Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 1900)

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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KleineSekunde
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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von KleineSekunde » Mo 11. Jun 2012, 22:54

Hallo Frank,

vielen Dank für diesen hervorragenden Bericht! Es macht wirklich Spaß, die einzelnen Schritte zur Restaurierung zu verfolgen, um dann auch die beeindruckenden Resultate zu sehen!

Ein paar Fragen hätte ich da noch:

Vermutlich erfolgt die Feineinstellung der Kontakte über das herein- bzw. herausschrauben der Kontakte V1 bzw. V2 (grün markiert). Oder erfolgt dies eher durch ein "Verdrehen" der Kontakte (rot markiert)?
Kontakte.jpg
Wie sieht es mit dem Verschleiß der Kontakte aus? Lassen sich die Kontaktfedern in den oberen Lagerböcken vertikal verschieben, um so "frische", nicht verschlissene Bereiche der Kontaktbereiche wirksam werden zu lassen?

Eine weitere Einstellmöglichkeit wird wohl durch die vertikale Justierung des "Abtasters" (blauer Kreis) gegeben sein.

Den "Sekundenzeiger" hatte ich zunächst komplett übersehen: Ein sehr interessantes Detail, welches leider - fast immer - verborgen bleibt!

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von Typ1-2-3 » Di 12. Jun 2012, 19:14

Karlo hatte schon Recht, an sich ist das wie ein früher, sehr komplizierter Klappanker. Funktioniert aber tadellos, wenn alles richtig eingestellt ist. Weil Ein- und Ausschaltpunkt getrennt sind, braucht die Spule noch nicht einmal einen Funkenlöschwiderstand, alles funktioniert ohne und soll das offensichtlich Jahre lang tun.

Guido hat Recht, wenn er sagt, dass der Kontaktabstand durch Herein- und Herausschrauben der Kontakte eingestellt wird. Wenn das nur alles wäre! Es lassen sich viele Dinge unabhängig voneinander einstellen, und man muss sich da erst einmal hereindenken, bis alles tadellos funktioniert:

1. Kontaktabstand, wie von Giudo vermutet. Übrigens sind das jeweils 3 parallele Kontakte, denn die Feder läuft in 3 kleine Federn aus, die in sich elastisch sind und jede für sich mit dem Kontakt unabhängig arbeiten. So wird die Lebensdauer der Kontakte vergrößert. Jedenfalls steht es so im Patent.

2. Der Kontaktdruck kann verändert werden, indem man den Fuß, an dem die Kontaktfedern befestigt sind, verdrehen kann. Ist eine eigene Einrichtung, mit Klemmschraube usw. !

3. In der Mitte der Kontaktfedern gibt es jeweils eine mechanische, isolierte Verbindung zu den beiden Klinkenhebeln. Diese Verbindungen lassen sich verschieben in Langlöchern. Also auch einstellen.

4. Die Rastklinke c1 ist auf einem einstellbaren Excenter angebracht.

5. Die Antriebsfeder lässt sich in seiner Zugkraft einstellen durch eine Schraube.

6. Zu guter Letzt ist bei meiner Uhr noch eine Schraube am Ankerhebel angebracht, die verhindert, dass Hebelarm C zu weit nach unten kommt, wenn die Batterie leer ist. Dann nämlich würde der Luftspalt im Elektromagnet so groß werden, dass die Uhr mit einer neuen Batterie nicht automatisch aufziehen könnte.

Und wenn das alles stimmt, läuft die Uhr!!! Da braucht man schon mal einige Minuten, um das alles zu durchschauen.

Frank

KleineSekunde
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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von KleineSekunde » Di 12. Jun 2012, 23:18

Typ1-2-3 hat geschrieben:....
Guido hat Recht, wenn er sagt, dass der Kontaktabstand durch Herein- und Herausschrauben der Kontakte eingestellt wird. Wenn das nur alles wäre! Es lassen sich viele Dinge unabhängig voneinander einstellen, und man muss sich da erst einmal hereindenken, bis alles tadellos funktioniert:

1. Kontaktabstand, wie von Guido vermutet. Übrigens sind das jeweils 3 parallele Kontakte, denn die Feder läuft in 3 kleine Federn aus, die in sich elastisch sind und jede für sich mit dem Kontakt unabhängig arbeiten. So wird die Lebensdauer der Kontakte vergrößert. Jedenfalls steht es so im Patent.
Ein sehr interessantes Detail. Eventuell werden so mögliche "Winkelfehler" (also Abweichungen durch mangelnde Parallelität der Kontakte zueinander) besser kompensiert, wenn drei Kontaktzungen - recht unabhängig voneinander - am Gegenkontakt anliegen. Bei einer durchgängigen Kontaktzunge würde sonst eher eine Kante verschleißen. Ob es in der Summe Vorteile beim Verschleiß gibt?? Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass die geteilte Kontaktzunge Vorteile bei der sicheren Kontaktierung aufweisen könnte.

2. Der Kontaktdruck kann verändert werden, indem man den Fuß, an dem die Kontaktfedern befestigt sind, verdrehen kann. Ist eine eigene Einrichtung, mit Klemmschraube usw. !

3. In der Mitte der Kontaktfedern gibt es jeweils eine mechanische, isolierte Verbindung zu den beiden Klinkenhebeln. Diese Verbindungen lassen sich verschieben in Langlöchern. Also auch einstellen.

4. Die Rastklinke c1 ist auf einem einstellbaren Excenter angebracht.

5. Die Antriebsfeder lässt sich in seiner Zugkraft einstellen durch eine Schraube.

6. Zu guter Letzt ist bei meiner Uhr noch eine Schraube am Ankerhebel angebracht, die verhindert, dass Hebelarm C zu weit nach unten kommt, wenn die Batterie leer ist. Dann nämlich würde der Luftspalt im Elektromagnet so groß werden, dass die Uhr mit einer neuen Batterie nicht automatisch aufziehen könnte.

Nun, aufgrund der Fotos und den Skizzen hatte ich bereits vermutet, dass es verschiedene Einstellmöglichkeiten gibt. Technisch natürlich sehr gut gelöst, bei einer eventuell nötigen, kompletten neuen Einstellung aber dann doch "fummelig"...

Und wenn das alles stimmt, läuft die Uhr!!! Da braucht man schon mal einige Minuten, um das alles zu durchschauen. Das glaube ich gerne, aber das Resultat, also die funktionierende Uhr, entschädigt dann ja hoffentlich für die Mühen. Viel Spaß also mit dieser hervorragend aufgearbeiteten und restaurierten Uhr!
Frank
Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von Typ1-2-3 » Mi 13. Jun 2012, 19:42

Weil oben einige Fragen zu den Kontakten kamen, und auch weil ich eine Kontaktfeder neu anfertigen musste, zeige ich das hier. Man kann es sich dann besser vorstellen.

Die Kontaktfeder wird - wie das alte Muster - aus einem Federblech von 0,24mm Stärke gemacht. Also dem Teil einer Zugfeder, bevorzugend natürlich von einem alten Rest. Leider hatte ich nur eine Feder von 7mm Breite am Lager, also musste ich ein kleines Federstück von ca 7cm Länge auf 5,5mm Breite herunterfeilen. Auch das Lochbohren mit einem Diamantfräser ist keine Kunst. Am schwierigsten ist das Einsägen des Federendes, um 3 unabhängige Kontakte zu bekommen. Das ging ganz gut mit dem Kreissägeaufsatz der Drehbank, in den dann aber keine Metall-Kreissäge eingespannt wurde, sondern eine Diamantscheibe. Das sah dann so aus:

Bild

Mit Hilfe dieses kleinen Werkzeuges werden die Einschnitte schön gleichmäßig. Die Tiefe der Schnitte habe ich vorher mit einem wasserfesten Filzstift ungefähr nach dem alten Muster festgelegt.

Bild

Die fertige Feder sieht dann so aus, im Vergleich mit dem Altteil. Das Altteil wurde in der Mitte gelötet - hässlich mit Zinn. Und auch das Langloch sieht eher ausgebissen aus. Beim Neuteil sind die Silber-Kontakte mit Lötzinn angelötet, beim Altteil sind sie genietet. Ich wollte aber nicht unbedingt die schmalen Zungen durch eine Bohrung weiter schwächen. Eine war schon an dieser Stelle abgebrochen und durch ein Messingteil ersetzt worden, was natürlich kein gutes Kontaktmaterial ist. Mit der neuen Feder sollte die Uhr wieder mehrere Jahrzehnte laufen.

Frank

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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von Berrnd-Klaus » Do 14. Jun 2012, 10:18

Hallo,

schöne Berichte und gute Arbeit,super.

Gruß Bernd-Klaus

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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von KleineSekunde » Do 14. Jun 2012, 22:10

Hallo Frank,

es ist wirklich schön, dass du hier weitere Detail-Informationen zur Anfertigung der Kontakte einstellst!

Für die Anfertigung hast du Reste einer Zugfeder verwendet. Diese sind ja zunächst rund. Auf den Fotos sieht man allerdings eine absolut ebene Kontaktfeder. Wie wird also der Rest der Zugfeder so ebenmäßig? Nach einem "Ausglühen" lässt sich der Federstahl wohl mechanisch gut bearbeiten (zum Beispiel für das Langloch und das Sägen der Einschnitte), aber dann wäre der Einsatz von Diamant-Werkzeugen ja nicht mehr nötig gewesen. Auch wäre dann die Federwirkung verloren.

Ich gehe also davon aus, dass der Federstahl nicht ausgeglüht wurde, um seine federnden Eigenschaften für die Kontaktzunge zu behalten.

Biegst du den Federstahl also "gefühlvoll" entgegen seiner ursprünglichen Biegung, um so eine ebene Form zu erhalten?

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von Typ1-2-3 » Fr 15. Jun 2012, 08:56

Genau so: Gefühlvoll, wie Du sagst. Ich richte ein längeres Stück gerade und kann mir ja das beste Teil aussuchen. Das wird dann weiter bearbeitet. Das Richten mache ich mit den Fingern, denn nur so bekommt man Stücke ohne Knick. Ist ein Knick drinnen, muss das Teil ausgesondert werden, denn dort ist das Gefüge so weit zerstört, dass die Arbeit nicht lohnt.

Die Bearbeitung erfolgt im harten Zustand, denn solch gleichmäßige Vergütung wie im Herstellerwerk ist kaum möglich. Daher auch die Diamantwerkzeuge.

Die Uhr ist jetzt mehr oder weniger fertig. Es fehlt noch eine Schutzkappe aus Alu über dem Werk, die ich erst noch anfertigen muss. Außerdem noch 2 Flag-Cells. Momentan läuft die Uhr einfach mit 2 Monozellen auf 3 Volt, hängt an der Wand und ist nett anzuschauen. Bild gleich, Schutzkappe braucht noch einige Zeit.

Frank

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Re: Restaurationsbeschreibung sehr frühe Elektrouhr (ca. 190

Beitrag von Typ1-2-3 » Sa 16. Jun 2012, 17:42

Nur noch mal ein Bildchen der Uhr. Sieht nicht sehr spektakulär aus, ist aber nett und hängt und läuft.

Bild

Frank

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