Marinechronometer, Franz Lidecke, Geestemünde

alle anderen Uhrentypen
Antworten
lokonelly
Beiträge: 12
Registriert: Sa 30. Mär 2013, 16:02
Wohnort: Salzburg Land

Marinechronometer, Franz Lidecke, Geestemünde

Beitrag von lokonelly » Sa 13. Apr 2013, 15:29

:) Hallo Uhrenfreunde! :)
Heute möchte ich den Chronometer ein bißchen näher vorstellen.
Marinechrono (69).JPG
So sah der Chronometer aus, nachdem ich die angelaufenen Messingteile gereinigt hatte. Die meiste Arbeit machte aber der Kasten, der bei einem Hochwasser in Österreich mit dem nassen Element Bekanntschaft gemacht hat. Nach mehrtägigem Leimen, Schleifen und Wachsen war der Kasten soweit wieder in Ordnung.
Auf der Rückseite des Uhrengehäuses ist die Bootsnummer und der Reichsadler eingeschlagen.
Marinechrono (67).JPG
Das Minensuchboot M145 wurde in der Neptunwerft in Rostok gebaut, und der Stapellauf war am 22. Mai 1919. Vom Typ 1916 gab es 119 Boote (M57 bis M176). Die M145 versah ihren Dienst bei der 1. Minensuchflottille der Reichsmarine.
Marinechrono(77).jpg
Im September 1939 wurde von der Kriegsmarine die 6. Minensuchflottille aufgestellt. Sie bestand aus Booten des Typs 1916, darunter auch die M145.
1940 wurde die M145 generalüberholt und wurde zur M545 umbenannt.
Ab 1. Mai 1942 war sie dann Sperrschulboot M545 und fiel dann im Mai 1945 an die USA. Ab 19. März 1948 wurde die M545 als schwimmendes Wohnschiff in Hamburg verwendet und im September 1949 verschrottet.
Auf dem nächsten Foto sind die elektr. Kontakte zu sehen. (für Peter)
Marinechrono (64).JPG
Franz Lidecke regulierte an dem Chronometer vom 1. Mai bis 29. September 1916.Er machte die Prüfung 2. Klasse und wurde dann nach Kiel verkauft.
Lidecke lernte in Glashütte und bezog wahrscheinlich auch seine Rohwerke von dort.
Auf dem letzten Bild ist der Originalauszug aus dem Regulierbuch von Franz Lidecke von dem Chronometer zu sehen.
Marinechrono (97).jpg
Ich hoffe,ich habe Euch mit der Hintergrundinformation zu dem Chronometer nicht zu viel gelangweilt. Viele Grüße Willi.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

steffl62
Beiträge: 966
Registriert: Sa 21. Aug 2010, 09:47
Wohnort: Wien

Re: Marinechronometer

Beitrag von steffl62 » Sa 13. Apr 2013, 18:04

Lieber Willi,
die Hintergrundinformationen sind überhaupt nicht langweilig sondern ausgesprochen interessant. Ich wünschte ich hätte über einige meiner Uhren soviele Infos. Vielen Dank für die Mühe die Du Dir hier machst!

lg Christian
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!

Benutzeravatar
errata
Beiträge: 202
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 21:36
Wohnort: 74722 Buchen
Kontaktdaten:

Re: Marinechronometer

Beitrag von errata » So 14. Apr 2013, 07:14

Bitte verzeihe die Frage eines Unwissenden. Wie kommt auf eine Uhr von 1916 so ein Reichsadler?.
Gruß Manfred
Ein goldener Schraubendreher erspart unnötige Kosten

lokonelly
Beiträge: 12
Registriert: Sa 30. Mär 2013, 16:02
Wohnort: Salzburg Land

Re: Marinechronometer

Beitrag von lokonelly » So 14. Apr 2013, 11:25

errata hat geschrieben:Bitte verzeihe die Frage eines Unwissenden. Wie kommt auf eine Uhr von 1916 so ein Reichsadler?.
:) Hallo Manfred! :)
Ich kann mir vorstellen, daß der Adler erst im 3. Reich auf das Gehäuse gekommen ist. Es gibt auch mehrere Glashütte Marinechronos mit dem Adler.
Das Hackenkreuz habe ich wegen Verbots natürlich am Foto übermalt.
Viele Grüße Willi. :D

petsch
Administrator
Beiträge: 1836
Registriert: So 15. Aug 2010, 18:10

Re: Marinechronometer

Beitrag von petsch » So 14. Apr 2013, 17:13

Hallo Willi,
vielen Dank für die Geschichte des Chronometers. Ich glaube, das ist der erste Chronometer, der in Österreich abgesoffen ist :lol:

Schön, dass Du eine Kopie der ursprünglichen Regulierdaten Deines Chronometers hast.

Hast Du auch Informationen an wen die Uhr ursprünglich in Kiel verkauft wurde ? Sofort an die deutsche Marine ?
Chronometer waren so wertvolle Uhren, dass sie auch manchmal wieder zurückgekauft, neu reguliert und dann wieder verkauft wurden.
So könnte es gekommen sein, dass dieses Chronometer später das Hoheitszeichen mit dem Hakenkreuz bekommen hat. Denkbar wäre aber auch die spätere Kennzeichnung während einer Überholung. Original sieht es mir schon aus.

Dein Chronometer scheint eins von denen zu sein, dessen Rohwerk aus Glashütte stammt. Lidecke hat eine ganze Zeit in England gearbeitet und benutzte auch sehr viele englische Rohwerke, meist von Mercer.
Dieses hier hat aber sehr viel Ähnlichkeit mit den Glashütter Chronometern. Lieferant war dann wahrscheinlich Paul Stübner. Die Unruhe trägt einen Stempel, wenn ich das richtig sehe. Sind darin die Buchstaben RGG ? Dann wäre die Unruhe von Richard Griesbach Glashütte. Allerdings sind die Unruhegewichte mit der Schraube darin von oben für ihn eigentlich ungewöhnlich. Jedenfalls kenne ich sie bisher nicht aus Glashütter Chronometern.

Ein Foto der Kontaktvorrichtung hat mich interessiert, weil viele dieser Einrichtungen etwas anders ablaufen. Sie haben entgegen Deiner keine spitzen Auslösezähne, sondern abgeflachte, die den Kontakt 1/2 Sekunde offen halten.

Hättest Du vielleicht noch ein Foto von oben auf das Werk, so dass man die Platine in ihren Abmessungen und den Aufbauten und vor allem die Unruhe richtig sehen kann ?

Gruß
Peter

walter der jüngere

Re: Marinechronometer

Beitrag von walter der jüngere » So 14. Apr 2013, 18:57

petsch hat geschrieben:

....Allerdings sind die Unruhegewichte mit der Schraube darin von oben für ihn eigentlich ungewöhnlich. Jedenfalls kenne ich sie bisher nicht aus Glashütter Chronometern.
....
Gruß
Peter
Hallo,

diese Schrauben sind z.B. auf den Werken der "Chronometer-Werke GmbH" (spätere Wempe) oft zu sehen.

Walter d. J.

lokonelly
Beiträge: 12
Registriert: Sa 30. Mär 2013, 16:02
Wohnort: Salzburg Land

Re: Marinechronometer

Beitrag von lokonelly » So 14. Apr 2013, 19:19

:) Hallo Peter ! :)
Ich habe noch schnell einige Fotos vom Chronometer geschossen. Du hast recht, auf dem Unruheschenkel ist in einem Rechteck das RGG zu sehen.
Der Durchmesser des Werkes ist 82,8mm. Vielen Dank für Deine Informationen. :D Viele Grüße aus dem Salzburgerland Willi :)
DSCN2852.JPG
DSCN2854.JPG
DSCN2861.JPG
Marinechrono (68).JPG
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

petsch
Administrator
Beiträge: 1836
Registriert: So 15. Aug 2010, 18:10

Re: Marinechronometer

Beitrag von petsch » Mo 15. Apr 2013, 08:26

Ein Schiffschronometer mit der Nummer 404 von Franz Lidecke, also nur 3 Nummern über diesem hier, wurde im November 2013 bei Muser/Crott versteigert.
Interessant ist, dass es ursprünglich von Union / Glashütte mit der Nummer 20 gebaut worden ist (von 37 Stück, die Union gebaut hat) und auch von Union zur Prüfung in Hamburg eingereicht wurde. Später dann von Lidecke gekauft und unter seinem Namen und seiner Nummer (404) weiterverkauft, wie es in der Auktionsbeschreibung heisst.


Dieses Union Chronometer hat eine ähnliche Griesbach Unruhe mit den 4 Gewichten und 2 Schrauben (auch mit den Schrauben an den Unruhgewichten von oben, allerdings nur von oben)

Gruß
Peter

PS: Ich war fälschlicherweise davon ausgegangen, dass dieses Chronometer die Nummer 401 hat, aber wie ich jetzt erfahren habe ist es Nr. 461. Also doch nicht so nah an dem Union-Chronometer.
Zuletzt geändert von petsch am Di 16. Apr 2013, 18:39, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Nummernirrtum korrigiert

bat-flight
Beiträge: 28
Registriert: Sa 13. Dez 2014, 23:19

Re: Marinechronometer, Franz Lidecke, Geestemünde

Beitrag von bat-flight » So 13. Sep 2015, 20:13

Handelt es sich bei der M 145 nicht um die Marine Einsatznummer?

Benutzeravatar
droba
Beiträge: 839
Registriert: So 22. Aug 2010, 21:39

Re: Marinechronometer, Franz Lidecke, Geestemünde

Beitrag von droba » So 13. Sep 2015, 21:57

Hallo Lokonelly,

danke für Deinen interessanten Beitrag und die ERgebnisse Deiner Recherchen zu Lidecke und zu diesem Marine-Chronometer. Das hat mich bewogen, auch etwas in meinen Unterlagen nachzusehen, was sich über Lidecke finden lässt.

Lidecke hat 1894 seine Ausbildung in Glashütte mit Bravour abgelgt (Preisauszeichnung durch die Großmann-Stiftung) Er kehrte danach an seinen Geburtsort in Geestemünde zurück und hat wohl zeitlebens ausschließlich Marine-Chronometer repariert und justiert. Er hat sich viele Jahre an den Chronometer-Prüfungen beteiligt; seine "JAhresleistung lag aber bei nur etwa 2 Marine-Chronometern im Jahr.

Hier eine interessante Notiz aus dem Jahr 1902: Bei diesem Wettbewerb konnten seine Marine-Chronometer nicht prämiiert werden, da sie zu viele ausländische (genauer gesagt englische) Bestandteile enthielten. Der Grund war, dass in Deutschland noch nicht alle Bestandteile hergestellt, bzw, dass die englischen Bestandteile besser waren.
Lidecke AJU 1902.jpg
Lidecke hat auch mehrere Lehrlinge ausgebildet. Er war 1942 noch tätig, später taucht sein Name nicht mehr auf.

droba
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

Antworten