Das Ende der Armbanduhr?

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droba
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Re: Das Ende der Armbanduhr?

Beitrag von droba » Do 13. Jun 2013, 12:37

Felix18 hat geschrieben:Zumindest noch um 1900 beschwerten sich deutsche Uhrmacher über Reisevertreter
aus der Schweiz, die mit "billigen" Uhren in Deutschland ihre Abnehmer suchten und
sicherlich auch fanden, sonst hätten die deutschen Uhrmacher nicht so massiv dagegen
in Uhrenzeitschriften gewettert.

Das waren keine Schweizer Landsleute, die da Schweizer TU angeboten haben, sondern deutsche fliegende Händler, die sich mit einfachen TU der Schweiz eindeckten und diese mit guter Gewinnspanne und manchmal mit unrichtigen Angaben verkauften. Das war dadurch möglich, da die Teile für Schweizer TU durch die Serienherstellung immer preiswerter wurden. Der Preis der daraus gefertigten Uhren fiel dadurch zwar, aber nicht im selben Maß, wie die Kosten der Uhrenteile sanken. Und Uhren aus einem Uhrmachergeschäft müssen durch die Fixkosten ja teurer sein, als die eines fliegenden Händlers, der aus der Tasche lebt.

Nebenbemerkung: Preußen hat das dann ausgenützt: Im Elsaß wurde um 1890 ein Zollprivileg eingeführt, das es erlaubte, aus zollfrei eingeführten Teilen Taschenuhren für den deutschen Markt zu fertigen. Das Elsaß erlebte dadurch einen kolossalen wirtschaftlichen Aufschwung, der allerdings mit dem ersten Weltkrieg abrupt wieder beendet wurde. (siehe Artikel in der Jahresschrift der DGC 2010: "Schweizer Taschenuhren für Deutschland- auf den Spuren der Uhrenindustrie im Elsaß")

Aber zum Thema:

Die Entwicklung der TU weist mit der heutigen Fertigung von AU insofern tatsächlich Paralellen auf, als die AU-Werke aus Asien ebenfalls unglaublich billig, aber qualitativ nicht schlecht sind. Viele Käufer sind aber heute immer noch bereit, für eine AU vergleichsweise viel Geld auszugeben und schon haben wir Verhältnisse, wie in der TU-Zeit, als auf TU auch die Namen von Firmen oder Uhrmachern standen, die Uhrwerke aber aus preiswerter Serienfertigung stammten.

droba

steffl62
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Re: Das Ende der Armbanduhr?

Beitrag von steffl62 » Do 13. Jun 2013, 16:01

Also ich finde das ist inwischen ein sehr interessantes Thema und möchte vorschlagen es in einen eigenen Thread zu verschieben.
Die von Peter, Droba und anderen aufgeführten Beispiele, (Dankeschön dafür!) haben mir eigentlich zu denken gegeben. Ich dachte bisher das zu diesen Zeiten damals die schweizer Uhrenindustrie schon eher den Ruf einer hightec Schmiede als den von Herstellern billigster Massenware hatte. Inzwischen kommt es mir aber eher so vor als wäre billige Massenproduktion erst die Vorraussetzung dafür gewesen um so innovative Firmen wie Zenith, Longines, Omega und so weiter, zu ermöglichen.

Wenn ich das auf unsere aktuelle Zeit umlege würde das dann bedeuten das die innovativsten Firmen zukünftig in China zu finden sen werden. Oder wie seht Ihr das?

lg Christian
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droba
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Re: Das Ende der Armbanduhr?

Beitrag von droba » Do 13. Jun 2013, 16:23

Christian,

um mit Deiner letzten Frage anzufangen: Ich fürchte "ja". Es wird in Europa immer weniger Personen oder Betriebe geben, die noch das mechanische Werk einer Armbanduhr fertigen und vielleicht sogar verstehen können. Tja.

Was Deine Aussage zur Hiht-Tech-Zeit der Taschenuhrenfertigung in der Schweiz angeht:

Die Schweiz war damals trotz der Fertigung einfacher und einfachster TU-Werke in meinen Augen trotzdem asolutes High-Tech-Land. Weniger unter uhrentechnischer, sondern in Fertigungstechnischer Hinsicht:

Die Fertigung der in größten Stückzahlen hergestellten Ankerräder für Zylinderhemmungen ist für mich so ein Beispiel: Wie wurden diese Teile mit den damaligen Fertigungsmethoden so genau hergestellt? Aus dem Vollen gefräst, geschliffen und gedreht? In einer oder in mehreren Aufspannungen? Was war Hand-, was war Maschinenarbeit? Fabrik- oder Heimarbeit?

Oder die Zeiger, die emaillierten Zifferblätter und so weiter. Es gibt noch weitere Beispiele, bei denen mir (uns) der Fertigungsprozess heute nicht mehr wirklich klar ist.

So- nun haben wir uns endgültig vom Thema entfernt....

droba

Thorsten Schreiber
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Re: Das Ende der Armbanduhr?

Beitrag von Thorsten Schreiber » Do 13. Jun 2013, 16:34

Ein weiteres Beispiel ist die erste Firma Nomos (1906 bis 1910), die in ihren Taschen(!)uhren Schweizer Werke verbaute und deswegen aufhören musste. Ausführliche Informationen hier: http://www.glashuetteuhren.de/die-uhren ... lashuette/

Viele Grüße,
Thorsten

Thorsten Schreiber
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Re: Das Ende der Armbanduhr?

Beitrag von Thorsten Schreiber » Do 13. Jun 2013, 22:56

Außerdem finde ich, dass wir uns gar nicht so weit weg vom Thema bewegen. Zur Diskussion über ein (mögliches) Ende der Armbanduhr gehört auch, Aspekte wie Kaliber und deren Herkunft oder Taschenuhren zu berücksichtigen. Denn nach den Taschenuhren kamen ja die Armbanduhren, die übrigens auch nicht das Ende der Taschenuhren bedeuteten. Denn die werden ja immer noch produziert, wenn auch in marginalen Mengen. Demnach werden irgendwelche Gadgets auch nicht das Ende der Armbanduhr bedeuten. :!:

Thorsten Schreiber
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Re: Das Ende der Armbanduhr?

Beitrag von Thorsten Schreiber » Do 5. Sep 2013, 12:17

Zur weiteren Diskussion empfehle ich das Buch "Die Stein-Strategie: Von der Kunst, nicht zu handeln" von Holm Friebe. Darin erwähnt der Autor unter anderem auch kurz die Renaissance der Mechanikuhr und zitiert aus anderen Quellen, dass wir Menschen Trends oft viel zu voreilig nachrennen.

Eine Rezension findet ihr auf Spiegel Online.

Viel Spaß bei der Lektüre.
Thorsten

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