

Die Nummer ist recht niedrig, 57990. Also stammt die Uhr von 1926. Leider habe ich das Modell in den Katalogen nicht gefunden, allerdings sind bei horologix.com zwei Uhren dieses Modells vorhanden.
Innerhalb der Uhr war eine nicht passende Zelle aus einer Brillie-Uhr. Daran konnte man sehen, dass die Uhr wohl in den 30ger Jahren das letzte Mal lief. Verpackt wurde sie dann in den 70ger Jahren, was man an einem Stück Zeitung sehen konnte. Beides gehört zur Geschichte der Uhr und wird aufgehoben. Die Zelle wurde durch einen passenden Behälter ersetzt, darin eine Baby-Zelle
Die Uhren stehen immer auf 3 Füßen, obwohl sie so aussehen, als hätten sie deren vier. Die hinteren Füße sind Dummys, sie stehen in der Luft. Der hintere Fuß ist verstellbar, so dass die Uhr auch auf schiefen Untergründen laufen kann. In diesem Fall hat irgendjemand in die Bohrung des ursprünglichen Fußes eine Spax-Schraube gedreht. Eine mehr als hässliche Notlösung. Daher wurde nach altem Muster eine Rändelschraube angefertigt, so dass die Uhr wieder „schön“ stehen kann.

Der neue Fuß

Am Uhrwerk ist so einiges gebastelt worden. Das Übelste war die Pendelaufhängung. Wie man am nächsten Bild sehen kann, hat irgendjemand versucht, die ursprüngliche Pendel“feder“ durch ein Stück Schnur zu ersetzen. Bei den Bulle-Clocks besteht die Pendelaufhängung aus einer Art Pendelfeder, bei der das Federblech durch ein Stück Textilband ersetzt wurde. In diesem Fall ist leider auch die Befestigung komplett verloren gegangen, so dass ich bei horologix.com neben anderen Teilen auch eine komplette Aufhängung bestellen musste. Im Fall, dass die Pendelaufhängung nur zerrissen ist, kann man das Band durch ein Stück Textilband ersetzen. Ich verwende dazu immer Leukosilk, ein Textilpflaster aus Kunstseide, bei dem der Klebstoff entfernt wurde. Es hat sich über Jahre bewährt und ist stabiler als die Naturseide. Auch soll sich Stoßband aus der Schneiderei bewährt haben. Das verwendet man dazu, bei Stoffhosen den unteren Umschlag verschleißfester zu gestalten.

Hier kann man auch die Fragmente eines Stücks Draht erkennen. Er sollte das Pendel elektrisch mit dem Werkgestell verbinden. Spätere Uhren haben zu diesem Zweck eine Weckerspirale als Stromleitspirale eingesetzt.
Außerdem war die Stromleitfeder am Anker – ursprünglich aus Silberdraht – durch eine unpassende und viel zu starke Stahldrahtfeder ersetzt. Das wurde rückgängig gemacht. Das Kunststoff-Zuleitungskabel wurde durch textilummanteltes Kabel ersetzt, auch bekam das Gehäuse ein passendes Schild des französischen Herstellers.
Die Reparatur selbst war meistenteils Routine: Alles musste poliert werden, das stark verblasste und ursprünglich grüne Textilband an der Pendelspule, welches grünen, seidenumsponnenen Spulendraht imitieren sollte, musste ersetzt werden. Nachdem alles eingestellt und gereinigt und ein Zapfen für die Lagerung der Isochronismusfeder ersetzt war, konnte die Uhr einreguliert werden. Dabei umfasst die Reguliermutter bei diesen großen Bulle-Clocks nur einen Bereich von ungefähr + - 2 Minuten. Dadurch kann man natürlich die Uhr sehr feinfühlig regulieren, andererseits muss man die Uhr ohne Pendelmutter in den Regulierbereich bekommen. Dazu gehört, dass man schon beim Zerlegen des Pendels (alles musste poliert werden, s. o.) notiert, wie weit welche Gewinde eingedreht und dann gekontert sind. Nur so kann man die Uhren einigermaßen einstellen, ohne alles mehrfach zerlegen zu müssen, um die Pendellänge anzupassen. Außerdem kann man mit der Spannung der Isochronismusfeder die Uhr grob vorregulieren. Häufig wird das nicht beachtet, und so sieht man viele verbastelte Uhren mit angehängten Gewichten oder ausgedrehten Pendelmuttern. Gut, dass das hier nicht passiert war!

Abschließend ist die Uhr wieder zu einem Schmuckstück geworden, in dem auch ordentlich Bewegung ist. Durch das große Zentralloch im Zifferblatt kann man die Funktion des Uhrwerks hervorragend betrachten. Diese Uhren laufen erfahrungsgemäß recht genau und mehrere Jahre bis zum nächsten Wechsel der Babyzelle, die diese Uhr antreibt.


Frank