Schwarzwald-Uhr, ca. 1840

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Der_Stromer
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Schwarzwald-Uhr, ca. 1840

Beitrag von Der_Stromer » Mo 17. Nov 2014, 18:01

Schwarzwald-Uhr, ca. 1840
3536-Ziffernblatt.JPG
So eine ähnliche Uhr hatte ich vor einiger Zeit schon einmal.

Dem Besitzer (ein Freund von einem Freund) hat meine Arbeit wohl zugesagt und so hat er mir diese Uhr zur Aufarbeitung übergeben.

Es handelt sich um eine Schwarzwald-Uhr mit bemaltem Schild hinter Glas. Email-Ziffernblatt mit Römischen Ziffern. Das Bild stellt eine Seeblick dar, meiner Ansicht nach mit Italienischem Einschlag. Das Bild ist beschädigt und ich habe den Besitzer angeraten, es bei einem Bilderrestaurator aufarbeiten zu lassen.

Die Schadenaufnahme: Nur ½ Kette vorhanden. Pendel ausgehangen. Gewichte vorhanden. Keine Zeigerreibung und keine sonstige Funktion.

Nach Demontage der Zeiger konnte ich dann das Ziffernblatt abnehmen und das nächste Problem zeigte sich: Die Zeigerreibung am Bodenrad hatte keine Funktion mehr, da der Vorsteckstift sein Loch gesprengt hatte und die Feder keinen Druck auf das Wechselrad mehr ausüben konnte. Zum Glück war die Feder noch vorhanden!
0003-Da-fehlt-doch-was.JPG
Sonst halt der Staub von ca. 170 Jahren Uhrenleben inklusive toter Spinnen und anderer ehemaliger Bewohner der unangenehmen Art. Eine feine Drahtbürste hat das Haus ausgefegt!
3565-Spinnen.JPG
Eigentlich ist das ein recht einfaches Werk: Gangzeit ca. 30 Stunden mit Reserve bei 1,8 m Kettenlänge.
Das Gangwerk besteht aus 3 Rädern: Boden- und gleichzeitig Kettenrad das auch mit dem Trieb das Zeigerwerk in Gang setzte, Zwischenrad und Hemmrad. Und natürlich den Blechanker, auch Schwarzwaldhemmung genannt.

Das Schlagwerk ist schon etwas komplexer: Ein Schlossscheibenwerk, nur mit Stundenschlag auf eine oben auf dem Gehäuse angebrachte Glocke. Die Hebnägel sind hier bereits auf dem Bodenrad (Kettenrad) angebracht, über einen Trieb auf der Rückseite wurde auch die Schlossscheibe angetrieben, dann folgten das Herzrad, das Anlaufrad und der Windfang.
3543-Rueckseite-abgenommen.JPG
3546-Pendelschaukel.JPG
3547-Lager.JPG
Jedes Teilwerk wird durch eine Leiste mit Messingröhrchen als Lager gehalten. Diese Leisten sind mit einem Stahlstift gesichert. Nach entfernen der Stifte konnte ich die Räder einzeln entnehmen. Die sahen alle sehr schlimm aus, die Uhr hatte sicher seit 70 Jahren keinen Uhrmacher mehr gesehen. Eine Inschrift auf der Rückseite nannte ein Reparaturdatum: März 1942. Wenn das wirklich die letzte Ölung der Uhr war?
3553-Markierungen.jpg

Nach der Reinigung im US-Bad (natürlich nur die Metallteile, Holz nur mit einer Bürste und trocken) die wenig Erfolg hatte, die erste Untersuchung. Für eine Uhr mit diesem Alter verblüffend gut in Schuss. Kein Zapfen (bis auf das ausgerissen Loch des Vorsteckstiftes) verschlissen und auch die Messingbuchsen der Lager sind nach meiner Ansicht noch sehr gut. Was aufgefallen ist, waren die teils unterschiedlichen Längen diese Messingbuchsen, die ich mir eigentlich nur so erklären kann, dass diese Buchsen einfach nach Augenmaß zurecht gesägt wurden und dann später den Bedürfnissen nach eingesetzt und in der Tiefe nach den Wellen reguliert wurden.
3557-Keine-Oelsenkung.JPG
Eine dieser Lagerröhrchen ist sogar mit zwei Stiften in der Höhe fixiert. Das habe ich auch noch nicht gesehen. Aber was soll’s. Es gibt immerzu was Neues zu sehen.
3558-Lager-Innen.JPG

Mein Problem war nun, wie bekomme ich ein Loch für den Vorsteckstifft in eine Welle von 1,8mm Durchmesser? Nicht Lachen. Aber für einen Grobmotoriker wie mich eine Herausforderung. Trotzdem: Das Loch musste sein und es ging. Feinbohrmaschinchen und 0,8mm Bohrer und Geduld hat es gerichtet. Dann mit einer Reibahle konisch aufgerieben und der Stift passte wie die Faust aufs Auge!

So, das war also erledigt. Aber da ja jetzt der Vorsteckstifft ca. 1mm tiefer in der Welle saß, musste auch das Wechselrad angepasst werden. Kleine Feilübung für einen alten Siemensianer!

Das Weitere wäre dann nur noch das Setzen der Räder und schon… Denkste! Hier muss man von Rückwärts durch die Brust ins Auge. Erst beide Bodenräder, dann die Hebel für das Schlagwerk, dann das Schlagwerk und wenn das richtig funktionierte, kam das eigentliche Uhrwerk dran.

Das Schlagwerk ist ja eigentlich sehr einfach. Aber um die richtige Stellung der Räder zueinander zu bekommen mussten jedes Mal die Triebe außer Eingriff gebracht werden. Eine elendige Fummelei. Dazu kam dann noch, dass ja auch die Hebnägel genau sitzen mussten. Hier hat nun die Erfahrung, die ich schon bei der ersten Uhr dieser Art sammeln durfte, geholfen. Nicht mehr 10 x, sondern nur noch 8 x. :mrgreen:

Das vorletzte Problemchen war dann noch die Ketten. Wie schon geschrieben, war ja hier nur ½ Kette vorhanden. Und neue wollte ich nicht nehmen, es mussten schon ältere sein. Im Fundus, fiel mir dann ein, sollten noch so Fragmente von Uhrketten liegen. Also Ostern gespielt und tatsächlich was gefunden. Und oh Wunder, die passten sogar. Also aus drei Fragmenten zwei 180cm Ketten gemacht und eingefädelt.

Jetzt noch das Pendel. Hier hatte mal ein Grobschmied gedacht, Uhr zu langsam, Pendel kürzer! Stimmt ja im Grunde. Aber dazu einfach die Pendelstange durchschneiden und das untere Stück dann in die Pendellinse stecken??? Aber auch das habe ich gerichtet: Ein passende Hülse mit 1,9mm Innendurchmesser gesucht und gefunden und beide Enden der Pendelstange eingesteckt und verpresst. Sieht man nur bei genauem Hinschauen und funktioniert. Am untern Ende der Pendelstange war ja das Gewinde (nicht metrisch!) für die Pendelschraube (das war auch der Grund, warum ich keine neue Stange aus Stahl gemacht habe), und die wollte ich erhalten, da Original.

Am Ende dann noch ein wenig den Auslösehebel justiert, damit die Auslösung auch um Voll passierte und nicht vorher oder nachher.
3587-Justage-der-Ausloesung.JPG
Lässt sich doch sehen, die alte Dame, oder? Das war etwas mehr als das übliche Waschen, Legen, Föhnen!
3595-Fertig.JPG
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Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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KleineSekunde
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Re: Schwarzwald-Uhr, ca. 1840

Beitrag von KleineSekunde » Mo 17. Nov 2014, 22:33

Hallo Rolf-Dieter,

vielen Dank auch hier für deinen Bericht!
Der_Stromer hat geschrieben:Eine Inschrift auf der Rückseite nannte ein Reparaturdatum: März 1942. Wenn das wirklich die letzte Ölung der Uhr war?
Eine entsprechende Inschrift sehe ich auf dem dann folgenden Foto zwar nicht, aber für denkbar halte ich sie schon: Vermutlich haben viele Uhren für viele Jahre / Jahrzehnte ein "unbeachtetes Dasein" gefristet. Und die, die die Zeit überdauert haben, also nicht entsorgt wurden, kommen nun wieder in den Fokus von Liebhabern. Schön!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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