Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

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astrolab
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Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von astrolab » Mi 15. Jun 2011, 14:29

Ich möchte Euch hier mal eine Uhr zeigen die ich im vorigen Jahr von einem Bekannten geschenkt bekommen habe.

Es handelt sich um eine Blindfluguhr Bo Uk3 in der Bauart Schlenker - Grusen von der Firma Köhler & Co.
( In einem nächsten Beitrag werde ich etwas über die Firmengeschichte von Köhler & Co bringen)

Das erste Bild zeigt die Uhr von der Zifferblattseite her.
Borduhr-Koehler-+-Co.,-Ziff.jpg
Hier dann von der Rückseite.
Borduhr-Koehler-+-Co.,-von-.jpg
Die Innenansicht des Gehäuses.
Borduhr-Koehler-+-Co.,-Geha.jpg
Das Typenschild
Typenschild-Borduhr.jpg
Nun das Werk von der Seite
Borduhr-Köhler-+-Co.,-Werka.jpg
Zum Vergleich nachfolgend das Werk der Schlenker - Grusen. Ich habe das Bild von dem Mitglied Unnamed aus einem seiner älteren Beiträge gemopst. Ich hoffe mir wird verziehen.
cimg3537in2.jpg
Wenn man die beiden Werkbilder vergleicht stellt man fest das Aufzug und Zeigerverstellung bei der Uhr Köhler + Co gegenüber dem "Original" von Schlenker - Grusen spiegelbildlich angeordnet sind.
Ich habe überprüft das keines der beiden Bilder irrtümlich spiegelbildlich abgebildet wurde.

Meine Fragen nun:

1. Weist der Hinweis auf dem Typenschild "Bauart: Schlenker - Grusen" auf einen Lizensbau hin?

2. Warum wurde die Konstruktion von Schlenker - Grusen nicht einfach von Köhler + Co übernommen?

Bin neugierig auf Eure Antworten.


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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von droba » Mi 15. Jun 2011, 17:52

Hallo Astro,

ich bin kein absoluter Experte für Militäruhren, aber ich führe mal an, was mir zu den Uhren einfällt. Du kannst dann selbst entscheiden, ob es Dir einleuchtet, oder ob Du eine andere Erklärung befürwortest.

Ich fange mal mit der 2 Frage an: Die Spiegelbildlichkeit bezieht sich, wenn ich es richtig sehe, nicht auf den Werkaufbau, sondern nur auf den Aufzug. Könnte es sein, dass die Ausrichtung des Aufzuges frei gewählt werden kann? Denn Unruhe und Feinregulierung sind gleich und nicht spiegelbildlich.

Zu 1:

Es handelt sich um keine Militäruhr, sondern um eine zivile Uhr, denn bei einer militärischen Uhr würde kein Typenschild verwendet worden sein. Aber die Uhr ist sehr wahrscheinlich vollkommen baugleich im Krieg gebaut worden. Es ist bekannt, dass die Nazis darauf geachtet haben, dass kein kriegswichtiges Teil nur an einem Ort gefertigt worden ist, sondern an mehreren Orten, damit auf kein Teil verzichtet werden musste, bloß weil eine Firma ausgefallen ist. Original scheint die Uhr von Schlenker-Grusen (ISGUS) konstruiert worden zu sein, im Krieg sie dann sowohl von ISGUS und auch von Köhler in Laufamholz gefertigt worden. Es ist bisher schon bekannt gewesen, dass Köhler im Krieg nicht geschlossen war, sondern für die Rüstung gearbeitet hat. Also hatte Köhler alle Werkzeuge für die Fertigung dieser Uhr.
Es kann durchaus sein, dass die Alliierten von der Rüstungsfertigung bei Köhler gewusst haben, denn Köhler wurde im Krieg vollkommen ausgebombt, obwohl die Firma nur in einem Vorort von Nürnberg war und nicht im Stadtzentrum

Nach dem Krieg scheint Köhler die Fertigung (mit Zustimmung von ISGUS) dann weiter geführt zu haben.


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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von karlo » Mi 15. Jun 2011, 19:36

droba hat geschrieben: Zu 1:

Es handelt sich um keine Militäruhr, sondern um eine zivile Uhr, denn bei einer militärischen Uhr würde kein Typenschild verwendet worden sein.

droba
Hallo Droba,

mittlerweile tauchen immer mehr fuer echt befundene Uhren auf, bei denen das nicht stimmt.
Zumindest kann man es wohl nicht mehr als feststehende Tatsache werten.

Karlo

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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von droba » Mi 15. Jun 2011, 20:00

Hallo Karlo,

dazu kann ich nur sagen dass es mich sehr überraschen würde, wenn das eine Uhr aus dem Krieg wäre. Denn wer will denn dem Feind mitteilen, wo die Einzelteile eines Kampf- oder Jagdbombers hergestellt worden sind? Das kann mich nicht wirklich überzeugen. Zumal der Armee-Code von Köhler im Krieg auch bekannt ist: bke

Ein weiteres Detail zu Köhler:

Köhler hat vor dem Krieg vor allem Motorrad-Uhren hergestellt. Motorrad-Uhren sind nicht sehr weit von einer Borduhr weg.


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astrolab
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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von astrolab » Mi 15. Jun 2011, 21:05

Hallo droba,

ich danke für deine Ausführungen.

Aber im Prinzip wurden dadurch meine Fragen nicht beantwortet.

Ich kann mich bei der Beurteilung nur auf Fotos stützen, da mir eine Uhr von Schlenker - Grusen nicht vorliegt.
Und da sind erhebliche Unterschiede bei der Zifferblattbedruckung und beim Gehäuse zu erkennen.

Die Werkplatinen meiner Uhr lassen aus Platzgründen auch kein Wechseln des Aufzugs / Zeigerstellers zu.
Kann es sein daß das Gleichaussehen von Unruhe und Feinregulierung darin begründet liegt das beide Hersteller diese Teile vielleicht von einem Dritthersteller bezogen haben?

Nach meinen Recherchen im Net scheinen sehr wohl Borduhren mit Typenschild in Flugzeuge der Luftwaffe eingebaut worden zu sein.
So ist nicht auszuschließen das die Bombardierung des Firmengeländes der Firma Köhler + Co. 1943 auf den Fund solcher Uhren in abgestürzten Flugzeugen durch die Alliierten zurück zu führen ist.

So sollen Uhren der Bezeichnung Bo Uk 3 in Bomber wie Ju 88 und H 111 oder in Transportmaschinen wie Ju 52 eingebaut worden sein, wobei die Uhren Bo Uk 3 den Funkern gedient haben sollen, während die Bo Uk 3 wegen des vorhandenen Sekundenzeigers und der Stoppfunktion in den Cockpits der Piloten untergebracht worden sein sollen. Kann ich nicht beurteilen. Bin da kein Experte.

Nach Kopien von Unterlagen aus Laufamholz (Vorort von Nürnberg und Sitz der Firma) endet die Firmengeschichte nach dem Luftangriff in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1943 wobei das Werk vollständig zerstört wurde. Ich habe keine Informationen darüber daß das Werk nach dem Krieg wieder aufgebaut und die Firma weitergeführt wurde.




Hallo Karlo,

ich kann Dir nach meinen neueren Recherchen nur kommentarlos recht geben.



Astro
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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von petsch » Mi 15. Jun 2011, 21:14

Ich habe keinen Zweifel, dass die Uhr militärische Verwendung hatte.
Die Fl - Nummer Fl-23888 sagt das auch eindeutig aus.

Auch die nachweislich für das Militär hergestellten B-Uhren der Marine und der Luftwaffe von Lange, Wempe, Laco und anderen tragen ein Typenschild im Inneren (eingraviert) mit den gleichen Angaben (Hersteller, Bauart, Gerätenummer, Anforderungszeichen usw.)
Den Gedanken, dass man dem Feind keine Herstellerinformationen geben will, kann ich zwar nachvollziehen und es mag auch Intrumente oder Sparten gegeben haben, in denen das so war, aber es gab zweifelsfrei auch reichlich Gegenbeispiele wie diese Blindfluguhr. Die Anforderungen an diese Uhren wurden vom Reichsluftfahrtministerium festgelegt.

Gruß
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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von astrolab » Mi 15. Jun 2011, 21:20

Hallo petsch,

deine Einschätzung deckt sich vollkommen mit meinen Recherchen.

Aber zu meiner Frage:

Lizensbau oder geklaut?


Gruß

Astro
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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von droba » Mi 15. Jun 2011, 21:29

astrolab hat geschrieben:Hallo droba,

ich danke für deine Ausführungen.

Nach Kopien von Unterlagen aus Laufamholz (Vorort von Nürnberg und Sitz der Firma) endet die Firmengeschichte nach dem Luftangriff in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1943 wobei das Werk vollständig zerstört wurde. Ich habe keine Informationen darüber daß das Werk nach dem Krieg wieder aufgebaut und die Firma weitergeführt wurde.

Astro
Hallo Astro,

zu der Diskussion, ob Deine Uhr militärisch war oder nicht, kann ich nichts mehr beisteuern. Ich habe hier kein konkretes Wissen, sondern ich habe nur meinen Eindruck wiedergegeben.


Aber zur Firma Köhler kann ich noch etwas sagen. Die Firma hat eine recht interessante Geschichte.

Köhler wurde nach dem Krieg von Laufamholz nach Burgbernheim ausgelagert, bis die Firmengebäude in Laufamholz wieder aufgebaut oder repariert waren. Köhler war keine sonderlich große Firma, sondern hat nur 100-120 Mitarbeiter gehabt. Allerdings lautete die Adresse nach dem Krieg in Laufamholz anders, als vor dem Krieg, deshalb könnte es sein, dass die Firma nach dem Krieg in Laufamholz einen anderen Standort hatte, als vorher. Köhler wurde 1968 geschlossen.

Die ausführliche Firmengeschichte der Firma Köhler & Co. findest Du im "Lexikon der deutschen Uhrenindustrie 1850-1980."


droba

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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von petsch » Mi 15. Jun 2011, 21:36

astrolab hat geschrieben:
Aber zu meiner Frage:

Lizensbau oder geklaut?

´

Meinst Du wegen der unterschiedlichen Herstellerangaben : Bauart Schlenker und Grusen und Hersteller Köhler ?

Da ist diese Uhr kein Einzelfall. Auch die von mir erwähnten Marine und Luftfahrtbeobachtungsuhren von Lange und Söhne hatten so eine Bezeichnung , nämlich als Bauart : Lange und Söhne und als Hersteller, entweder Lange selbst , oder Wempe und noch andere.

Ich erkläre mir das so, dass evtl. die Rohteile von der einen Firma stammen und die Feinabstimmung und der Zusammenbau aus Auslastungsgründen von anderen Fabriken mit übernommen wurden.

Oder vielleicht auch die Herstellung der Rohteile nach den Zeichnungen der ursprünglichen Fabrik, die ja dafür die Zulassung des zuständigen militärischen Stelle (im Fall der Blindfluguhr, das RLM) hatte.

Gruß
Peter

Informationen liefert auch das Buch von Konrad Knirim : "Militäruhren" und die unten aufgeführte Seite von ihm, in der auch von der Blindfluguhr die Rede ist. Interessant ist auch ungefähr in der Mitte der Seite die Abbildung einer Geräteliste des RLM mit den verschiedenen Fl-Nummern und den Herstellern. http://www.konradknirim.online.de/rlm1.pdf
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Re: Blindfluguhr Bo Uk 3 - Köhler & Co.

Beitrag von astrolab » Do 16. Jun 2011, 11:18

Hallo Droba,

Herzlichen Dank nochmal für deine Einschätzung.

Interessant war für mich die Info über das Weiterbestehen der Firma Köhler nach dem Krieg, was meine Quelle in Laufamholz mir heute Morgen auch bestätigt hat. Hatte er bei Übersendung der Kopien vergessen beizugeben.


Hallo Peter,

ich denke warum die Uhr von Köhler in wesentlichen Details abweicht wird sich wohl nicht mehr klären lassen.
Ich persönlich glaube nicht an einen Lizensbau. In dem Falle hätte man die Originalkonstruktion schon aus Zeitgründen 1:1 übernommen.
Denkbar wäre auch folgendes: Köhler wollte sich an dem nicht unerheblichen Geschäft des Borduhrverkaufs an die Luftwaffe beteiligen hatte aber keine eigene Konstruktion und ist dann von der Schlenker-Grusen Uhr ausgegangen.
So kam es, wohl Betriebsintern bedingt, zu den Abweichungen zum Original.
Um einem wahrscheinlichen Rechtsstreit aus dem Wege zu gehen verwies Köhler dann mit der Beschriftung des Typenschildes auf die Firma Schlenker-Grusen.

Es wären aber auch noch andere Gründe denkbar.

Dein Hinweis auf das Knirim-Buch finde ich sehr interessant. Werd ich mal in ner ruhigen Minute durchlesen. :lol:


MfG

Rolf
Gruß
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