Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

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Der_Stromer
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Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von Der_Stromer » Fr 23. Aug 2013, 18:25

Französische Kaminuhr Eugene Farcot, ca. 1860

So eine Exotin habe ich noch nicht auf dem Tisch gehabt. Daher erstmal was zum Hersteller: Eugéne Farcot, geboren 1830 in Sainville, Frankreich. Seine Ausbildung zum Uhrmacher erhielt er um 1850 an der Uhrmacherschule von Cluses, "Ecole d'Horlogerie Cluses" die in 1848 gegründet wurde.

Bekannt wurde Eugéne Farcot durch seine „mysteriösen“ Uhren. Heutzutage ist er relativ in Vergessenheit geraten, aber in Amerika gibt es noch einige seiner „Groß-Uhren“, so z.B. eine 3 Meter hohe Mysteriöse, die im Roosevelt-Hotel in New Orleans steht ( Text zum Teil aus Watch-Wiki).

Nun zu dieser Uhr selbst: Es ist eine ganz normale Französische Kaminuhr. Das Gehäuse besteht aus zwei Teilen: Einmal Zinkguss-Teile, die mit einem Goldlack überzogen sind und das Werkgehäuse aus schöner Keramik mit recht aufwändiger Verzierung. Alles mit diversen Schrauben verbunden wie ein Puzzle.

Das Ziffernblatt ist ein Emailring, aufgesetzt auf eine vergoldete Platte, die auch gleichzeitig als Werkhalter dient. Verschlossen wird das Blatt durch eine Messing-Lünette mit gewölbtem Glas. Hinten ist das Werk durch einen Messingdeckel verschlossen.
2576-Vorderseite.JPG
Zum Uhrwerk: Auf der hinteren Platine deutlich sichtbar die Bildermarke „Fot Bte“ im Schild mit Anker und Stern darüber. Dieses Werk hat eine Serien-Nummer, doch leider war es mir nicht möglich, hier eine Liste zu entdecken, um das Herstellungsdatum genauer bestimmen zu können. 1870 ist daher eine Annahme.
197-Die-Bildmarke.JPG
Es handelt sich um ein 8-Tage-Werk.

Zum Problem der Uhr: Nun, wie öfter bei solch alten Schätzen wurde mal versucht, mit Speiseöl die Gangbarkeit wieder her zu stellen. Ist natürlich nicht gelungen, aber gerochen hat das Werk auch nach Jahren noch nach „Gemischtem Salat“.
2564-Veroelt.JPG
Also erst einmal das Werk ausbauen, demontieren und ab in das US-Bad. Es brauchte 3 Bäder, um alles Fett zu entfernen.
2569-150-Jahre-Schmutz.JPG
Danach dann das Aufarbeiten der Räder, Wellen, Platinen und Zapfen, Reinigen der Lager. Bei den Lagern stach besonders das Hemmrad-Lager ins Auge:
208-Lager-zu-tief.JPG
Es hatte sich regelrecht in die Platine „Eingegraben“ und klemmte natürlich. Die Hemmrad-Lager wurden laut Gravur wohl schon mal um 1932 ersetzt (leider ohne besondere Leidenschaft, wie ich meine). Hier blieb also nur übrig, diese Lager beide zu erneuern. Hartmessinglager sollen es wohl für die nächsten 40 Jahre richten!
209-Neues-Lager.JPG
Alle anderen Lager waren in Ordnung und so konnte das Werk wieder montiert und zum Probelauf in einen Halter gestellt werden. Es lief, aber nicht so, dass ich zufrieden gewesen wäre. Zu schnell und zu ungleichmäßig.
Da erinnerte ich mich daran, dass ich etwas Ungewöhnliches an der Hemmung gesehen hatte (ich hatte noch nie eine Brocot-Hemmung in Arbeit). So dunkel erinnerte ich mich daran, dass die Paletten der Brocot-Hemmung, hier sind es Stahlstifte, mit ihrem Halbrund die Hebung und die Rückführung bewerkstelligen.

Hier hatte aber Jemand dran gedreht und die Stifte so gestellt, dass die flachen Seiten ganz knapp an den Hemmrad-Hebeflächen angriffen. Also, dass musste noch behoben werden.
212-Wer-macht-sowas.JPG
Dabei machte es dann leise „Knacks“. Kennt man ja von irgendwo her, oder :roll: ?
216-Brocot-Hemmung.JPG
Also Tamponstahl der richtigen (0,8mm) dicke, ein Ende leicht konisch geschliffen und die Fläche ausgeschliffen. Die Rundung poliert und den Stift Eingeschlagen. Jetzt war es das Werk zufrieden und ich auch. Jedenfalls im Probelauf konnte der Gang sehr gut reguliert werden und auch der Abfall war schön Gleichmäßig.
2553-Das-Werk.JPG
Leider ein "veröltes Bild", da ich keines vom sauberen Werk gemacht habe :oops: .

Nach 3 Tagen dann bei schönstem Sommerwetter in das inzwischen gereinigte und gewachste Gehäuse zusammen gebaut und das Werk eingebaut. Voller Freude über das gelungene Werk aufgestellt und….
Die Uhr bleibt stehen! Alles Mögliche überprüft und gesichtet, bis das Problem gefunden war: Das Pendel berührte ganz leicht die Innenseite des Keramik-Gehäuse! Also das Werk wieder raus und die Pendelstange etwas gerichtet (zum Glück ist der Anker hier mit einem Kloben am Werk befestigt, so dass man (ich) den Anker recht einfach herausnehmen kann, ohne gleich das ganz Werk zerlegen zu müssen).

Die Restarbeiten waren dann noch Filzstücke unter die Füße kleben (die Uhr wiegt ca. 5,5 kg und würde wohl die Möbeloberfläche arg strapazieren), Pendel Sichern, Verpacken und ab zum Besitzer. Viel Spaß mit der schönen alten „neuen“ Farcot“.
2594-Fertig.JPG
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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von KleineSekunde » Fr 23. Aug 2013, 19:41

Hallo Rolf-Dieter,

schön, dass die Uhr nun wohl wieder gut funktioniert! Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht.

Eine Frage hätte ich da:
Der_Stromer hat geschrieben:Also Tamponstahl der richtigen (0,8mm) dicke, ein Ende leicht konisch geschliffen und die Fläche ausgeschliffen. Die Rundung poliert und den Stift Eingeschlagen. Jetzt war es das Werk zufrieden und ich auch.
Ich kenne natürlich weder diese Uhr, noch kenne ich mich mit Brocot-Hemmungen wirklich aus, aber bei dem, was ich bislang gesehen habe, waren die Stifte deutlich dicker als 0,8 mm. Oder ist der Zapfen abgebrochen? Aber dann würde es ja keinen Sinn machen, "die Fläche auszuschleifen".

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von Der_Stromer » Sa 24. Aug 2013, 11:56

;) Hallo Guido,

Na, da geht es Dir ja so wie mir, als ich diese Uhr gesehen habe! Aber eben darum habe ich natürlich den noch vorhandenen Stifft gemessen und der hat 0,8mm. Also musste der Abgebrochene ja auch so sein. Und es funktioniert ja.... :mrgreen:
Hallo aus der Oberpfalz
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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von Berrnd-Klaus » So 25. Aug 2013, 19:12

Hallo,

auch ich habe so dünne Stifte noch nicht gesehen,meine hatten 1,6 oder 1,8 mm Durchmesser.Als Ersatz
verwendete ich eine passende Wecker-Unruhwelle.Die hat ja schon den Einschnitt und ist super pöliert,hat jedesmal gut geklappt.

Gruß Bernd-Klaus

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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von wahli76 » Di 27. Aug 2013, 10:52

Hallo zusammen,

wer sich näher mit der Konstruktion von Hemmungen auseinandersetzen möchte, dem sei Gazely: Watch and Clock Escapements empfohlen. Alles gut erklärt und die Konstruktionen leicht nachvollzeihbar.

Bei der Brocot-Hemmung soll der Durchmesser der Paletten etwas weniger als den halben Abstand zwischen den Zahnspitzen des Hemmrades betragen. Oft sind die Arme des Ankers verbogen und einige Einstellarbeit ist nötig, aber das hat ja gut geklappt, gratuliere!

Viele Grüße

Kurt

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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von Der_Stromer » Mi 28. Aug 2013, 16:27

@ All: Vielen dank für den Zuspruch. Mit der Dicke der Stifte? Na, meine erste Brocot-Hemmung und da blieb einfach nichts weiter übrig, als zu Messen :? . Und der noch vorhanden Stift hatte wirklich nur 0,8 mm.

@ Kurt: Vielen dank für den Hinweis. Ich habe das Buch gefunden und bestellt. Man (ich) lernt ja nie aus :mrgreen: .

Ps.: Auch der Hinweis auf Durchmesser zum Abstand der Zähne passt. Den habe ich zwar nicht gemessen, aber so nach Augenschein stimmt das auch.
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Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von petsch » Mi 28. Aug 2013, 19:56

Hallo Rolf-Dieter,
das ist schon eine imposante Uhr. Vielen Dank für die Vorstellung und den Reparaturbericht.

Es tauchen doch immer wieder einige Uhren von Farcot auf. Er war nicht nur für die "mysterieusen" Uhren mit dem Kegelpendel bekannt, sondern auch für Portaluhren mit schaukelnden Mädchen oder Engeln als Pendel (von vorne nach hinten). Und auch, so wie das bei Deiner gezeigten ist, für Uhren mit festem Pendel und sichtbarer Gangpartie. Oder für Wanduhren mit dem Aufzug durch eine Schnur. Meist also "etwas andere" Uhren.

Deine ist wohl , der hohen Nummer nach (wenn ich richtig sehe, 90.... ? ) , eine der letzten Uhren von Farcot.


Hier bei ebay wurde eine ziemlich ähnliche Uhr wie diese versteigert : http://www.ebay.co.uk/itm/Antique-Chine ... 1081597565

Und hier http://www.downloadatlas.com/video-tuto ... 39375.html sieht man eine der Uhren (es waren angeblich um die 20) für die er berühmt ist.

Gruß
Peter

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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von Der_Stromer » Di 17. Sep 2013, 16:14

Hallo Peter,

danke für das Lob. Ja, war eine schöne Erfahrung, die Arbeit an dieser Uhr.

Zur Nummer: 90605, doch noch im 19. Jahrhundert, so um 1860 herum (ich habe immernoch keine Nummernliste für Farcot gefunden. Hat Jemand eine????).
Und die riesigen Mysteriösen vom Eugené? Ja, 2 Stück sollen in USA noch zuverlässig die Zeit anzeigen. Bilder von denen kenne ich, aber dort war ich selbst noch nie und werde das wohl auch nicht mehr hin bekommen :( . Aber was solls: Hin- und wieder so eine Uhr auf dem Tisch bringt es ja auch :D .

@ Kurt: Das Buch ist da und schon (fast) zerfleddert vom vielen Lesen. Für mich als Laien schon sagenhaft, was die Uhrmacher an Hemmungen so alles Konstruiert haben. Ganz toll die Anleitungen zum Polieren und Herstellen! Also nochmals Danke für den Tipp :D
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: Französische Kaminuhr Eugène Farcot, ca. 1870

Beitrag von petsch » Di 17. Sep 2013, 20:25

Hallo Rolf-Dieter,
ich halte die Uhr für etliche Jahre jünger als 1860, einmal wegen der Nummer und auch wegen ihres Aussehens.

Gruß
Peter

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