Die mysteriöse Mamsell,
ganz sicher ein Nachbau aus China oder Indien, ca. 1980
Diese Uhr hat ein Vorbild von der Firma Junghans. Aber dieser Nachbau ist wesentlich jüngeren Datums, so um 1980 herum. Die Uhr arbeitet nach dem Prinzip des Gegenpendels mit mechanischem 5-Tage-Werk.
Die Bodenplatte, eine Marmorplatte, ist bei der Besitzerin der Uhr geblieben, das ersparte einiges an Portokosten! Das Uhrwerk wurde schon mal versucht, wieder in Gang zu bringen. Leider funktionierte die Idee nicht und so kam die Uhr dann zu mir. Eigentlich wollte ich da nicht dran gehen, denn Fake sind immer so eine undankbare Aufgabe.
Ich habe also der Besitzerin geschrieben, dass es sich bei dieser Uhr NICHT um ein Original der Firma Junghans handelt, sondern um eine Kopie entweder aus China (sagen die Experten aus Wien) oder aus Indien (meine Meinung). Die Besitzerin wollte aber unbedingt DIESE Uhr repariert haben. Sie hatte sich in diese mysteriöse Mamsell verliebt. Na ja, lange rede kurzer Sinn: Ich konnte nicht NEIN (wieder mal) sagen und so stand sie (die Uhr) dann erstmal bei mir herum.
Was war zu machen? Also erstmal war das Pendel sehr „gebastelt“. Ebenso der Anker-Kloben. Dazu rutschte noch der Anker auf seiner Welle – ein Vierkant – hin und her, weil nicht richtig befestigt. Die Stifte des Ankers waren zu dick und nach Art der Brocot-Hemmung abgeflacht. Auch waren die krumm und schief. Der hintere Gehäusedeckel und der Stellknopf fehlten und falsch zusammengesetzt war das Werk auch noch, nichts bewegte sich.
Da eine Anfertigung dieser Teile meine Fähigkeiten sowohl Zeitlich wie auch nach den erforderlichen Werkzeugen, übersteigen würde, habe ich intensiv nach Ersatzteilen gesucht. Nach 3 Monaten wurde ich fündig und konnte so ein Teil-Werk ungünstig im Netz erstehen.
Bis auf die Brücke war bei diesem Werk alles vorhanden, auch der hintere Deckel und der Stellknopf. Nun konnte ich also richtig los legen. Die Brücke für den Anker anfertigen war keine Hexerei. 1,5mm Messingblech ausgesägt und zugefeilt, drei Bohrungen – 2 für die Befestigung in Übergröße zur Justage – und eine für das Ankerlager. Hier wurde dann noch ein Hartmessingfutter eingeschlagen und angepasst. Bei allen Lagern auf den Werkplatinen musste ich die Ölhaltung noch nachträglich anbringen. Die waren einfach nicht vorhanden.
Dann die Reinigung aller Teile und Konservierung mit R.Wachs, wie gehabt. Der Zusammenbau war eigentlich eine Kleinigkeit, waren es doch nur 5 Räder im Werk selbst und nochmal 3 für das Zeigerwerk. Hier musste auf absoluten Leichtlauf geachtet werden, weil sich sonst die Zeiger nur mit ner Kneifzange hätten bedienen lassen!
Die offene Zugfeder habe ich mir einem Kabelbinder außerhalb der Uhr zusammen gebunden, bis sie genau mit dem Durchmesser in das Werk passte und auch die Schlaufe ohne Hakeln über seinen Pfosten ging.
Dann den Kabelbinder (nach Spannen der Zugfeder) entfernt und bei waagerechtem Werk den Abfall – Anker ist zügig auf der Welle befestigt – eingestellt. Natürlich war das Werk viel zu schnell, da ja das Gegenpendel (Uhrengehäuse und Pendelgewicht) noch fehlte. Beim Einbau gab es dann noch ein kleineres Problem, dass ich vorher nicht bemerkt hatte: Beim Original-Werk war ein falsches, weil zu niedriges Kunststoffglas verbaut und da drückte jetzt die Minutenwelle gegen.
Da konnte nur der Uhrmacher meines Vertrauens in Regensburg helfen. Und wirklich: Mit einem großen Glasabheben konnte das zu niedrige Glas entfernt werden und Passgenau ein höheres eingesetzt werden. Danke, Herr Gerlach.
Wieder zu Hause, die letzten Teile angebracht, das Werk aufgezogen und in die Halterung mit Glaslagern gesetzt, die Spannung steigt, einen Stupser und die Mamsell hält die pendelnde Uhr in ihrer Hand. Na, schaun mer mol, wie lange.
Die Feder hatte ich nur 5 halbe Schlüsselumdrehungen aufgezogen und das reichte der Mamsell für 3 Tage Zeit.
Schwierig war dann noch die Justage. Gegenpendel haben da ein wirklich extravagantes Eigenleben: Ein klein wenig zu viel, und statt schneller wird sie langsamer. Aber letztendlich habe ich gesiegt! Die Mamsell-Uhr zeigt recht genau die Zeit.
So, jetzt ist sie also wieder in Ordnung und ich hoffe, dass es auch noch ein paar Jahre so bleibt. Denn Uhrmacher, die solche Uhren in die Hand nehmen und reparieren werden, kann man mit der Lupe suchen und leider werden sie (die Uhrmacher, die das können und wollen) immer seltener. Müssten eigentlich schon unter „Artenschutz“ Stehen.
Die mysteriöse Mamsell - ca. 1980
- Der_Stromer
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Die mysteriöse Mamsell - ca. 1980
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- derTeichfloh
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Re: Die mysteriöse Mamsell - ca. 1980
Hallo,
schön, dass sich jemand auch an so ein Werk heranwagt und nicht gleich ablehnt.
Schön gemacht und gut geworden - Danke für das ausführliche Zeigen.
Ich selbst habe einen japanischen Nachbau (ca. 1960), also kein Orginal und auch keine Fake.
Gruss,
derTeichfloh
schön, dass sich jemand auch an so ein Werk heranwagt und nicht gleich ablehnt.
Schön gemacht und gut geworden - Danke für das ausführliche Zeigen.
Ich selbst habe einen japanischen Nachbau (ca. 1960), also kein Orginal und auch keine Fake.
Gruss,
derTeichfloh
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derTeichfloh
HolzZahnRadUhrenSammler
derTeichfloh
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Re: Die mysteriöse Mamsell - ca. 1980
Hallo Rolf-Dieter,
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
Schön, dass die Uhr wieder funktioniert! Wenn man deinen Aufwand betrachtet (Anfertigung eines Bauteils, langwierige Suche nach einem Spenderwerk, Anpassungsarbeiten,...) kann ich es in dem Fall (Fake) durchaus verstehen, dass Uhrmacher da lieber einen Bogen drum machen... Aber es stimmt natürlich schon, es wird nicht leichter, geeignete Uhrmacher zu finden.Der_Stromer hat geschrieben:So, jetzt ist sie also wieder in Ordnung und ich hoffe, dass es auch noch ein paar Jahre so bleibt. Denn Uhrmacher, die solche Uhren in die Hand nehmen und reparieren werden, kann man mit der Lupe suchen und leider werden sie (die Uhrmacher, die das können und wollen) immer seltener.
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
Re: Die mysteriöse Mamsell - ca. 1980
KleineSekunde hat geschrieben:Hallo Rolf-Dieter,
Schön, dass die Uhr wieder funktioniert! Wenn man deinen Aufwand betrachtet (Anfertigung eines Bauteils, langwierige Suche nach einem Spenderwerk, Anpassungsarbeiten,...) kann ich es in dem Fall (Fake) durchaus verstehen, dass Uhrmacher da lieber einen Bogen drum machen... Aber es stimmt natürlich schon, es wird nicht leichter, geeignete Uhrmacher zu finden.Der_Stromer hat geschrieben:So, jetzt ist sie also wieder in Ordnung und ich hoffe, dass es auch noch ein paar Jahre so bleibt. Denn Uhrmacher, die solche Uhren in die Hand nehmen und reparieren werden, kann man mit der Lupe suchen und leider werden sie (die Uhrmacher, die das können und wollen) immer seltener.
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
Hallo Guido,
dafür haben wir doch den Rolf-Dieter, der ohnehin nicht Nein sagen kann, wie er selbst schreibt und können tut er es doch auch.
@Rolf-Dieter: hast Du wieder toll hingekriegt
Viele Grüsse und Servus
Norbert
- Der_Stromer
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Re: Die mysteriöse Mamsell - ca. 1980
Danke, Freunde der Uhren.
Gestern berichtete mir die Besitzerin, dass die "Mamsell" einen neuen Bewunderer hat: Ihren 4 jährigen Enkel. Der stand bewundern vor dem Schrank und sagte "die gefällt mir"
Gestern berichtete mir die Besitzerin, dass die "Mamsell" einen neuen Bewunderer hat: Ihren 4 jährigen Enkel. Der stand bewundern vor dem Schrank und sagte "die gefällt mir"