Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber 39

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Der_Stromer
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Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber 39

Beitrag von Der_Stromer » Fr 11. Jan 2013, 15:11

:) So, dann gleich mal zum Einstieg eine schöne Revision von mir.

Eine andere Uhr, die ich (mit Hilfe eines Freundes aus Österreich) wieder zum Leben erweckt habe:
August Schatz & Söhne, Royal Mariner, 8 Day, 7 Jewels, Kaliber 39. Eigentlich im Gehäuse der Aug. Schatz & Söhne „Ships Bell“ eingebaut, aber hier im großen Gehäuse der „Royal Mariner“. Zum Kaliber 39 noch einige Zeilen weiter unten. Sehr interessante Geschichte! Fast wie ein Roman.

Bitte die Glasenuhr NIE mit den Schiffschronometern verwechseln. Beide hatten unterschiedliche Aufgaben: Das Schiffschronometer war (vor GPS) für die Kursberechnung Lebensnotwendig und war daher meist in der Kapitäns-Kajüte untergebracht, während die Glasenuhr für das geregelte Leben auf dem Schiff zuständig war. Als dritte Schiffsuhr gibt es dann noch die „Tidenuhr“, eine Uhr, die für einen bestimmten Küstenbereich die Wechsel von Ebbe und Flut auf dem Ziffernblatt zeigte.

Etwas zu Glasenuhren vorab.
Glasenuhren sind Schiffsuhren, also Uhren, die vornehmlich auf Schiffen Verwendung fanden und daher niemals Pendel hatten (von den Anfängen der Schiffchronometer mal abgesehen). Als Gangregler ist immer eine Unruh erforderlich, denn diesem Gangregler macht das Schwanken eines Schiffes kaum etwas aus. Pendeluhren würden sehr schnell ihren Dienst versagen. Die Glasenuhren waren die Nachfolger der „Glasen“ – der ½-Stunden-Sanduhren.

Wie ja auch Landratten bekannt ist, wurden auf den Schiffen der Christlichen Seefahrt 6 Wachen über die 24 Stunden gehalten. Das heißt, alle 4 Stunden waren Wachwechsel und die nächste Mannschaft musste antreten. In die so leer gewordenen Kojen schlüpften dann die Seeleute, deren Wache gerade geendet hat.

Heute wird nur noch auf der "Gorch Fock", dem Segelschulschiff der Bundesmarine, "geglast.

Wie wurde also so eine Uhr eingesetzt?
Die Glasen (Sanduhr) musste vom Wachhabenden alle ½ Stunde umgedreht werden. Um der Mannschaft dies mit zu teilen, wurde die Schiffsglocke geschlagen. Jedes Umdrehen der Sanduhr wurde als „Glasen“ bezeichnet. Die Vollen Stunden waren immer gerade „Glasen“ und die ½ Stunde die Anzahl der Vollen Stunde + 1 Glasen, also ungerade. Und zwar in folgendem Ablauf:
Zitat aus WIKIPEDIA:
Wache Crew Glasenschläge - Rhythmus - Uhrzeit
8 1 2 3 4 5 6 7 8
.. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. ..
1. Tagwache (04:00 bis 08:00)
Morgenwache 1 04:00 04:30 05:00 05:30 06:00 06:30 07:00 07:30 08:00
2. Tagwache (08:00 bis 12:00)
Vormittagswache 2 08:00 08:30 09:00 09:30 10:00 10:30 11:00 11:30 12:00
3. Tagwache (12:00 bis 16:00)
Nachmittagswache 3 12:00 12:30 13:00 13:30 14:00 14:30 15:00 15:30 16:00
4. Tagwache (16:00 bis 20:00)
Plattfußwache 1 16:00 16:30 17:00 17:30 18:00 18:30 19:00 19:30 20:00
1. Nachtwache (20:00 bis 24:00)
Abendwache 2 20:00 20:30 21:00 21:30 22:00 22:30 23:00 23:30 24:00
2. Nachtwache (00:00 bis 04:00)
Hunde- oder Hundswache 3 00:00 00:30 01:00 01:30 02:00 02:30 03:00 03:30 04:00

Also bei 8 „Glasen“ ist der Wachbeginn, dann geht es weiter mit 1 Glasen, 2 Glasen, 3 Glasen, usw. Bei 8 Glasen dann wieder Wachwechsel, die nächste Crew trat den Dienst an.
Die „Glasen“ werden heute nur noch auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ geschlagen, aus alter Tradition.
Im Hafen wurde nie „Geglast“. Es gab ja die Kirchturmuhren, die die Zeit angaben.

Aber jetzt wieder zurück zur Glasenuhr. Ihr könnt Euch an Hand der Tabelle sicher vorstellen, dass der Glasenschlag ein besonderes Schlagwerk in der Uhr voraussetzt.
Im Prinzip ist hier ein Rechnenschlagwerk verbaut. Unterschiedlich sind folgende Teile:
1.) Der Auslöser. Bei normalen Schlagwerken ist der Nocken für den ½ Stundenschlag etwas Kürzer wie der des Stundenschlags, damit der Stopphebel des Rechens nicht voll ausgehoben wird. Hier sind beide Nocken gleich lang.
2.) Die Staffelscheibe ist in 3 Segmente á 4 Staffeln aufgeteilt.
3.) Eine sinnvolle Hebelanordnung kommt noch dazu, um den 2. Glasenschlag bei ½ zu verhindern.
4.) Das Hebnägelrad hat Hebnägel in einer Anordnung je 2 Hebnägel kurz hinter einander, dass erzeugt den Doppelschlag.

Jetzt aber zur Uhr. Ich sagte ja schon, Hersteller ist August Schatz & Söhne. Und dazu gleich etwas Verwirrendes!
Aug. Schatz & Söhne hatte die Fabrik in Triberg / Schwarzwald. Ein Sohn von August Schatz, Carl Schatz, er hatte die Englische Staatsbürgerschaft und hat in England eine Uhrenfabrik gegründet. Mitarbeiter rekrutierte Carl aus der Insolventen BADUF (Badische Uhrenfabriken) in Gütenbach, von wo er aus der Konkursmasse auch etliche Maschinen nach England holte. Auf Grund der Weltwirtschaftskrise (seine Firma in England florierte nicht so richtig) bot nun die Gemeinde Gütenbach dem Carl Schatz die Gebäude der ehem. BADUF an. Carl gründete 1934 die GUFA. Die Firma war aber auf August Schatz und Rudolf Heim ins Handelsregister eingetragen.
Ab ca. 1958 begann bei der GUFA die Produktion der Glasenuhren für Aug. Schatz & Söhne. Ebenfalls wurden in Gütenbach auch Thermometer und Barometer gebaut und ebenfalls unter dem Namen „Schatz“ vertrieben. Daher gibt es komplette Zusammenstellungen – Glasenuhr, Barometer und Thermometer als Einheit. Dieser Uhrentyp und die komplette Einheit kamen beim Publikum gut an.
1980 wurde die GUFA komplett an Aug. Schatz & Söhne in Triberg verkauft, aber es wurde weiter in Gütenbach produziert, unter anderem jetzt auch Jahresuhren. Es ist sehr schwer, fest zu stellen, welche „Schatz-Uhr nun wo gebaut wurde. Auch wurden dann in Gütenbach Jahresuhren unter GUFA vertrieben und eigene Batteriewerke etc. entwickelt.
1986 musste die Jahresuhrenfabrik Konkurs anmelden und die Produktion der Glasenuhren in Gütenbach ging an die Firma KUNDO, die mit 55 Mitarbeitern die Produktion der Glasenuhren weiter betrieb, unter dem Namen „Schatz“!

Diese Ausführungen oben stammen zum Teil aus dem Buch „Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 – 1980 Band 2“
von Hans-Heinrich Schmid.

Mir sind bis dato 4 unterschiedliche Kaliber dieser Glasenuhren bekannt:
1.) Royal Mariner mit dem Kaliber SCH, wahrscheinlich in Triberg gebaut (erste Variante mit zwei Hämmern)
2.) Kaliber SCH, aber jetzt nur noch mit einem Hammer. Das Heberad wurde entsprechen geändert.
3.) Ships Bell (GUFA noch unter Schatz) mit dem Kaliber SCHM
4.) Ships Bell (in Gütenbach unter der Regie von KUNDO) Kaliber 39
Alle diese Werke sind mit der Bildmarke Aug. Schatz & Söhne gemarkt. Verwirrend, das Ganz, gelle!?

Was war nun mit dieser Uhr? Na, sie zeigt die Zeit, wie sie wollte. Sehr ungenau und manchmal blieb sie auch einfach stehen.
Die Besitzerin hat einige Uhrmacher in ihrer Umgebung um eine Reparatur der Uhr gebeten, da sie sehr an ihr hängt. Alle haben eine Reparatur abgelehnt. Es gibt keine Teile mehr.
Die Uhr war äußerlich in einem sehr gepflegten Zustand. Aber nach öffnen des Gehäuses musste ich dann feststellen, dass da wohl Jemand einen Ölwechsel gemacht hat in der Hoffnung, die Uhr wieder zu richtigen Zeigen der Zeit bewegen zu können. Dem war aber sicher nicht so. Viel Öl hilft eben nicht immer.
Dann kam der eigentliche Fehler zum Vorschein: Der Gangregler – ein Echappement – hat seinen Geist aufgegeben, die Zapfen von der Unruh waren stark abgelaufen, die Welle musste ersetzt werden. Dazu kam dann noch, dass einige Lager (1 & 2. Rad vom Gangwerk und 1. Rad vom Schlagwerk) eingelaufen waren. Diese Lager mussten ersetzt werden.
Also meinen Bekannten aus Österreich kontaktiert: Kannst Du und willst Du? Er konnte und wollte.
Nach einiger Zeit kam dann das Echappement repariert zurück (eine fast passende Unruh-Welle wurde umgearbeitet) und wieder eingebaut. In der Zwischenzeit hatte ich das Werk gereinigt und die defekten Lager ersetzt, dass Werk montiert und eingestellt.
Jeder hier kennt ja die Problematik der Einstellung von Rechenschlagwerken! Einige Heber, Räder und Hebel müssen in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen, sonst funzt das nienich. Ich mach da vor dem Zerlegen immer Fotos. Hilft ungemein, aber eine Fummelei ist das trotzdem. Aber ich habe ja schon einiges an Übung mir diesen Uhren und Werken.
Der Test erforderte noch die Justage des Ganges, aber auch das war nun kein Problem mehr. Und dann ging es wieder zurück zu Besitzerin, auf dass sie (die Uhr natürlich) wieder ihren Glasenschlag genau hören lässt.
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Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber

Beitrag von soaringjoy » Fr 11. Jan 2013, 15:32

Dank für den schönen Bericht, Rolf-Dieter.

Tja, Glasenuhren und Schiffschronometer sind schon (fast) für sich alleine
eigene Fachgebiete.
Alleine die Geschichte der GUFA - JUBA - Schatz - Kundo Verbindungen liest sich
wie ein Mantel und Degen Epos, wohl wahr.

J.
"tempus nostrum"

winne
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Re: Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber

Beitrag von winne » Fr 11. Jan 2013, 17:02

@ Der Stromer


Hallo Rolf - Dieter

Herzlich willkommen im Forum .

Von Glasenuhren wusste ich nicht allzu viel außer das es sie gibt , mein Interesse liegt bei
Den Präzisions-Uhren . Danke für deinen schönen Bericht!
Viele Grüße aus dem schönen Ruhrgebiet

Gruß Winne

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Re: Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber

Beitrag von wahli76 » Fr 11. Jan 2013, 19:27

Hallo Rolf-Dieter,

herzlich willkommen im DGC-Forum! Und Glückwunsch zu Deinem Einstiegsthema; Glasenuhren tauchen in Bayern nicht so oft auf........


Servus

Kurt

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Gnomus
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Re: Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber

Beitrag von Gnomus » Fr 11. Jan 2013, 23:23

Für den Glasen-Schlag hatte ich mich schon sehr lange interessiert. Vor wenigen Jahren konnte ich endlich eine aus der Bucht fischen. Die hatte allerdings auch um "halb" die vollen Stunden geglast. Mein Eingriff ging zwar in die richtige Richtung, aber nicht ganz 100%ig. Etwa 6 min vor um fällt einer der beiden Hämmer (meine Glasenuhr hat 2 Hämmer) und holt sozusagen den überflüssigen Schlag von "halb" immer noch nach. Da ist so ein langer Hebel, der den 2. Hammer bei "halb" festhält. Den muß ich noch ein klitzekleines bißchen nachstellen.
Aber von dem Glasen-Schlag bin ich begeistert. Wenn ich nachts im Halbschlaf das Glasen höre, muß ich keine Schläge mitzählen, das Schlagmuster bleibt sozusagen im Kopf hängen. Und ob es z.B. nachts um 2 oder um 6 ist, das kann man meist noch irgendwie schätzen. Aber so weiß ich auch um "halb" wie spät es ist. Natürlich hab ich die Uhr nicht im Schlafzimmer hängen, die Frequenz der Glasenglocke (es ist kein Glas) geht irgendwie an die Schmerzgrenze, zumindest nachts. Aber ich kann die Uhr gut durch die Wohnzimmerwand hören.
Gruß
Micha

petsch
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Re: Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber

Beitrag von petsch » Sa 12. Jan 2013, 11:13

Hallo Rolf-Dieter,
da hast Du Dir wirklich viel Mühe gemacht.

Vielen Dank für den Bericht !

PS: Da er ja nicht nur ein Bericht über die Technik bzw. Reparatur der Glasenuhr ist, verschiebe ich ihn mal in die Galerie. Ich denke, da ist er besser aufgehoben.
Falls Du Dich spezieller mit Taschenuhren beschäftigen möchtest, besuch doch auch das pocketwatchforum :
http://forum.pocketwatch.ch/

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Re: Aug. Schatz & Söhne Royal Mariner Glasenuhr mit Kaliber

Beitrag von Der_Stromer » Di 29. Jan 2013, 19:08

Gnomus hat geschrieben:Für den Glasen-Schlag hatte ich mich schon sehr lange interessiert. Vor wenigen Jahren konnte ich endlich eine aus der Bucht fischen. Die hatte allerdings auch um "halb" die vollen Stunden geglast. Mein Eingriff ging zwar in die richtige Richtung, aber nicht ganz 100%ig. Etwa 6 min vor um fällt einer der beiden Hämmer (meine Glasenuhr hat 2 Hämmer) und holt sozusagen den überflüssigen Schlag von "halb" immer noch nach. Da ist so ein langer Hebel, der den 2. Hammer bei "halb" festhält.
Also da bin ich anderer Meinung: Der Hammer fällt richtiger Weise beim Auslösen der "Warnung" (Freilauf) aus der Klinke heraus. Wenn er dan aber auf die Glocke fällt, muss er nur ein wenig höher gestellt werden - einfach den Stopp-Arm etwas verbiegen.
Den muß ich noch ein klitzekleines bißchen nachstellen.
Aber von dem Glasen-Schlag bin ich begeistert. Wenn ich nachts im Halbschlaf das Glasen höre, muß ich keine Schläge mitzählen, das Schlagmuster bleibt sozusagen im Kopf hängen. Und ob es z.B. nachts um 2 oder um 6 ist, das kann man meist noch irgendwie schätzen. Aber so weiß ich auch um "halb" wie spät es ist. Natürlich hab ich die Uhr nicht im Schlafzimmer hängen, die Frequenz der Glasenglocke (es ist kein Glas) geht irgendwie an die Schmerzgrenze, zumindest nachts. Aber ich kann die Uhr gut durch die Wohnzimmerwand hören.
Versuchs mal. Hat bei mir auch etwas gedauert, bis ich dahinter gekommen bin :mrgreen:
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

http://www.rolf-dieter-reichert.de

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