Die Entwicklung der Räderuhren

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Ursus
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Ursus » So 5. Jul 2015, 20:23

Aus meinem Vortrag "Die Entwicklung der Englischen Großuhr" möchte ich folgendes zitieren:

1. Räderuhren wurden wahrscheinlich kurz vor 1300 erfunden:
1271 nämlich hatte der an der Pariser Universität lehrende Engländer Robertus Anglicus in einem Kommentar zu einem Astronomielehrbuch geschrieben: "Die Macher von Uhrwerken arbeiten an einem Mechanismus, der sich einmal am Tag dreht, aber sie haben es bisher noch nicht geschafft" 

2. 1283 Dunstable Priory Church (Uhr oberhalb des Lettners)

St. Paul’s Cathedral:
1286 Erwähnung eines “Clock-Keepers” (Uhr innerhalb der Kirche)
1298 Erwähnung von Jaquemarts
1344 Werk ersetzt
Waren dies bereits Räderuhren ?

3. Unterschied zwischen „horloge“ und „cloke“:

Horloge: ohne Schlagwerk
Cloke: mit Schlagwerk
Aber auch
Horloge = Wasseruhr !!

Aus den Archivalien ist es oft nicht sicher, denn die Sprache in den Schriften war damals Latein und der Begriff "horologium" kann jede Art von Uhr (auch Elementaruhren: Sonnen-, Wasser-, Feuer-, Sanduhren) bedeuten.

Gerbert (Silvester II. (vorher Gerbert von Aurillac, auch Gerbert von Reims; * um 950 in Aquitanien; † 12. Mai 1003 in Rom) war ein Mathematiker, Abt von Bobbio, Erzbischof von Reims und Ravenna sowie schließlich erster französischer Papst vom 2. April 999 bis zu seinem Tod im Jahr 1003.) war mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Erfinder der Räderuhr mit mechanischer Hemmung. Es findet sich nur ein Hinweis in dem Buch von Oswald Spengler der behauptet, dass Gerbert um 1000 die „Konstruktion der Schlag- und Räderuhren erfunden“ habe. Allerdings machte er 968 eine Studienreise nach Andalusien und konnte dort von den Arabern die Kunst des Wasseruhrbaus erlernt haben.

Ursus

Quellen:
Robertus Anglicus war ein englischer Astronom des 13. Jahrhunderts. Er lehrte an der Universität Montpellier und möglicherweise auch in Paris. Bekannt ist er uns als Verfasser eines 1271 erschienenen Kommentars zu De Sphaera des Johannes de Sacrobosco. Darin findet sich eine Bemerkung über den damaligen Entwicklungsstand der Uhrentechnologie.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Robertus_Anglicus)

Gerhard Dohrn-van Rossum: Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitordnungen. Anaconda, Köln 2007, ISBN 978-3-86647-139-9

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Gnomus
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Gnomus » So 5. Jul 2015, 21:46

walter der jüngere hat geschrieben: Neben der Definition - was soll dazu gezählt werden*, was nicht, ist auch die Frage zu überlegen, ob sich die Suche auf ein spezielles Gebiet, oder wirklich weiterhin auf ganz allgemein die frühest datierte Nennung einer Räderuhr beziehen soll.
*Soll diese Uhr eine Räderwerkhemmung haben, oder ist es nur wichtig, daß sie Räder enthält?
...
Walter d. J.
Ich würde noch weiter gehen und fragen, ob es auch eine mechanische Uhr mit Räderwerk, aber ohne Hemmung i.e.S. sein darf. Ich hatte schonmal darüber geschrieben, weiß aber nicht mehr, ob in diesem oder einem anderem Forum.
Dante erwähnt in seiner "Göttlichen Komödie" eine (Räder-)Uhr mit den Worten:

"Wie, wohlgefügt, der Uhren Räder thun –
In voller Eil’ zu fliegen scheint das letzte,
Das erste scheint, wenn man’s beschaut, zu ruhn"

Da zu dieser Zeit die Unruh noch nicht erfunden sein dürfte, fällt dieselbe wohl als Rad aus. Sollte es damals schon eine Waag gegeben haben, ist diese wohl kaum als Rad zu bezeichnen. Und ein Hemmungsrad geht (abgesehen von Armbanduhren) nicht so schnell, daß man es in Eile fliegend nennen möchte. Wenn aber das letzte Rad vielleicht ausreichend schwer war (nach Art eines Schwungrads), um Schwankungen im Kraftfluß teilweise kompensieren zu können, wäre IMHO ein Uhrwerk nach Art der "Bratenwender" durchaus denkbar. Es könnte auch sein, daß es sich beim das "letzten Rad" eine Art Windfang handelte. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, wie bei den bekannten Uhren mit Hemmung das "letzte Rad" ... "In voller Eil’ zu fliegen scheint".

BTW, schon als Kind habe ich mir die Dante'sche Uhr so vorgestellt.

Edit:
2nd BTW: In den 80er-Jahren erschien in der DDR-Zeitschrift "Uhren und Schmuck" ein Artikel über die Wasseruhr, die Al Raschid Karl dem Großen schenkte. Darin wurde sie sie als erste bekannte Uhr mit mechanischer Hemmung bezeichnet.
Gruß
Micha

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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Ursus » Mo 6. Jul 2015, 12:43

Gnomus hat geschrieben: 2nd BTW: In den 80er-Jahren erschien in der DDR-Zeitschrift "Uhren und Schmuck" ein Artikel über die Wasseruhr, die Al Raschid Karl dem Großen schenkte. Darin wurde sie sie als erste bekannte Uhr mit mechanischer Hemmung bezeichnet.
Das ist definitiv falsch. Die Uhr hatte sehr wohl ein mechanische Werk, das Zeitnormal wurde jedoch durch eine Wasseruhr geliefert. Im Originaltext von 807 ist ausdrücklich das Wort "clepsidram" (Klepshydra = Wasseruhr ("Wasserdieb")) (http://klio.histinst.rwth-aachen.de/ext ... /index.htm ) erwähnt.

Ursus

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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Gnomus » Mo 6. Jul 2015, 17:01

Ursus, ich glaube, Du hast recht. Jetzt (nach etwa 30 Jahren) kommt es mir doch so vor, als wenn es nicht die von Al Raschid war. Ich glaube mich jetztz zu erinnern, daß es sich um eine stationäre Wasseruhr handelte. Trotzdem hatte sie eine mechanische Hemmung. Ich kann die Funktion aber nur noch annähernd beschreiben: Auf einer Art Wasserrad waren Wasserbehälter angebracht. Der Behälter, der gerade mit Wasser gefüllt wurde, stand dabei auf einer Art Waage. Sobald das Wasser ein bestimmtes Gewicht erreichte, senkte sich der Waagebalken und gab über einen Mechanismus das Rad frei, so daß es sich drehen konnte, bis der nächste Behälter an der Waage anstieß. Nun wurde dieser gefüllt usw.
Der Mechanismus hemmt das Rad und gibt es wieder frei, dabei wird er von einem Zeitnormal (Wasserbehälter) gesteuert. Also eine Wasseruhr mit mechanischer Hemmung. Tut mir leid, wenn ich die beiden Uhren verwechselt habe.
Gruß
Micha

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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Ursus » Mo 6. Jul 2015, 18:09

Upps, möglicherweise hast Du Recht :D , denn wenn wir schon so in die Tiefe gehen, müssen wir das Zeitnormal von der Hemmung unterscheiden:

Zeitnormal: auslaufendes Wasser, Waag, Unruh ohne/mit Spiralfeder, Pendel, u.v.a.m.
Hemmung: Spindel, Anker mit und ohne Rückführung (Hakengang, Grahamgang), freie Hemmungen, u.v.a.m.
Caveat: Nicht jedes Zeitnormal ist mit jeder Hemmung kombinierbar (Waag mit Schwerkrafthemmung :mrgreen: ?)

Deine Beschreibung kombiniert auslaufendes Wasser mit einer mechanischen Hemmung :!: in einem Räderwerk. Kann durchaus auch für die Wasseruhr Harun al-Raschids zutreffen.

Ich denke, dass dieser Thread für Infos über die älteste Räderuhr mit mechanischer Hemmung und mechanischem Zeitnormal gedacht war.

Ursus

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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Gnomus » Mo 6. Jul 2015, 19:42

Ursus hat geschrieben:Ich denke, dass dieser Thread für Infos über die älteste Räderuhr mit mechanischer Hemmung und mechanischem Zeitnormal gedacht war.
OK, wenn ich mal wieder meine Mutter besuche, denke ich hoffentlich daran, mal auf dem Boden zu suchen, ob ich die alten "Uhren & Schmuck" noch finde. Dann könnte ich ja mal einen extra Thread zu der Uhr aufmachen.
Gruß
Micha

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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von droba » Di 7. Jul 2015, 22:50

Ursus hat geschrieben: Ich denke, dass dieser Thread für Infos über die älteste Räderuhr mit mechanischer Hemmung und mechanischem Zeitnormal gedacht war. Ursus
So ist es. Und da die Enzyklopädie von J.G. Krünitz weitere frühe Räderuhren nennt, will ich daraus nochmals zitieren. Krünitz war sich übrigens des Problems mit der Frage Räderuhr mit/ohne mechanische Hemmung durchaus bewusst, er konnte diese Frage aber mit den ihm zur Verfügung stehenden Büchern und Unterlagen aber auch nicht klären. BTW: Krünitz besaß eine Privat-Bibliothek, die 15 000 Bücher (!!) umfasste!

Nun also nochmals aus seiner Enzyklopädie ein Text über weitere sehr frühe Räderuhr (mit mech. Hemmung?). Besonders von der Uhr des Abtes Wilhelm vom Kloster Hirsau (Schwarzwald) im 11. Jahrhundert habe ich noch nie etwas gehört oder gelesen: (Hier ein Link zu Abt Wilhelm von Hirsau https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Hirsau)

droba
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Ursus » Mo 13. Jul 2015, 11:05

In dem oben abgebildeten Text steht ja aber auch, dass die Angaben für die frühen Uhren so dunkel sind, dass man nicht sagen kann ob es sich um Sonnen-, Wasser- oder Räderuhren handelt.

Ursus

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