Radium-Girls

auch Vorschläge für die Linkliste
Antworten
petsch
Administrator
Beiträge: 1858
Registriert: So 15. Aug 2010, 18:10

Radium-Girls

Beitrag von petsch » Mo 19. Nov 2018, 15:58

Zufällig bin ich gerade über einen interessanten (und traurigen) Artikel bei Spiegel-online gestolpert.

Es geht wie im Wecker-Mädchen Thread um weibliche Angestellte in der Uhrenfabrikation.

Allerdings haben sich die Radium-Girls bestimmt nur am Anfang ihrer Tätigkeit über ihren Job gefreut, denn später haben sie das leider oft sogar mit ihrem Leben bezahlt.

Im Bericht geht es um amerikanische Fabriken, aber ich meine, ähnliches auch von der Schwarzwälder Uhrenindustrie gelesen zu haben.

http://www.spiegel.de/einestages/radium ... 22204.html

Gruß
Peter

Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Radium-Girls

Beitrag von Typ1-2-3 » Mo 19. Nov 2018, 16:50

Die Geschichte kenne ich. Da hat man schon früher in einer alten Uhrmacherzeitung von berichtet. Leider weiß ich nicht mehr, welche und welcher Jahrgang. Die Geschichte war ähnlich. Aber der letzte Satz des Berichtes ist mir im Gedächtnis geblieben: "Wenn es denen in den USA zu heiß wird, kommen solche Schauermärchen bei raus" oder so ähnlich.

Scheinbar nahm man die Sache in Deutschland nicht so ernst, obwohl bei Junghans auch mit Radium gearbeitet wurde.
Hatte vor einiger Zeit solch eine Uhr in der Hand und an den Geigerzähler gehalten. Unter dem Glas war das noch harmlos, aber wenn man das Glas entfernt hat, tackerte das doch ganz ordentlich. Möchte nicht wissen, was passiert, wenn man diesen Stoff aufnimmt und der im Körper strahlt.

Frank

Benutzeravatar
derTeichfloh
Beiträge: 206
Registriert: Mo 8. Okt 2012, 09:35

Re: Radium-Girls

Beitrag von derTeichfloh » Mo 19. Nov 2018, 17:32

Hi,

"Radium-Girls" - das stammt aus den 1930 Jahren. Der Artikel war sogar bei Wiki zu finden. Es war weltweit der erste "Arbeitsschutzprozess". Er dauerte 15 Jahre!
Ab 1956 war Radium "weltweit" verboten - nur die Reste durften die Hersteller noch aufbrauchen. Das hat bei einigen bis in die 1960 Jahre gedauert!

Da ich beruflich damit zu tun hatte, habe ich im DGC-Dresden einen netten Vortrag dazu gegeben. Es hat mich sehr überrascht, das zur Verwendung von radioaktiver Leuchtfarbe so gut wie nichts bekannt war (außer bei der Armee). Einige hatten ein paar Uhren mit - und einige strahlten ganz schon.
Z.B.: TU-Wecker. Die liegen zw. 2 und 15 µSv/h (ab 0,5 µSv/h sollte man sie nicht mehr dauerhaft tragen, vor allen, weil Radium Gammastrahlen aussendet - die gehen sogar durch Metall). Meine "beste" Uhr hat 470µSv/h - mit Glas. Ohne sind es über 500µSv/h. Die Uhr liegt bei mir im Bleibehälter...

ich zitiere mal:
"Radioaktivität kommt in der Natur überall vor. Unser Körper ist diese natürliche Radioaktivität gewöhnt und kann damit umgehen. Die Dosis ist gering: ca. 0,01 bis 0,6 Mikrosievert pro Stunde.
Ein Mal Röntgen (Brustkorb) bringt 500-800 Mikrosievert, ein CT 1500 Mikrosievert – für wenige Sekunden.
Die zulässige Gesamtdosis (für die normale Bevölkerung) für ein Jahr wurde mit 0,5 Millisievert, also 500 Mikrosievert, festgelegt.

Wenn an einem Ort mehr als 0,4 Mikrosievert pro Stunde gemessen werden, muss man nach der Ursache suchen. Sind es mehr als 1,2 Mikrosievert pro
Stunde, sollte man den Ort verlassen:
0,75 Millisievert = 750 Mikrosievert - Veränderungen im Blut feststellbar
100 Millisievert = 100000 Mikrosievert - Krebs wahrscheinlich
1000 Millisievert = 1 Sievert - Beginn der Strahlenkrankheit
2000 Millisievert = 2 Sievert - schwere Strahlenkrankheit
4 – 6 Sievert = oft tödliche Dosis, auch nach sofortiger Behandlung
ab 8 Sievert = sofort tödliche Dosis
Tschernobyl-Reaktor, 10min nach der Kernschmelze = ca. 50-65 Sievert
Japan, Reaktor 1 = Stärke nicht messbar, zu hoch: > 650 Sievert (2016)
(alle Werte pro Stunde)"

Heute wird wieder mit Radioaktivität herumgespielt: man nennt es Tri (Tritium, superschwerer Weasserstoff ). Kennzeichnung: T; H3 oder T25 (die Zahl steht für die Strahlendosis). Das Tri ist, zusammen mit einem Leuchtstoff, in einem Röhrchen eingeschweißt. Die schwache Strahlung "kann" das Röhrchen nicht verlassen. Leider wurden die ersten Röhrchen aus Plaste hergestellt - hier sickert H3 durch. Auch Metall kann das Gas H3 nicht aufhalten. Erst heute verwendet man Röhrchen aus speziellem Glas, die sind dicht. H3 hat eine Halbwertszeit von 12,5 Jahren....


mfg
derTeichfloh
Gruss
derTeichfloh

HolzZahnRadUhrenSammler

Barney Green
Beiträge: 179
Registriert: Di 25. Jul 2017, 22:55

Re: Radium-Girls

Beitrag von Barney Green » Mo 19. Nov 2018, 17:36

Ja, der Umgang mit Radium in den amerikanischen Fabriken war bis Mitte der 60er total sorglos. Traurig aber wahr.
Aber deswegen müssen wir bei Vintageuhren mit Leuchtziffern oder -zeigern auch immer echt vorsichtig sein. Das Zeug strahlt heute nach wie vor. Ich habe viele Uhren mit braunen Stellen auf Zifferblättern, wenn die Zeiger mehrere Jahre still standen, und auch welche mit völlig gebräuntem Glas über den Leuchtziffern. Das Zeug hat zum Teil echt heftig gestrahlt.

Antworten