sorgt.
3184-Schaltklinke.JPG
Hier nochmal eine Draufsicht: Gelber Kreis ist das Kontaktschaltzahnrad und im roten Kreis der Kontaktstift
3183-hinter-dem-Ziffernblat.JPG
In der Seitenansicht im helblauen Kreis die Sekundenwelle, roter Kreis die Übergangswiderstandverhinderungsspirale :lol:, gelber Kreis die Kontaktsteuernocken, darunter der grüne Kreis die Zähne vom Schaltrad und im lila Kreis der Kontakt am Hebelarm.
3182-Das-Werk.JPG
Hier der Kontaktarm in der Draufsicht.
3180-Kontakte.JPG


Und die Pendelaufhängung mit der Fortschaltklinke, die am Pendelstab befestigt ist.
3167-Pendelstab-mit-Fortsch.JPG
Und nun noch die Kontakte (zwei recht dünne Federstähle mit Goldkontakten), die verschleißen gern. Notwendige Nacharbeiten sind recht pfrimelig :( .
3163-Pendel-mit-Feder-und-K.JPG
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Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

Beitrag von Typ1-2-3 » Fr 25. Jul 2014, 20:05

Zu den Goldkontakten: Bei Junghans - bei HAU weiß ich es nicht, weil noch nie so im Detail gesehen - sind die Kontakte auf den Federchen befestigt, indem die Röllchen aus Gold mit der Feder verpresst wurden. Dadurch sind sie nur von einer Seite nutzbar, die Rückseite ist durch das Verpressen eingedrückt. Bei Hatot gefällt mir das besser, denn die Goldröllchen sind auf der Feder verstiftet: Es wurde einfach ein konischer (nicht komischer) Stift durch das Goldröllchen geschoben, die Feder hinterher, und alles durch weiteres Durchschieben des Stiftes befestigt. Vorteil: Die Goldröllchen bleiben rund, und sie lassen sich dadurch auch von der Rückseite benutzen.

Ansonsten: Die Goldkontakte verschleißen erheblich schneller als die aus Platin. Platin ist einfach härter als Feingold.

Zum Einstellen des Schaltrades: Bin ich gemeint?

Frank

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Re: HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

Beitrag von Der_Stromer » Fr 25. Jul 2014, 22:37

@ Frank: Jau!

Und danke auch für den Hinweis zu den Kontakten. Auch das habe ich nicht gewust. Dieses Forum ist und bleibt eine Fundgrube des Wissens!
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Re: HAU-ATO aus 1928 (Pfeilkreuz)

Beitrag von KleineSekunde » Sa 26. Jul 2014, 00:27

Hallo Rolf-Dieter,

vielen Dank für die weiteren Informationen und die sehr detaillierten Fotos! Ich hatte durchaus darauf gehofft, dass da noch weitere Fotos vorhanden sein könnten, die die Funktionsweise verdeutlichen würden. Schön, dass du sie eingestellt hast!
Typ1-2-3 hat geschrieben:Zu den Goldkontakten: Bei Junghans - bei HAU weiß ich es nicht, weil noch nie so im Detail gesehen - sind die Kontakte auf den Federchen befestigt, indem die Röllchen aus Gold mit der Feder verpresst wurden. Dadurch sind sie nur von einer Seite nutzbar, die Rückseite ist durch das Verpressen eingedrückt. Bei Hatot gefällt mir das besser, denn die Goldröllchen sind auf der Feder verstiftet: Es wurde einfach ein konischer (nicht komischer) Stift durch das Goldröllchen geschoben, die Feder hinterher, und alles durch weiteres Durchschieben des Stiftes befestigt. Vorteil: Die Goldröllchen bleiben rund, und sie lassen sich dadurch auch von der Rückseite benutzen.
Ein sicherlich nicht zu unterschätzender Vorteil bei zwangsläufig verschleißenden Kontakten! Schön, dass es in dem Fall da wohl eine "service-freundliche" Konstruktion gab. Bei einer weiteren Bohrung, rechtwinklig zu der vorhandenen angebracht, ließe sich die Betriebsdauer dann sicher noch weiter steigern... Also eine Konstruktion eher entfernt von einer heute eventuell verbreiteten "geplanten Obsoleszenz"...

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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