Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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schneiderjens
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Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von schneiderjens » Di 26. Sep 2017, 16:53

P1190310.jpg
Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen, denn es ist mein erster Beitrag in diesem Forum. Ich bin gelernter Uhrmacher und habe als Konstrukteur für Uhrwerke für verschiedene Glashütter Firmen gearbeitet. Privat beschäftige ich mich mehr mit größeren Uhren, Pendeluhren und Tischuhren, auch Chronometern. Besonders interessieren mich frühe elektrische Einzeluhren, wie sie beispielsweise Hipp vor 1900 gefertigt hat. Diese Uhren sind sehr selten, ich kenne selbst nur zwei. In meiner kleinen Sammlung habe ich unter anderem eine Brillié- Halbsekunden- Pendeluhr mit dem typischen französischen Kugelpendel. Ich finde diese Uhren sehr schön, wenngleich sie in sich schon etwas widersprüchlich sind. Wie andere in diesem Forum schon festgestellt haben, sind die Laufwerke fast unzerstörbar. Die kleine Blech-Klinke direkt am Pendel setzt das aber nicht fort, da ist die Klinke der vergleichbaren ATO viel stabiler und vor allem mit Schrauben einstellbar. Auch die langen Kontaktfedern, die gleichzeitig auch noch das Laufwerk mit dem schweren Zentralsekundenzeiger rasten sollen, lassen sich durch ihre zu einfache Befestigung nur schwer einjustieren. Das gilt auch für die Kontaktfeder mit den U-förmigen Goldplättchen, die nur an einem Draht anliegt, den man mit viel Geduld so biegen muß, daß möglichst alle vier Plättchen gleichzeitig Kontakt schließen. Trotzdem ist es eine sehr schöne Uhr, die in der Abweichung unter einer Sekunde pro Tag bleibt und bei mir nun schon über vier Jahre mit einer R20-Zelle läuft. Aber eine Frage ist für mich dabei noch ungelöst: es ist keine normale Hauptuhr und auch keine Einzeluhr. Sie hat einen zweiten Kontakt am 12-zähnigen Schaltrad, welches diesen alle 12 Sekunden mittels einer Schnecke für eine Sekunde schließt. Vielleicht hat jemand eine Ahnung, was damit gesteuert worden sein könnte?
Für die Batterie habe ich ein Schraubglas verwendet. Da mußte ich eine Weile suchen, schließlich wurde ich bei Pesto fündig. In den Boden kommt eine Pertinaxplatte mit einem Kontaktblech. Ich habe das Glas durchbohrt und den Minuspol mit einem Kabel nach oben geführt. Den Schraubdeckel habe ich mit einer passenden Aufnahme für die originale Halterung in der Brillié versehen. Der Pluspol wir mit einem Messingstift nach außen geführt, der in der Kunststoffbuchse leicht beweglich sein muß. So kann die Blattfeder der Aufnahme dann alles für einen sicheren Kontakt zusammendrücken.
Um die Kontakte zu schonen, verwende ich schon seit langem Dioden, die ich in Sperrichtung parallel zur Spule schalte. Bei der Brillié ist der Stromstoß durch die Selbstinduktion aber so groß, daß der dann durch die Diode fließende Gegenstrom das Pendel stark abbremst. Man muß hier einen 100 Ohm Widerstand mit der Diode in Reihe schalten. Eine Alternative dazu ist eine LED, die von sich aus einen höheren Innenwiderstand hat und bei mir nun schon seit Jahren in der Brillié verbaut ist. Seitdem sind an den Kontakten keinerlei Abbrandspuren mehr zu sehen.
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Barney Green
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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von Barney Green » Mi 27. Sep 2017, 09:22

Hallo Jens,

ich bin auch neu hier und habe keine große Ahnung von Uhren. Ich bin von Haus aus Nachrichtentechniker und sammle seit einigen Jahren Taschen- und Armbanduhren.

Sieht sehr gut aus, Deine Brillié! Die gebastelte Batterie ist Klasse!
Zu Deiner Frage mit dem 12-Sekunden Takt: könnte es sich um eine alte Kirchenuhr handeln, die Impulse für das Glockenwerk abgegeben hat? Das wäre in meinen Augen das sinnvolslte.

Zur Diode: wenn Du anfangs eine einfache Gleichrichterdiode a la 1N400x benutzt hast, war diese vielleicht einfach zu langsam. Eine schnelle Schaltdiode wie z.B. 1N4148 ist meist deutlich besser geeignet. Aber die Idee mit der LED ist gut und erfüllt ja seinen Zweck, sehr schöne Lösung.

Beste Grüße
Barney

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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von KleineSekunde » Mi 27. Sep 2017, 19:46

Hallo,

herzlich willkommen hier im DGC-Forum und viel Spaß und Erfolg hier!

Eine schöne und gelungene Lösung zur Nachbildung von historischen, galvanischen Elementen aus Glas! Verschiedene andere Ansätze lassen sich hier im Forum auch finden, eine basiert, wenn ich mich richtig erinnere, auf einem Kölsch-Glas.

Zur Funktion des zweiten Kontaksatzes kann ich leider keine Angaben machen, aber ich hoffe, es ergeben sich noch entsprechende Hinweise.

Hast du das Holzgehäuse auch schon restauriert? Wie sieht es denn aus? Würde mich zumindest interessieren...

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

petsch
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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von petsch » Do 28. Sep 2017, 12:49

Hallo und herzlich willkommen bei uns im Forum.
Ich freue mich einen Fachmann für Kleinuhren und gleichzeitig auch Großuhreninteressierten hier begrüßen zu dürfen.

Mit Interesse habe ich mir den Blog https://zeitkunstwerk.blogspot.de/ angesehen (allerdings aus Zeitmangel erst nur schnell überflogen) und , obwohl ich mehr Sammler und Händler bin, als Uhrmacher und Theoretiker, etwas sehr interessantes darin für mich gefunden. (Natürlich neben den anderen Berichten)

Im Bericht über die St. Wolfgangskirche ist eine Firma erwähnt, die wohl für ihren Glockenantrieb sehr bekannt geworden ist und diesen sozusagen anscheinend in die ganze Welt geliefert hat. Das waren die "Herforder Elektrizitätswerken Bokelmann & Kuhlo". Und obwohl Herford nur ca 20 km von uns entfernt ist, hatte ich davon noch nie gehört.
Und das, obwohl sie sogar mit einem eigenen Elektrizitätswerk zahlreiche Häuser mit elektrischem Strom versorgten wie ich bei wikipedia über Friedrich Bokelmann gelesen habe.

Da muss also erst jemand aus Glashütte kommen, um mir eine interessante Firma aus der Nachbarschaft vorzustellen ;-)
Und das schöne an unserem Forum ist, dass man über solche "Nebenschauplätze" immer wieder Interessantes erfährt.

Zu der Brillie kann ich nur sagen, vielen Dank für die Vorstellung und die Fotos davon. Wir haben im Forum einige, die sich speziell für elektrische Uhren interessieren und sich damit beschäftigen.

Wofür ein Schaltkontakt sein soll, der alle 12 Sekunden für eine Sekunde schließt, kann ich mir momentan überhaupt nicht vorstellen. Eine Art von Blinklicht, das 5 mal in der Minute aufleuchtet ? Aber wofür sollte das gewesen sein ? Vielleicht hat ja jemand anders noch dazu eine Idee.

Gruß
Peter

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praezis
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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von praezis » Do 28. Sep 2017, 17:03

Hallo,
auch von mir Willkommen im Forum!

Die Batterie im Glas (wie es auch die alten Originale waren) hat uns hier in der Sammlung noch gefehlt :) .

Die Schutzbeschaltung für Kontakte wurde auch schon öfter besprochen. Die Lösung mit Diode hat den Nachteil, dass der Impuls ungebührlich verlängert wird, bis die Energie der Spule endlich abgebaut ist. Der m.E. optimale Kompromiss zwischen Überspannung (max. 20 V) und schnellem Abschalten ist immer noch der gute alte Parallelwiderstand an der Spule (10x R_sp).

Gruß
Frank
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schneiderjens
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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von schneiderjens » Do 28. Sep 2017, 19:40

Zunächst mal danke für den herzlichen Empfang. Über die Brilliés gibt es auch ein Buch von Robert H.A. Miles und Martin Ridout, was aus Katalognachdrucken und Einstellhinweisen besteht. Dort sind leider nur die Standarduhren beschrieben.
Die Sache mit der Diode leuchtet mir nicht ganz ein. Warum soll der Impuls verlängert werden? Die Induktionsspannung, die beim Öffnen der kontakte entsteht, wird ja durch das Zusammenbrechen des Magnetfeldes der Spule erzeugt und ist im Stromfluß dem Betriebsstrom entgegengerichtet. Außerdem ist die Spannung um ein Vielfaches höher, weshalb ja die Sache mit dem Widerstand alleine überhaupt funktioniert. Bei mir war es so, daß sich nur mit einer Diode die Amplitude merklich verringert. Das erscheint mir auch logisch, weil ja die entgegengesetzt gerichtete Selbstinduktionsspannung durch die Diode einen nun entgegengesetzt fließenden Strom verursacht. Daher habe ich dann die Diode mit einem Widerstand in Reihe geschalten. Wenn man nur eine Diode verwendet, kann man sie gegen Zerstörung bei versehentlicher Verpolung der Batterie auch schützen, indem man in die Zuleitung eine zweite Diode in Durchlaßrichtung schaltet. Diese sperrt dann bei Verpolung. Verwendet man eine Diode mit etwas höherem Innenwiderstand, kann man auch die zu hohen Batteriespannungen unserer heutigen Elemente etwas kompensieren.
Wegen dem Kontakt hatte ich mir schon gedacht, man müßte mal jemanden aus dem Telefonwesen fragen. Die hatten so verrückte Taktzeiten. Ich habe eine kleine Uhr von Zenith mit Steckkontakten, die wahrscheinlich in den vermittlungszentralen mit eingestöpselt wurden. Diese läuft nur 12 Minuten (durften die früher nicht länger quasseln?) und schließt alle drei Minuten einen Kontakt.
Die Gehäuse gab es in Eiche, Walnuß oder Mahagoni, später gab es auch Metallgehäuse und eines aus Glas mit Messingprofilen. Ich habe bei Euch in einem Beitrag gelesen, daß die Gehäuse nur gewachst waren. Meines war mit Bootslack ganz dick überpinselt. Ich habe es zerlegt, mit Natronlauge abgelaugt, geschliffen und mit Schellack behandelt (nur matt gerieben, nicht poliert) Damals wußte ich das noch nicht. Danach habe ich es dann noch zusätzlich gewachst. Für Holzarbeiten kann man sich bei Dictum vieles bestellen.

Was die Läutemaschinen betrifft, so ist es wirklich sehr schade, daß sie heute nicht mehr betrieben werden dürfen. Das hatte man mir zumindest erklärt, als die Kirche saniert wurde. Ich durfte sie noch einmal in Aktion erleben, sogar mit abgeschraubtem Deckel. Ich bezweifle aber, daß in der Praxis die Elektronik sicherer ist als diese solide Mechanik. Leider weiß ich nicht, ob eine erhalten geblieben ist.

Gruß Jens
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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von schneiderjens » Do 28. Sep 2017, 19:50

An Barney: vielen Dank für den Tipp mit der Schaltdiode. Da der Selbstinduktionsimpuls sehr schnell kommt, ist das bestimmt besser. In Elektronik habe ich nur Grundwissen, ich weiß gerade mal, daß es verschiedene Innenwiderstände und Sperrspannungen gibt.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie man mit einem konstanten Impuls Glocken anregen kann, es sei denn, eine feststehende Glocke mit einem Hammer wie beim Schlagwerk anzuschlagen. In der Regel schwingen die Glocken jedoch und werden von Läutemaschinen gesteuert. Peter hatte hier schon auf meinen Beitrag im Blog verwiesen. Die Glocke schwingt und betätigt die Läutemaschine, die dann im Takt den Motor für die Anregung der Glocke umschaltet. Vielleicht aber Signalglocken, für die Seefahrt etwa? Ich kann leider auch nur vermuten.

Gruß Jens

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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von Barney Green » Do 28. Sep 2017, 20:52

Hallo Jens,

ich dachte eher, dass die Impulse von einem "Programmierwerk" ausgewertet wurden, also keinesfalls für den Direktantrieb gedacht sein könnten. Ich kenne noch die Uhren aus der Kirchevon vor 30 Jahren, da saß tatsächlich ein programmierbarer Kasten neben der Uhr. Aber das kann auch ganz anders funkioniert haben, war nur so ein Gedanke.

Ich meine, dass der Feueralarm bei Sirenen im 12-Sekunden-Takt heult. Vielleicht auch eine Sirenensteuerung?

Und mach Dir bei den Dioden nichts draus, Du weißt damit bereits mehr als 99% Deiner Mitmenschen... :-)

Beste Grüße
Barney

petsch
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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von petsch » Fr 29. Sep 2017, 10:37

Ich hatte schon an einen Leuchtturm gedacht, aber ich glaube die leuchten schneller wieder auf als nach 12 Sekunden.

Gruß
Peter

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Re: Brillié-Halbsekunden-Pendeluhr

Beitrag von praezis » Fr 29. Sep 2017, 12:00

Nochmal zum Kontaktschutz:
Die abzubauende Energie des Magnetfelds entspricht der Fläche unter dem Überspannungsimpuls (U - t Diagramm). Sehr hohe Spannung x kurze Dauer oder 0,7 V durch Diode begrenzt x lange Dauer. Du kannst nur wählen, wo Du in diesem Bereich liegen willst. Der Strom dreht sich übrigens nicht um, sondern fließt in gleicher Höhe weiter wie kurz vor dem Abschalten.

Gruß
Frank
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