Wer war´s? (15)

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droba
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Wer war´s? (15)

Beitrag von droba » Sa 24. Sep 2016, 21:38

Es war einmal ein Uhrmacher, der in Deutschland eine der ersten Uhrenfabriken gründete. Er lebte von 1818 bis 1909.
Hier sein „uhrologisches“ Wirken in Stichworten:

- Er führte von 1841 bis 1848 für eine Uhrmacherwitwe die Uhrmacherwerkstatt und machte sich dann selbstständig. Sein Ziel war der Aufbau einer eigenen Serienfertigung von Uhren, also kurzgesprochen die Gründung einer eigenen Uhrenfabrik. Für die Fertigung der Uhren konstruierte er alle Maschinchen selbst, auch eine Zahnfräsmaschine. Ferner baute er 1852 einen funktionsfähigen Elektromotor, sowie vor 1860 einen eigenen Gasmotor, den er mit einer selbst entwickelten Steuerung versah. Beide Motoren fanden in seiner Werkstatt Verwendung. Im Jahr 1860 war es soweit: Er gründete seine kleine Uhrenfabrik und nahm mit 10 Arbeitern die Uhren-Fertigung auf.

Unser gesuchter Uhrmacher stand auch mit vielen Fachleuten in freundlichem und konstruktivem Austausch und konstruierte auch Telegraphenapparate und sonstige elektromechanische Gerätschaften. Er war also ein Multi-Talent- nicht nur im Bau von Uhren.

- 1865 entwickelte er eine eigene Uhr mit freischwingendem Pendelantrieb, die er 1867 auf der Weltausstellung in Paris vorführte. Diese Uhr wurde in Paris mit der Silber-Medaille ausgezeichnet.

- Unser gesuchter Uhrmacher entwickelte 1865 auch einen elektrischen Pendelantrieb, den er in den folgenden Jahren verbesserte und 1873 auf der Weltausstellung in Wien als Zentraluhrenanlage vorführte.

- Im Jahr 1874 wurde er zum „Königlichen Hofuhrmacher“ ernannt.

Nach diesen Erfolgen und Auszeichnungen begann sein Stern zu sinken. Es folgten Ärger und Anfechtungen und führten zum beruflichen Absturz und gesellschaftlicher Missachtung. Er wurde schuldlos in zwei Prozesse gezwungen, die ihn wirtschaftlich ruinierten und psychisch zermürbten. Was war geschehen?

Unser gesuchter Uhrmacher hatte für seinen Gasmotor eine eigene Steuerung entwickelt, diese aber nicht patentieren lassen. Etwas später wurde dieselbe Steuerung dann von einem anderen deutschen Erfinder nochmals erfunden, nun auch patentiert und auch erfolgreich als Lizenz verkauft. Dieses Patent wurde aber von anderer Seite angefochten und unser gesuchter Uhrmacher als Beispiel der früheren Entwicklung genannt. Darauf verklagten die Rechtsanwälte des Patentanmelders unseren gesuchten Uhrmacher der Patentverletzung:
Es kam 1883 zum Prozess: Unser gesuchter Uhrmacher wurde 1884 aber frei gesprochen, da er Zeugen für seine Eigen-Entwicklung benennen konnte.
Aber die Gegenseite ging in Berufung und begann unseren gesuchten Uhrmacher mit weiteren Prozessen zu zermürben. Zudem war bekannt, dass unser gesuchter Uhrmacher auch bereits wirtschaftlich ruiniert war und sich weitere Prozesse und Rechtsanwaltskosten gar nicht mehr leisten konnte.
Der Vertreter der Gegenseite versuchte zudem in wiederholten Besuchen unseren gesuchten Uhrmacher zu bestechen (25 000 RM) und ihn zu einer schriftlichen Erklärung, dass er seine Steuerung zeitlich erst nach dem Patent entwickelt hat, zu veranlassen.
Unser gesuchter Uhrmacher lehnte ab.
Die Gegenseite wurde aber immer aufdringlicher und versprach das Geheim-Abkommen zu verschweigen und sich künftig (nach den bisherigen Schlamm-Vorwürfen) nie mehr negativ über unseren gesuchten Uhrmacher zu äußern. Er lehnte weiterhin ab.
Als dann wenige Tage vor Prozess-Beginn die Frau unseres gesuchten Uhrmachers verstarb, gab er auf und stimmte der Abmachung zu. Unser gesuchter Uhrmacher verlor dadurch den Berufungsprozess und musste aufpassen, dass er nicht wegen Meineids angeklagt wird.

Nun alles gut? Nein!! Denn die Gegenseite verzögerte wegen strittiger Nebenfragen die Auszahlung des versprochenen Geldes noch für mehrere Jahre. Zudem wurde entgegen dem Versprechen ein Schmäh- Artikel über unseren gesuchten Uhrmacher veröffentlicht.
Durch die Selbstverleugnung und das ehrabschneidende Verhalten der Gegenseite wurde unser gesuchter Uhrmacher schwermütig und konnte nicht mehr arbeiten. Seine Familie und seine Freunde befürchteten seinen Frei-Tod.
Auch die ehrenvolle (aber wirtschaftlich unbedeutende) Würdigung unseres gesuchten Uhrmachers als Stiftungsmitglied eines der ersten technischen Museen in Deutschland konnten seine öffentliche Reputation nicht wieder herstellen. Er starb verarmt und verbittert im Jahr 1909.
Sein Sohn führte seine Werkstatt noch Mitte der 1925-Jahre fort; die gesellschaftliche Rehabilitierung seines Vaters hat auch der Sohn nicht mehr erlebt. Diese erfolgte erst im Jahr 1949 als von Nachkommen der Geheimvertrag, der zum negativen Ausgang der Berufungsverhandlung geführt hatte, veröffentlicht wurde.

Die Erfindung der Motor-Steuerung trägt bis heute noch den Namen eines anderen Erfinders- Der Name des wirklichen Erfinders dieser Steuerung (und damit der Name unseres gesuchten Uhrmachers) ist dagegen bis heute nur sehr wenigen bekannt.

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Der_Stromer
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Re: Wer war´s? (15)

Beitrag von Der_Stromer » So 25. Sep 2016, 00:56

Zu einfach: Christian Reithmann, geb. 09. Februar 1818 in St. Jakob / Österreich, verstorben 1909 in München. Er hat u.A. die 4-Tackt-Steuerung für Gasmotoren entwickelt (Otto-Motor). Seine Wanduhr mit dem elektrischen Pendelantrieb ist im Deutschen Museum München in der Abteilung "Zeit" ausgestellt. Ebenso seine Zentraluhr mit pneumatischer Steuerung von Nebenuhren.

:? Ich hoffe, ich habe Mitratern nicht die Freude genommen? :roll:
Hallo aus der Oberpfalz
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Re: Wer war´s? (15)

Beitrag von petsch » So 25. Sep 2016, 09:45

Der_Stromer hat geschrieben:Zu einfach:
Das kann ich gerade nicht sagen, ich kenne einige Uhrmachernamen und wenn ich auch nicht zu jedem gleich etwas sagen kann, so sind sie doch irgendwo im Gedächtnis verankert, so dass man weiß : "da war doch mal was", aber von Reithmann hatte ich bisher nie etwas gehört. Gestern Abend als ich das Rätsel zuerst gelesen habe, konnte ich mir deshalb nichts darunter vorstellen. Hatte mir dann für heute (kann nicht unterwegs sein wegen "Rücken" ) vorgenommen mal etwas nach den einzelnen Details zu forschen um auf die Lösung zu kommen.

Jedenfalls vielen Dank an Droba für die Mühe, die Du Dir machst, uns etwas zu unterhalten, uns die (deutsche) Uhrengeschichte etwas näher zu bringen und nicht zuletzt, auch das Forum interessanter zu machen :-)

Gruß
Peter

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Re: Wer war´s? (15)

Beitrag von praezis » So 25. Sep 2016, 10:50

Zu einfach nur in Zeiten von Wikipedia, gell Stromer?
Dort hatte ich ihn auch sehr schnell an Hand der Geburtsdaten gefunden.

Sonst geht es mir wie Peter: mir war weder der Name noch die Geschichte bekannt.
Vielen Dank droba, dass Du diesen Uhrmacher und seine spannende Story für uns bekannt gemacht hast!

Gruß,
Frank
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Der_Stromer
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Re: Wer war´s? (15)

Beitrag von Der_Stromer » So 25. Sep 2016, 16:55

;) Hm, Wiki hat schon noch einiges mitten in der Nacht geliefert :mrgreen:

Aber meine grauen Zellen haben den Grundstock geliefert: War ich doch mal im Deutschen Museum und habe mir da die Zeitabteilung näher angesehen. Dabei ist mir ein Name bei elektrischen Pendelantrieben etwas mehr haften geblieben und so brauchte ich eigentlich nur noch nach Reithmann zu suchen. Und dazu noch der Otto-Motor! Die Geschichte (ohne den Namen Reithmann) kannte ich noch aus der Schule :D . Ist zwar schon sehr lange her, aber unser Dozent hat damals super auf den Otto und seine Firma geschimpft, so in der Art, wie man eigentlich auch die Herrn Bell und Edison schimpfen sollte. Haben fast alles nur abgekupfert und dann den eigentlichen Erfinder mit Prozessen überzogen, bis die nicht mehr konnten.

Na ja, gehört hier nicht mehr her :mrgreen:

Danke DROBA, es war doch spannend und ich habe wieder was entdeckt. Soll heißen, Alzi hat (noch) keine Chance :D .
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: Wer war´s? (15)

Beitrag von droba » Di 27. Sep 2016, 09:23

Rolf-Dieter, ich denke mir ging es eigentlich genau wie Dir:

Die Reithmann-Otto-Geschichte hatte ich ansatzweise früher mal gehört. Aber ich wusste nicht, dass Reithmann eigentlich Uhrmacher war und noch vor Junghans in Deutschland eine der ersten Uhrenfabriken gegründet hat. Das ist mir alles erst klar geworden, als er mir mit seinen Uhrenkonstruktionen und durch seine Teilnahme an den Weltausstellungen in Paris und Wien in den deutschen Uhrmacherzeitungen begegnet ist.

Als mir dann die Genialität seiner Person, aber auch die Dimension seines Schicksals klar geworden war, wollte ich darauf in unserem Forum aufmerksam zu machen.

Und Reithmann auf diesem Weg nicht nur bekannter machen sondern ihm posthum auch noch etwas Würde und Anerkennung zukommen lassen.

Danke an alle, die sich an dem Rätsel beteiligt haben!

Droba

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Re: Wer war´s? (15)

Beitrag von droba » Do 6. Okt 2016, 14:06

Da ich immer wieder gefragt werde, mit wem Christian Reithman zusammengearbeitet hat, hier ein kurzer Nachtrag: Nachvollziehen lassen sich Kontakte von Christian Reithmann auf jeden Fall mit Johann Mannhardt und Pfarrer Feller.


Christian Reithmann und Johann Mannhardt haben beide bei der Weltausstellung 1867 in Paris Uhren mit freischwingendem Pendel vorgestellt: Mannhardt erhielt in Paris dafür die Gold-Medaille, Reithmann die Silbermedaille.

Pfarrer Feller ist uns dagegen heute wenig bekannt, er hat aber mehrere Turmuhren konstruiert und von verschiedenen Werkstätten auch fertigen lassen. Auch geht das Gerücht, Pfarrer Feller sei in Wirklichkeit der Erfinder des freischwingenden Pendels gewesen, was heute aber nicht mehr zu überprüfen ist. Pfarrer Feller beteiligte sich mit von ihm konstruierten Uhren an der Weltausstellung 1873 in Wien.

Droba

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