Schnapsuhr mit Schuss
Schnapsuhr mit Schuss
Vor einiger Zeit konnte ich einen interessanten Fisch aus der Bucht angeln:
Die hier vorgestellte Uhr unterscheidet sich sowohl im Werksaufbau wie auch in der Ausführung des Antriebs von dem bekannteren quadratischen Werk: Die komplette Räderkette vom Antriebsrotor über die Pufferfeder bis zum Hemmrad des (voll “durchgesteinten”) Echappements ist längs einer Linie zwischen langgestreckten Platinen (B x H = 70 mm x 230 mm) angeordnet. Der Antriebsrotor ist mit einem Durchmesser von 60 mm recht klein geraten und sitzt auf der Zeigerseite hinter besagtem Sichtfenster.
Um trotz der kleinen Abmessunge ein ordentliche Drehmoment zu generieren, sind die Glasampullen zusätzlich zum Alkohol mit einer Portion Quecksilber gefüllt, das zusammen mit dem Alkohol durch den bei der Erwärmung mittels Kohleschichtwiderstand entstehenden Dampfdruck in den jeweils höher liegenden Glaskolben gedrückt wird.
Unterdruck (in den Glaskolben) und Siedeverhalten der Akoholfüllung sind so gut aufeinander abgestimmt, dass die Handwärme schon ausreicht, um die Förderung von Alk und Quecksilber in Gang zu setzen. Wie bei den früher als Spielzeug auf Jahrmärkten verkauften “Pulshämmern” (auch “Liebesbarometer” genannt) ja auch, die Karl Jauch als Vorbild und Namensgeber für seinen unorthodoxen Antrieb dienten. Eine Schnapsuhr mit “Schuss” sozusagen.
Ein weiteres interessantes Detail diese Werks besteht darin, dass als Aufzugsbegrenzung bei voll aufgezogener Spiralfeder nicht etwa der Uhr der Strom abgedreht wird, sondern über eine Nutmutter auf der Federhausachse und ein Hebelwerk ein spitzer Stift gegen das Aufzugsrad gedrückt wird und dieses stoppt! Bei dieser Gelegenheit will ich auch noch mit dem im Wikipedia-Beitrag kolportierten Gerücht aufräumen, der Stromverbrauch der Puja-Uhren bewege sich auf dem Niveau eines Kühlschrankes: Der Heizwiderstand weist eine nämlichen von 25 000 Ohm auf (im kalten Zustand gemessen, im Betrieb wird das wg. des negativen Temperaturkoeffizienten von Graphit eher etwas weniger sein). Gleichnamiges Gesetz führt bei einer effektiven Spannung von 230 V zu einem Stromfluss von 0.0092 A bzw. zu einem Dauerverbrauch von 2.1 W, vielleicht sind’s auch 3 W bei warmem Widerstand. Im Jahr also rund 20 kWh oder, bei 25 Cent je kWh, 5 €.
Und trotzdem habe ich nach der Revision keine Stecker mehr an die Uhr geschraubt.
Wer kann sich denken, weshalb?
Stefan
Ihr werdet schon vermuten, dass nicht nur das anmutige Äussere, diese Mischung aus Gelsenkirchener Barock und Schwarzwälder Rosenmalerei, Anlass meines Interesses war sondern dass ich auch die inneren Werte im Blicke hatte, die sich (für den Eingeweihten) im kleinen Schaufenster unter dem Zifferblatt offenbarten, hinter dem (Aussage des Verkäufers) ein “Quecksilber-Drehpendel” hervorblinkte:
Nun wurde das von Karl Jauch erfundene (oder zumindest von ihm zum Patent angemeldete) Prinzip des elektrischen Aufzugs nach dem “Pulshammerprinzip” hier im Forum schon ausführlich vorgestellt, auch bei Wikipedia findet sich ein Eintrag zur “Alkoholuhr”. Das dort und auch in einigen weiteren Beiträgen im Internet abgebildete Werk, wahlweise mit Echappement oder Pendel ausgestatten, kannte ich schon aus eigener Anschauung, konnte ich doch vor einiger Zeit eine “Schwarzwälder Lackschilduhr” von Puja erwerben. Die hier vorgestellte Uhr unterscheidet sich sowohl im Werksaufbau wie auch in der Ausführung des Antriebs von dem bekannteren quadratischen Werk: Die komplette Räderkette vom Antriebsrotor über die Pufferfeder bis zum Hemmrad des (voll “durchgesteinten”) Echappements ist längs einer Linie zwischen langgestreckten Platinen (B x H = 70 mm x 230 mm) angeordnet. Der Antriebsrotor ist mit einem Durchmesser von 60 mm recht klein geraten und sitzt auf der Zeigerseite hinter besagtem Sichtfenster.
Um trotz der kleinen Abmessunge ein ordentliche Drehmoment zu generieren, sind die Glasampullen zusätzlich zum Alkohol mit einer Portion Quecksilber gefüllt, das zusammen mit dem Alkohol durch den bei der Erwärmung mittels Kohleschichtwiderstand entstehenden Dampfdruck in den jeweils höher liegenden Glaskolben gedrückt wird.
Unterdruck (in den Glaskolben) und Siedeverhalten der Akoholfüllung sind so gut aufeinander abgestimmt, dass die Handwärme schon ausreicht, um die Förderung von Alk und Quecksilber in Gang zu setzen. Wie bei den früher als Spielzeug auf Jahrmärkten verkauften “Pulshämmern” (auch “Liebesbarometer” genannt) ja auch, die Karl Jauch als Vorbild und Namensgeber für seinen unorthodoxen Antrieb dienten. Eine Schnapsuhr mit “Schuss” sozusagen.
Ein weiteres interessantes Detail diese Werks besteht darin, dass als Aufzugsbegrenzung bei voll aufgezogener Spiralfeder nicht etwa der Uhr der Strom abgedreht wird, sondern über eine Nutmutter auf der Federhausachse und ein Hebelwerk ein spitzer Stift gegen das Aufzugsrad gedrückt wird und dieses stoppt! Bei dieser Gelegenheit will ich auch noch mit dem im Wikipedia-Beitrag kolportierten Gerücht aufräumen, der Stromverbrauch der Puja-Uhren bewege sich auf dem Niveau eines Kühlschrankes: Der Heizwiderstand weist eine nämlichen von 25 000 Ohm auf (im kalten Zustand gemessen, im Betrieb wird das wg. des negativen Temperaturkoeffizienten von Graphit eher etwas weniger sein). Gleichnamiges Gesetz führt bei einer effektiven Spannung von 230 V zu einem Stromfluss von 0.0092 A bzw. zu einem Dauerverbrauch von 2.1 W, vielleicht sind’s auch 3 W bei warmem Widerstand. Im Jahr also rund 20 kWh oder, bei 25 Cent je kWh, 5 €.
Und trotzdem habe ich nach der Revision keine Stecker mehr an die Uhr geschraubt.
Wer kann sich denken, weshalb?
Stefan
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Re: Schnapsuhr mit Schuss
wow, Glückwunsch zu diesem Fund.
Gruß
Peter
Gruß
Peter
Re: Schnapsuhr mit Schuss
Angst, daß die Uhr anbrennt?s.hartig hat geschrieben: Und trotzdem habe ich nach der Revision keine Stecker mehr an die Uhr geschraubt.
Wer kann sich denken, weshalb?
Stefan
Gruß
Micha
Micha
Re: Schnapsuhr mit Schuss
Hallo Stefan,
diese Puja-Werkform mit dem Alkohol-Quecksilbergemisch war mir bisher nicht bekannt. Interessant!
Ich denke Du fürchtest bei Überhitzung den Bruch eines Kolbens (Quecksilber),deshalb machst Du keinen Stecker mehr dran.
droba
diese Puja-Werkform mit dem Alkohol-Quecksilbergemisch war mir bisher nicht bekannt. Interessant!
Ich denke Du fürchtest bei Überhitzung den Bruch eines Kolbens (Quecksilber),deshalb machst Du keinen Stecker mehr dran.
droba
Re: Schnapsuhr mit Schuss
Ihr habt beide Recht, denn das ist schon eine recht "leichte" Installation, ohne solchen modernen Schnick-Schnack wie Schutzleiter oder Feinsicherung. Außerdem habe ich schon eine Uhr (laufen).
Wobei hier unter dem Heizwiderstand nicht die vom andern Werkstyp bekannte Kunststoff-Auffangwanne (vielleicht ja auch ein Berührschutz?) montiert ist oder war. Dabei wäre es doch äußerst elegant, im Falle eines Glasbruches mit dem Alkohol auch gleich das Quecksilber thermisch zu entsorgen.
Allerdings wird der Widerstand nicht besonders heiß, ist ja nicht isoliert und verbrät nur 3 W.
Interessant jedenfalls, auch welche Ideen diese Schwarzwälder so kamen.
Grüße aus demselben
Stefan
Wobei hier unter dem Heizwiderstand nicht die vom andern Werkstyp bekannte Kunststoff-Auffangwanne (vielleicht ja auch ein Berührschutz?) montiert ist oder war. Dabei wäre es doch äußerst elegant, im Falle eines Glasbruches mit dem Alkohol auch gleich das Quecksilber thermisch zu entsorgen.
Allerdings wird der Widerstand nicht besonders heiß, ist ja nicht isoliert und verbrät nur 3 W.
Interessant jedenfalls, auch welche Ideen diese Schwarzwälder so kamen.
Grüße aus demselben
Stefan
Re: Schnapsuhr mit Schuss
Hallo Stefan,
eine super Uhr, das macht mich direkt neidisch.
Die Uhr mit Alkohol und Quecksilber wurde seinerzeit in einem lesenswerten Artikel von David Read in der Zeitschrift Antiquarian Horology erwähnt. Aber dass man das Antriebsprinzip so schön präsentiert wie in Deiner Uhr, hat mich doch überrascht.
Gruß
Hartmut
David Read: Pneumatic Clocks
In: Antiquarian Horology, Volume 28 No. 6, Seite 754ff
eine super Uhr, das macht mich direkt neidisch.
Die Uhr mit Alkohol und Quecksilber wurde seinerzeit in einem lesenswerten Artikel von David Read in der Zeitschrift Antiquarian Horology erwähnt. Aber dass man das Antriebsprinzip so schön präsentiert wie in Deiner Uhr, hat mich doch überrascht.
Gruß
Hartmut
David Read: Pneumatic Clocks
In: Antiquarian Horology, Volume 28 No. 6, Seite 754ff
Re: Schnapsuhr mit Schuss
Eine tolle Uhr, die Du wirklich nett präsentiert hast. Da kommt Neid auf, zumal das Gehäuse ja auch wirklich noch gut erhalten ist.
Frank
Frank
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- Moderator
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- Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02
Re: Schnapsuhr mit Schuss
Hallo Stefan,
vielen Dank für den sehr interessanten Bericht zu dieser außergewöhnlichen Uhr!
Auch wenn die Uhr aus wohl guten Gründen nicht dauerhaft in Betrieb ist: Glückwunsch zu diesem tollen Stück!
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
vielen Dank für den sehr interessanten Bericht zu dieser außergewöhnlichen Uhr!
Auch wenn die Uhr aus wohl guten Gründen nicht dauerhaft in Betrieb ist: Glückwunsch zu diesem tollen Stück!
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
Re: Schnapsuhr mit Schuss
Vielen Dank für die Blumen.
Auch ich kam ja an diesem außergewöhnlichen Beispiel für Schwarzwälder Tüftlerei und Hartnäckigkeit - wenn nicht gar Tollkühnheit - bei der Umsetzung auch recht unorthodoxer Ideen in ein Serienprodukt nicht vorbei, obwohl mein übliches Beuteschema eher bei den individuell und handwerklich gefertigten Uhren des 18. und 19. Jahrhunderts liegt (auch da am liebsten technisch ein wenig abseits des Mainstream).
Jedenfalls lese ich immer gerne die Beiträge der Elektrofraktion, insbesondere über frühe oder unkonventionelle Konstruktionen.
Stefan
Auch ich kam ja an diesem außergewöhnlichen Beispiel für Schwarzwälder Tüftlerei und Hartnäckigkeit - wenn nicht gar Tollkühnheit - bei der Umsetzung auch recht unorthodoxer Ideen in ein Serienprodukt nicht vorbei, obwohl mein übliches Beuteschema eher bei den individuell und handwerklich gefertigten Uhren des 18. und 19. Jahrhunderts liegt (auch da am liebsten technisch ein wenig abseits des Mainstream).
Jedenfalls lese ich immer gerne die Beiträge der Elektrofraktion, insbesondere über frühe oder unkonventionelle Konstruktionen.
Stefan