Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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Typ1-2-3
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Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 » Do 1. Dez 2011, 20:04

Natürlich eine Elektrouhr, aber eine, die man nicht so jeden Tag auf dem Tisch hat. Daher möchte ich die technischen Besonderheiten dieser Uhr vorstellen, chronologisch, wie man die Uhr zerlegt und repariert.

Der Fundzustand:

Bild

Leider ist die Glasglocke kaputt. Mittlerweile durch eine bessere ersetzt. Dazu später aber mehr.

Von der Seite sieht die Sache recht spektakulär aus, mit der riesigen Unruh. Diese dominiert die Uhr total:

Bild

Die Funktion dieser Uhr ist an sich ganz einfach, aber batteriemordend (immerhin kommt das Patent von 1906): Bei jeder kompletten Schwingung wird ein Kontakt geschlossen - später dazu mehr - und die Spule mit Strom versorgt. Spannung 1,5V. Die Spirale schließt den Stromkreis. Wenn der geschlossen ist, wird der Weicheisenstab in der Spule magnetisiert und von einem Blechteil angezogen, welches sich unter der Unruh befindet. Kurz bevor die Unruh am Totpunkt ist, wird der Kontakt geöffnet, und die Schwingung geht mit ordentlich Schwung weiter. Der magnetische Schluss dieses Antriebes ist eher mangelhaft konstruiert, daher der hohe Stromverbrauch. Wenn man das aber verbessert hätte, wäre das Dekorative dieser Uhr verloren gewesen.

Die Unruh wiegt ca. 350g!, ist temperaturkompensiert, und die Spirale könnte auch eine Zugfeder einer Taschenuhr sein. Die Spule hat nur 20 Ohm, das sieht man an dem dicken Draht. Der Kontaktfunken ist auch nicht ohne, denn der Kontakt hat ordentlich gelitten und ist auch eine Schwachstelle dieser Konstruktion.

Von der Seite sieht die Unruh auch ordentlich massiv aus:

Bild

Insgesamt wirkt die Uhr wie aus dem Vollen geschnitzt, dabei sind enorm viele Teile gegossen - mit allen Lunkern, die sich dann bilden. Das gilt auch für den Sockel.
In dem versteckt sich die Batterie, eine Flag-Cell. Da ist ordentlich gebastelt worden, denn es befand sich ein Wasserrohr da drinnen, was vermuten lässt, dass die Uhr längere Zeit mit 2 Monozellen in Reihe, also 3 V gelaufen ist. Das hat dem Kontakt den Rest gegeben. Die Spule war aber noch in Ordnung.

Bild

Das ganze Gelumpe fliegt natürlich raus.
Hier kann man schon die neue Glasglocke sehen. Sie ist etwas breit. Vielleicht hat ja jemand eine bessere. Sie ist aber ziemlich klein, nur 160mm breit und 115mm tief.

Die Batteriehalterung wurde verlängert, um Platz für 2 Monozellen in Reihe zu schaffen. Die Kupferbleche - stümperhaft festgelötet - flogen auch raus. Die Batteriehalterung darunter war aber noch in Ordnung.

Bild

Der Kontakt hatte ordentlich gelitten. Er sollte an sich bündig mit der Oberseite der Kontaktfeder abschließen, aber da fehlen locker 1 bis 2 mm!

Bild

Besser kann man es an der ausgebauten Kontaktfeder sehen:

Bild

Wie groß die Unruh ist, kann man im Vergleich mit dem daneben gelegten Messschieber sehen:

Bild

Die Spirale hat eine Breite von 2,5mm und eine Stärke von 0,34mm. Da kann eine Taschenuhr schon einen ganzen Tag mit laufen!

Damit solch eine schwere Unruh ohne übermäßige Reibung und Verschleiß laufen kann, muss sie "natürlich" kugelgelagert sein. Nun darf man sich die Sache nicht allzu modern vorstellen! Das Lager besteht aus einem gehärteten Lagerring, 2 Kugeln, 2 Stiften zur Führung der Kugeln, einem Deckplättchen. Damit die Sache dann schön dekorativ wirkt, kommt als Abschluss ein Glasplättchen drauf, eine Dichtung und ein Schraubring. Da ist dann auch Bewegung drinnen, und die kann man sehen. Die Lagerkugeln wackeln immer schön in Takt der Unruh hin und her.

Bild

Man kann an dem Glasplättchen sehen, dass das Öl schon ein paar Tage da drinnen ist.

Demnächst geht es weiter.

Frank

KleineSekunde
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von KleineSekunde » Do 1. Dez 2011, 23:15

Hallo Frank,

wieder mal ein sehr interessanter Bericht zu den elektrischen Uhren von Dir. Vielen Dank! Auf die Fortsetzung bin ich schon gespannt...

Du schreibst, dass der Kontakt stark gelitten hat und eigentlich bündig mit der Oberseite der Kontaktfeder abschließen sollte, also vermutlich so, wie auf der folgenden Darstellung mit der roten, waagerechten Linie gezeigt (ich war mal so frei, dein Foto zu bearbeiten):
Kontaktfeder.jpg
Ich hatte es so zunächst so verstanden, als ob der Kontakt geschlossen wird, wenn der grün markierte Kontakt auf den Gegenpol, markiert mit der roten 2, trifft. Vermutlich findet der Kontaktschluß für die Spule an der Unruh aber durch Kontakt des grün markierten Bereiches mit der exzentrisch angeordneten Walze, markiert mit der roten 1, statt.

Falls der Kontakt geschlossen wird, wenn der grün markierte Bereich auf den mit der roten 2 markierten Gegenpol trifft, würde ich den Verschleiß durch Abbrand also eher in horizontaler Richtung vermuten - und somit nicht in vertikaler Richtung, so wie beschrieben. Kann also eigentlich nicht der Fall sein.

Falls der mit der rot markierten 2 beschriebene Stift aber eher eine Art "Mitnehmer" für den grün markierten Kontakt ist, der dann im Takt der Schwingung der Unruh bewegt wird, und die Kontaktierung dann über die "Walze" (markiert mit der roten 1) erfolgt, würde ich den aufgetretenen Verschleiß verstehen.

In dem Fall hätte die Uhr aber doch schon seit langer Zeit nicht mehr funktionieren sollen, weil eben keine zuverlässige Kontaktierung mehr erfolgt. Oder erfolgt dann eine zunächst noch (sehr mangelhafte) Kontaktierung durch "Funkenbildung" aufgrund der eventuell verdoppelten Spannung, verbunden dann mit einen sehr starken Verscheiß, bis dann endgültig gar nichts mehr ging?

Besten Dank!

Schöne Grüße

Guido
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karlo

Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von karlo » Fr 2. Dez 2011, 05:44

Geselle zum Meister:
Ich bin krank, mir ist ne Unruh auf den Fuss gefallen :-)

Karlo

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Comtoisekueken
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Comtoisekueken » Fr 2. Dez 2011, 07:05

Super Bericht, vielen Dank!

Jetzt habe ich so eine Uhr auch endlich mal live gesehen und nicht nur als Schema auf einem Zettel :).

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milo
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von milo » Fr 2. Dez 2011, 07:25

Hallo Frank,

tolles Thema gut rüber gebracht! Danke für Deine Zeit!

Gruß Milo

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praezis
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von praezis » Fr 2. Dez 2011, 11:27

@Guido
Der Kontaktschluss findet zwischen Kontaktstift und der federnden Kontaktfahne (beide Seiten) statt. Sie berühren sich bei Hin- und Rückschwingung. Da der Kontaktstift auf seinem halben Umfang isoliert ist, erfolgt ein Antrieb aber nur in einer Richtung. Da Frank vermutet, dass die Uhr mit 3V lief, kann ich mir sogar vorstellen, dass die Fahne absichtlich verkürzt wurde um die Kontaktzeit zu verkürzen. Die fehlende Stelle sieht recht regelmässig aus.

@Frank
Also Du hast die ergattert. Mich hatte das defekte Glas abgeschreckt, Möglichkeit für Ersatz schien mir da zu unwahrscheinlich. Außerdem bin ich selbst grad mit einer beschäftigt.
Zum Kontaktfunken: ich würde ganz stark zu einer nachträglichen Funkenlöschung in Form eines Widerstands raten!
Garnicht nur wegen Kontaktabbrand, sondern um die Spule und deren 100 Jahre alte Isolierung zu schonen. Es entstehen beim Abschalten Spannungen von weit über 100 Volt! Und deren Höhe wird durch nichts begrenzt ausser vorhandener parasitärer Kapazitäten und letztendlich Durchschlagen der Wicklungsisolierungen. Ich bin mir sicher, dass die oft notwendigen Neuwicklungen, von denen häufig zu lesen ist, hier ihre Ursache haben.
Dass die Eureka-Spezialisten bei ihren Revisionsberichten diesen Punkt nie erwähnen, zeigt, dass ihnen das Problem offenbar unbekannt ist, und sie von diesen hohen Spannungen aufgrund fehlendem Equipment und Kenntnissen keinen blassen Schimmer haben.
Durch Parallelschalten von 220...330 Ohm wird die induzierte Spannungsspitze auf harmlose 20V reduziert.

Gruß,
Frank
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 » Fr 2. Dez 2011, 12:50

Hallo Frank

Bei mir auf dem Tisch liegt schon eine kleine Diode, die den gleichen Zweck erfüllt. Die Platzierung hinter der "Ellipse ist aber neu für mich, keine schlechte Idee! Da meine Diode ähnlich winzig ist, werde ich sie da auch unterbringen. Wenn sich beim Öffnen des Kontaktes an die 1000V bilden, wundert es mich auch nicht, wenn der Kontakt so verbrannt ist. Das Messingteil dahinter hat ja schon schwarze Branntspuren.

Übrigens habe ich die Uhr auch nur gekauft, weil ich wusste, woher ich eine Glasglocke bekommen kann. Sonst hätte ich die Finger davon gelassen.

Frank

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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von praezis » Fr 2. Dez 2011, 14:28

Hallo Frank,

ich rate zum Widerstand statt Diode aus folgendem Grund: durch seinen Wert kannst Du die Höhe der Überspannung einstellen und damit auch die Dauer bis zum Zusammenbruch des Magnetfeldes. Beide verhalten sich umgekehrt zueinander (ich hatte früher mal was dazu gepostet). Die Diode begrenzt die Überspannung radikal auf 1V und verlängert die Zeit zum Abbau der magn. Energie beträchtlich, sodass Du eine gute Chance hast, dass auch nach dem Ruhepunkt noch Anziehung (dann bremsend) da ist.

Gruß,
Frank
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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 » Fr 2. Dez 2011, 22:01

Es geht weiter:

Die Unruh kann man natürlich zusammenlassen, aber das sieht hässlich auch, wenn alles poliert wird, nur die Unruh hat noch die Fingerflecken von der letzten Reparatur. Daher habe ich sie zerlegt, wobei mal wieder einiges zu beachten ist:

Bild

So darf man rein gar nichts unbeachtet lassen: Die Schrauben z. B. sind z. T. unterdreht, um Gewicht abzunehmen. Wenn man die vertauscht, dann kann man lange regulieren, bis mal alles wieder auf dem alten Stand hat.

Bild

Hier kann man das deutlich sehen: die beiden äußersten Schrauben sind nicht unterdreht, die übrigen doch. Aber verschieden! Ein Reparateur im Internet empfahl, die Schrauben auszuwiegen. Da ich aber nicht so ohne weiteres eine Wage habe, die auf 1/10g genau wiegt, habe ich die Ausdrehung innen ausgemessen und jeder Schraube eine Nummer gegeben. So können alle nach der Reinigung an ihre Postion zurück.

Außerdem sind die Schrauben nicht bis zum Anschlag eingedreht - wie das bei Taschenuhren der Fall ist. Sondern die Gewinde sind geschlitzt und die Schrauben stehen etwas vom Reif ab. Und das bei jeder Schraube unterschiedlich. Also habe ich für jede Schraube die Einschraubtiefe notiert, dazu noch die Position des Schraubenschlitzes, um alles schneller wieder hinzubekommen. Dazu noch die Position der Spirale und des Kontaktes. Das sah dann so aus:

Bild

Rechts und links die Maße von Eindrehung der Schrauben und die Maße der Unterdrehung, dazu die Stellung der Schraubenschlitze. Solche Notizen können Gold wert sein!

Übrigens habe ich jetzt ein paar SMD-Widerstände bestellt. Denn die Idee, den Funkenlöschwiderstand hinter der Kontaktrolle zu verstecken, ist schon bestechend. Unauffällig und wirkungsvoll.

Frank

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Re: Reparatur einer Eureka-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 » Di 6. Dez 2011, 21:48

Es geht jetzt langsamer weiter. Der Kontakt musste angefertigt werden. Er ist aus Silber, und eine Seite ist isoliert. Da wollte ich keinen Thermoplasten nehmen und habe die Kontaktfassung aus Pertinax, Altbestand, gedreht. Der Teil, der Kontakt macht, ist auf einer Seite mit Kunststoff eingebettet, alles aus dem Vollen gedreht. Das Bild zeigt die Dinge stark vergrößert, rechts der neue Kontakt. Das Silberteil hat nur einen Durchmesser von 1mm! Die Fassung hat 3,1mm Durchmesser. Links das Altteil. Man kann - mit Wohlwollen - erkennen, dass das Silber nur noch zur Hälfte da ist. Von der Kunststoffisolierung im oberen Teil ist kaum noch was da, fast alles abgewetzt. Außerdem hat das Altteil in der unteren Hälfte einige Risse, das hätte sich über kurz oder lang zerlegt.

Bild

Anfertigung des Kontaktgegenstücks kommt demnächst.

Frank

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