KIENZLE Wanduhr ca. 1921

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Der_Stromer
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KIENZLE Wanduhr ca. 1921

Beitrag von Der_Stromer » Do 25. Dez 2014, 14:55

Der Hersteller dieser Uhr war die Uhrenfabrik KIENZLE, Herstellungsdatum der Uhr ab 1921. Zu diesem Datum wurde die Marke von KIENZLE – geflügeltes Ziffernblatt – als Markenzeichen eingetragen. Amerikaner-Werk, Bim-Bam-Schlag auf 3 Tonstäbe.
3267-Firmen-Marke.JPG
Folgendes muss gemacht werden:
1.) Die Pendelaufhängung und Pendelfeder sind nicht in Ordnung. Pendelfeder „Eiert“ und muss ersetzt werden.
3264-Schiefes-Pendel.JPG
2.) Die gesamte Pendelaufhängung muss überarbeitet werden, denn sie klemmt an einigen Stellen.

3.) Das Werk muss komplett zerlegt und gründlich gereinigt werden.
3527-Rostwerk.JPG
4.) Beim Schlagwerk ist mindestens ein Lager eingelaufen und muss erneuert werden.
5.) Hin- und wieder rutscht die Schlagwerkfeder mit lautem Knall durch.

Also frisch ans Werk im wahrsten Sinn des Wortes!

Das Werk wird zerlegt und alle Teile im US-Bad gründlich gereinigt. Etwas problematisch, da das verwendete „Reinigungsmittelchen“, mit dem das Werk mal behandelt wurde, den Reinigungsversuchen partout widerstehen wollte. 3 Durchgänge, und der alte Schmodder war runter und ich konnte die Lager und Zapfen begutachten.
0003-Anker-im-Rost.JPG
Wie schon vorher bemerkt, 3 Lager mussten ersetzt werden.
0005-Lager-Beisatzrad.JPG
0007-Lager-Sternrad.JPG
Pendellinse und Ziffernblatt - das bekannte, dünn versilberte - sahen grauslich aus
3528-Pendellinse.JPG
3531-Ziffernblatt.JPG


DSie Platinen
3532-Vorderseite.JPG
3533-Hintere-Platine.JPG
Jetzt kamen die Federhäuser an die Reihe, denn hier waren die Federn so verklebt, dass beim Ablaufen alle paar Stunden Schläge zu hören waren, die vom schlagartigen entspannen der Federumläufe her rührten. Nicht schön.
Die Federn waren einfach riesig! Die größte Hülse meines Federwinders reichte grade aus. Auch hier wieder alles, diesmal im Bezinbad, gereinigt und sauber abgewischt, bis nichts mehr von dem alten Fett übrig war. Die Zugfeder ließ sich dann auch problemlos wieder einwinden. Aber die Feder vom Schlagwerk (noch um einiges stärker) wollte nicht so, wie ich wohl wollte. Die Feder eingesetzt, vorsichtig die Kurbel gedreht und…. Peng – die Feder rutscht über die Niete. Also wieder raus mit der Feder und nachgeschaut: Der Federkopf, der eigentlich in das Federauge eingreifen soll, war an dieser Stelle schön rund bis auf den Grund vom Federhaus. Das konnte nicht funktionieren. Jetzt war eine Idee gefragt, ob ich das Problem ohne neue Niete lösen konnte. Da nach meiner Ansicht noch genügend „Fleisch“ an der Niete vorhanden war, um die Nute zur Aufnahme des Federauges wieder her zu stellen (Klingenstärke der Feder ist 0,7mm), suchte ich mir eine entsprechende Messerfeile aus meinem Sortiment und los ging’s mit dem Feilen. Nach einigen vielen Minuten passte dann die Nut wieder und endlich konnte auch diese Feder eingewunden werden. Für die, die es genau wissen möchten: Das Federauge war am Ende gerade und nicht rund wie die Niete. Die Nut, die ich feilte, war genau 0,7mm hoch und ca. 0,7mm tief. Das Federauge liegt fest an und klappert nicht. Es soll als für die nächsten Jahrzehnte halten.
Meine Theorie zu diesem Schaden: Durch das schlagartige entspannen der verklebten Feder war die Belastung an dieser Stelle zu groß und nach einigen Schlägen war die Nut abgeschert.

Der Rest ist dann schnell erzählt:
Räder gesetzt,
3567-Saubere-Sachen.JPG
3582-Glaenzende-Teile.JPG
Schlagwerk eingerichtet, Platine drauf, Probelauf für die Schlagwerk-Justage. Dann das Werk ins Gehäuse, Gehäuse senkrecht ausgerichtet und mit viel geduld den Abfall eingestellt. Der Gang war dann nur noch eine Frage von Tagen. Zuletzt beließ ich es bei einem Vorgang von 1 Minute in 24 Stunden, da sicher nach dem Transport nachgeregelt werden musste.
3583-Raeder-gesetzt.JPG
Und so sieht diese Uhr nach meiner „Kur“ jetzt aus:
3625-Fertig.JPG
Ps.: Das Gehäuse will der Besitzer selbst Aufarbeiten, ich habe nur die gebrochene Krone geleimt.
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Hallo aus der Oberpfalz
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Re: KIENZLE Wanduhr ca. 1921

Beitrag von gegensatz » Do 25. Dez 2014, 17:36

Hallo Rolf-Dieter,

zur Zeit bist Du ja wieder ganz schön aktiv - schon die dritte kranke Uhr, die Du hier vorstellst. Ganz toll, wie Du die Patienten wieder zum Laufen gebracht hast. Bist halt doch ein Profi, aber von solchen Leuten lebt das Forum und den dazugehörigen Tipps und Tricks.

Andere Frage: hattest Du schon mal ein Biedermeier-4/4-Schlag-Werk hergerichtet? ich sitze momentan über einem und komme damit nicht in Schuß, es ist zum Verzweifeln. Wenn es die Viertelstunden schlägt, ertönt gleich danach ein Schlag des Stundenwerkes und dann schlägt es die vollen Stunden. Den zwölften Stundenschlag kennt dieses Werk nicht.
Irgend etwas scheint hier mit der Viertelstundenscheibe und der Stundenscheibe und u.U. mit dem Auslösemechanismus nicht zu stimmen, aber was, vermutlich eine reine Einstellungssache. Bin momentan ganz schön sauer auf das Werk.

Was macht die Mieze? Mir ist leider ein Siam im September mit 11 Jahren innerhalb von 5 Tagen an Krebs gestorben, totales Organversagen. War ganz schlimm für mich.

Guten Rutsch ins neue Jahr und viel Gesundheit und wir hören wieder voneinander.

Viele Grüsse

Norbert
Zuletzt geändert von petsch am Fr 26. Dez 2014, 11:51, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Zitat herausgenommen

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Re: KIENZLE Wanduhr ca. 1921

Beitrag von Der_Stromer » Fr 26. Dez 2014, 09:03

Guten morgen, Norbert.

Also zu Deiner Frage 4/4 Schlag. Da gibt es viele Varianten und Deines muss nicht notgedrungen falsch Schlagen! Schau mak hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Schlagwerk_(Uhr) da werden so einige Schlagwerke beschrieben.

Und einfach so aus der "Lameng" heraus zu sagen, ist falsch oder richtig, geht da eben auch nicht. Bilder müssen schon sein.

Das mit Deinem Siam ist wirklich schade. Hoffenlich war es kein zu langer Leidensweg für das arme Wesen :oops:

Auch von mir alles Gute und guten Rutsch!
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: KIENZLE Wanduhr ca. 1921

Beitrag von wahli76 » Fr 26. Dez 2014, 10:01

Hallo Norbert (gegensatz),

mach doch zu dem 4/4-Schlagwerksproblem einen eigenen Thread auf und stelle auf jeden Fall Bilder ein. Dann kann man schon den einen oder anderen Tipp geben.

Viele Grüße

Kurt

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Re: KIENZLE Wanduhr ca. 1921

Beitrag von petsch » Fr 26. Dez 2014, 11:50

Hallo Rolf-Dieter,
vielen Dank mal wieder für den schönen umfangreichen Bericht über die Reparatur.

Hast Du das Zifferblatt gereinigt und es war wieder so schön oder hast Du es neu versilbert, beispielsweise mit Anreibeversilberung ?

Gruß
Peter

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Re: KIENZLE Wanduhr ca. 1921

Beitrag von Der_Stromer » Sa 27. Dez 2014, 10:59

Hallo,

aus (schlechter) Erfahrung klug geworden, habe ich hier zur PRIL-Flasche gegriffen, wie auch die Hausfrau beim wertvollen Porzellan :mrgreen: . Damit ging der Schmutz der Jahrzehnte ganz gut ab und auch die Roststellen (durch falsches Putzmittel war die Versilberung schon ein bisschen beschädigt) konnten einigermassen beseitigt werden. Anschließend das bekannte "Renaissance-Wax" drauf und mit einem weichen Lappen abgerieben. Kann sich sehen lassen, oder ;) ? Den Rest hat dann das Fotografieren gemacht :mrgreen: .
Hallo aus der Oberpfalz
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