Aug. Schatz & Söhne Ships Bell zum Zählen der Zeit gebracht.

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Der_Stromer
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Aug. Schatz & Söhne Ships Bell zum Zählen der Zeit gebracht.

Beitrag von Der_Stromer » Fr 3. Okt 2014, 16:07

Diese Uhr habe ich eigentlich als „Ersatzteilträger“ in der Bucht vor vielen Monaten erworben. Da einiges hinüber war, das ganze Teil für recht wenige €uronen.

Es ist eine
August Schatz & Söhne, Ships Bell, 8 Day, 7 Jewels. Kaliber SCHM.
Das ist die “Kleinausgabe” der berühmten “Royal Mariner”.
Mit verchromten, schweren Gehäuse.
0545-Vor-dem-Zerlegen.JPG
Bitte die Glasenuhr NIE mit den Schiffschronometern verwechseln. Beide hatten unterschiedliche Aufgaben: Das Schiffschronometer war (vor GPS) für die Kursberechnung Lebensnotwendig und war daher meist in der Kapitäns-Kajüte untergebracht, während die Glasenuhr für das geregelte Leben auf dem Schiff zuständig war und ist.

Etwas zu Glasenuhren vorab.
Glasenuhren sind Schiffsuhren, also Uhren, die vornehmlich auf Schiffen Verwendung fanden und daher niemals Pendel hatten.
Als Gangregler ist immer eine Unruh erforderlich, denn diesem Gangregler macht das Schwanken eines Schiffes kaum etwas aus. Pendeluhren würden sehr schnell ihren Dienst versagen.
Die Glasenuhren waren die Nachfolger der „Glasen“ – der ½-Stunden-Sanduhren.
Wie ja auch Landratten bekannt ist, wurden auf den Schiffen der Christlichen Seefahrt 6 Wachen über die 24 Stunden gehalten. Das heißt, alle 4 Stunden war Wachwechsel und die nächste Mannschaft musste antreten. In die so leer gewordenen Kojen schlüpften dann die Seeleute, deren Wache gerade geendet hat.

Im Prinzip ist hier ein Rechnenschlagwerk verbaut. Unterschiedlich sind folgende Teile:
1.) Der Auslöser. Bei normalen Schlagwerken ist der Nocken für den ½ Stundenschlag etwas Kürzer wie der des Stundenschlags, damit der Stopphebel des Rechen nicht voll ausgehoben wird. Hier sind beide Nocken gleich lang.
2.) Die Staffelscheibe ist in 3 Segmente á 4 Staffeln aufgeteilt.
3.) Eine sinnvolle Hebelanordnung kommt noch dazu, um den 2. Glasenschlag bei ½ zu verhindern.
4.) Das Hebnägelrad hat Hebnägel in einer Anordnung je 2 Hebnägel kurz hinter einander, dass erzeugt den Doppelschlag.

Jetzt aber zur Uhr. Ich sagte ja schon, Hersteller ist August Schatz & Söhne. Und dazu gleich etwas Verwirrendes!

Aug. Schatz & Söhne hatte die Fabrik in Triberg / Schwarzwald. Ein Sohn von August Schatz, Carl Schatz, er hatte die Englische Staatsbürgerschaft und hatte in England eine Uhrenfabrik gegründet. Mitarbeiter rekrutierte Carl aus der Insolventen BADUF in Gütenbach, von wo er aus der Konkursmasse auch etliche Maschinen nach England holte. Auf Grund der Weltwirtschaftskrise (seine Firma in England florierte nicht so richtig) bot nun die Gemeinde Gütenbach dem Carl Schatz die Gebäude der ehem. BADUF an. Carl gründete 1934 die GUFA. Die Firma war aber auf August Schatz und Rudolf Heim ins Handelsregister eingetragen.
Ab ca. 1958 begann bei der GUFA die Produktion der Glasenuhren für Aug. Schatz & Söhne. Ebenfalls wurden in Gütenbach auch Thermometer und Barometer gebaut und ebenfalls unter dem Namen „Schatz“ vertrieben. Daher gibt es komplette Zusammenstellungen – Glasenuhr, Barometer und Thermometer als Einheit. Dieser Uhrentyp und die komplette Einheit kamen beim Publikum gut an.
1980 wurde die GUFA komplett an Aug. Schatz & Söhne in Triberg verkauft, aber es wurde weiter in Gütenbach produziert, unter anderem jetzt auch Jahresuhren. Es ist sehr schwer, fest zu stellen, welche „Schatz“-Uhr nun wo gebaut wurde. Auch wurden dann in Gütenbach Jahresuhren unter GUFA vertrieben und eigene Batteriewerke etc. entwickelt.
1986 musste die Jahresuhrenfabrik Konkurs anmelden und die Produktion der Glasenuhren in Gütenbach ging an die Firma KUNDO, die mit 55 Mitarbeitern die Produktion der Glasenuhren weiter betrieb, unter dem Namen „Schatz“!
Diese Ausführungen stammen zum Teil aus dem Buch „Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 – 1980 Band 2“ von Hans-Heinrich Schmid.


Was war nun mit dieser Uhr? Na, sie lief nicht. Einfach, hm?

Als erstes war mal fest zu stellen, dass das Gehäuse und Ziffernblatt irgendwie mal mit arger Gewalt in Berührung gekommen sein musst: Das Ziffernblatt sah aus, als ob jemand die Lünette dagegen geschlagen hätte. Na ja, Äußerlichkeiten.
0546-Zifferblatt.JPG
Dann kam der eigentliche Fehler zum Vorschein: Der Gangregler – ein Echappement – hat seinen Geist aufgegeben, die Zapfen vom Hemmrad gebrochen. Diesen Fehler sollte ich leider noch öfter sehen müssen.

Mir war auch bald klar, was da passiert ist (als Warnung vor dem Nachmachen hier niedergeschrieben): Jemand hat versucht, das Echappement aus zu bauen, ohne die Gangfeder ab zu lassen. Dann ist natürlich, weil seiner Hemmung beraubt, das Werk durchgegangen und vor Schreck wurde versucht, dass Echappement wieder an seine Platz zu drücken und das haben die 0,2mm Zapfen nicht ausgehalten.

Also den Versuch gestartet, ein Echappement zu besorgen. Keine Chance! Nicht zu machen. Also zum Uhrmacher meines Vertrauens und den um Rat gefragt. Antwort: nein, tut mir Leid, aber das mache ich nicht.

Die Uhr also im zerlegten Zustand in eine Ecke vom „Unfertig-Regal“ und erst einmal was anderes auf den Tisch.
0547-Vorderseite.JPG
0548-Rueckseite.JPG
0548-Bildmarken.JPG
In der Bucht hin- und wieder mal nach Ersatzteilen für diese Uhr geschaut und da, auf einem Mal wird ein Echappement angeboten. Natürlich zugegriffen.In der Zwischenzeit hatte ich das Werk komplett zerlegt und im US-Bad auf die bewährte Art gereinigt, die Lager und Zapfen überprüft (dabei noch eben schnell festgestellt, dass im Hebnägelrad ein Nagel fehlte), das Werk wieder zusammengesetzt und grob vorjustiert.
2241-Nach-dem-Bad.JPG
2243-Raeder-und-Wellen.JPG
2409-Raeder-gesetzt.JPG
Glasen-Schlagwerke werden wie normale Rechenschlagwerke eingestellt. Bis auf die Hebel, die den Doppelschlag bei ½ verhindern. Bei einiger Logik nichts Hirnzerreißendes.

Als dann das frisch erworbene Echappement angekommen war, folgte der Einbau und ab zu Zeitwaage, meine alte neue Greiner Junior. Den Abfall reguliert und dann den Gang. Nach wenigen tagen dann ab ins Gehäuse.

Also jetzt, lange Schreibe kurzes Ende:

Da hängt sie, die Uhr. Die Tonfeder hat einen angenehmen Klang und stört auch den Schlaf nicht.
2885-Endlich-an-der-Wand.JPG
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Re: Aug. Schatz & Söhne Ships Bell zum Zählen der Zeit gebra

Beitrag von Berrnd-Klaus » Fr 3. Okt 2014, 19:00

Hallo Stromer,

wieder mal einen tollen Bericht mit Bildern eingestellt.

Den Bericht schreiben und die Bilder einstellen braucht man ja bald
einen halben Tag. Danke !

Gruß Bernd-Klaus

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Re: Aug. Schatz & Söhne Ships Bell zum Zählen der Zeit gebra

Beitrag von KleineSekunde » Sa 4. Okt 2014, 09:49

Hallo Rolf-Dieter,

vielen Dank für diesen schönen und detaillierten Bericht!

Mal eine Frage in die Runde:
Die meisten Räder sind wie üblich geschenkelt, während drei Räder (zu sehen in dem ursprünglichen Foto) statt der Schenkelung einfache Bohrungen aufweisen. Gibt es dafür funktionale Gründe oder sind die einfach nur durch einen anderen Zulieferer / mit vereinfachten Herstellfahren produziert worden und man hat die größere Masse in Kauf genommen? Bei den langsam drehenden Rädern sollte dies ja unkritisch sein, ein Rad beim Schlagwerk befindet sich jedoch recht nahe am Windfang und muss häufig beschleunigt und wieder abgebremst werden. Hier sollte die größere Masse doch eher unvorteilhaft sein.
2409-Raeder-gesetzt, mod.jpg
Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Re: Aug. Schatz & Söhne Ships Bell zum Zählen der Zeit gebra

Beitrag von Der_Stromer » So 5. Okt 2014, 12:28

@ Bernd-Klaus: Danke. Aber wie man ja schon festgestellt hat, ich schreibe manchmal auch gerne ;) .

@ Guido: Wirklich, da bin ich jetzt überfragt. Aber verschiedene Zulieferer ist sicher eine Möglichkeit. Ob sich das größere Gewicht der Räder (Beschleunigung) so auf das Schlagwerk auswirkt, glaube ich allerdings nicht. Dafür sind die Zeiten wohl doch zu kurz, als das man es hören würde.

:mrgreen: Ich jedenfalls höre da nichts :oops: .
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Re: Aug. Schatz & Söhne Ships Bell zum Zählen der Zeit gebra

Beitrag von KleineSekunde » So 5. Okt 2014, 21:18

Hallo Rolf-Dieter,
Der_Stromer hat geschrieben:Ob sich das größere Gewicht der Räder (Beschleunigung) so auf das Schlagwerk auswirkt, glaube ich allerdings nicht. Dafür sind die Zeiten wohl doch zu kurz, als das man es hören würde.
Ja, es ist wohl eher eine theoretische Frage, als dass man es auch wirklich hören könnte... "Stutzig" machte mich jedenfalls die Tatsache, dass das vorangehende als auch das nachfolgende Rad im Schlagwerk normal geschenkelt sind.

Aber das sollte die Freude an der Uhr natürlich nicht trüben!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

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