Vorstellung und Fragen zu Standuhr

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Minzbonbon
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von Minzbonbon » So 15. Mär 2020, 18:14

So, die Fakten sind geschaffen, ich habe den Anker gehärtet und angelassen, das scheint mir auf jeden Fall auf die Dauer haltbarer. Jetzt muss ich mich noch um das Hemmungsrad kümmern. Ich habe das mal per Hand Zahn für Zahn unter der Messuhr durchgedreht mit dem Ergebnis, dass die Höhen der Zahnspitzen um ca. 20/100 mm hin und her schwanken, also zwei Zehntel Millimeter! Das ist deutlich zu viel, denke ich. Und dabei ist der wahrscheinlich ebenso schwankende Winkelabstand zwischen jeweils zwei Zähnen noch gar nicht berücksichtigt. Hat einer von Euch eine Idee, wie man ohne Spezialwerkzeug hier etwas dran machen kann? Oder hat / kennt jemand irgendeine Möglichkeit, das bezahlbar machen zu lassen?

steffl62
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von steffl62 » Mo 16. Mär 2020, 08:41

Hallo Thomas,
gut gemacht! Ich denke auch das da ein gehärteter Stahlanker rein gehört.
Die Höhentoleranz beim Ankerrad finde ich eigentlich ganz in Ordnung. 2/10 mm sind nicht viel und wenn man das Alter dazu nimmt ein durchaus guter Wert. Das war ja auch niemals eine PPU. Ich würde das einfach so lassen wenn das Werk läuft. Hör doch einfach mal eine Weile zu, wenn beim Ankerrad was nicht stimmt kann man das oft an den Geräuschen der Hemmung hören. Wenn das schön gleichmässig klingt würde ich das so lassen.Mit welcher Temperatur hast Du den Anker denn angelassen?

lg Christian
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Minzbonbon
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von Minzbonbon » Mo 16. Mär 2020, 10:02

Hallo Christian,
Härtetemperatur hellrot, also ca. 900 °C, abgeschreckt in Wasser, angelassen mit rot-braun-violett, also ca. 280 °C. Da ich das mit der Lötlampe gemacht habe, ist das Ergebnis vielleicht nicht 100%. Ich habe kein Härteprüfgerät, aber meine Feile sagte mir, dass das Material nach der Wärmebehandlung deutlich härter ist als das Ausgangsmaterial.
Zu den Ungenauigkeit im Hemmungsrad: Man hört ein deutlich ungleichmäßiges Ticken, und es verändert sich im Laufe einer Umdrehung von Tick-Taaack auf Tiiick-Tack. Irgendwie unbefriedigend. Mal sehen, was ich mache, laufen tut sie ja zuverlässig.
LG - Thomas

Minzbonbon
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von Minzbonbon » Mo 16. Mär 2020, 11:00

Hier mal zwei Bilder von der Wäremebehandlung des Ankers.
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Minzbonbon
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von Minzbonbon » Mi 1. Apr 2020, 18:30

Liebe Kolleg/inn/en,
inzwischen konnte ich mit viel Glück einen Teil der Historie der Uhr rekonstruieren. Auf dem oberen Abschlussbrett des Gehäusekopfes befindet sich eine eingeritzte Inschrift, die nach dem Entfernen der dicken Dreckschicht sichtbar wurde. Wie sich bei der (sehr mühsamen) genauen Untersuchung / Entzifferung herausstellte, stellte sie einen Namen, eine Anschrift, eine Telefonnummer und ein Lieferdatum (19 - 1 - 62) dar. Die Anschrift befindet sich in Aalborg, Nord-Dänemark, im Stadtteil Hasseris. Meine Recherche per Brief an die heutigen Besitzer des Hauses ergab, dass es sich bei dem Namen um die Vorbesitzer des Hauses handelt. Die Witwe des Vorbesitzer-Ehepaars lebt im hohen Alter von 94 Jahren putzmunter in einem Appartement in Aalborg. Sie berichtet, dass sie die Uhr 1962 von ihrem Vater geschenkt bekommen hat, der sie in Nibe nahe Aalborg gekauft hatte. Im Jahre 2008 haben sie und ihr damals noch lebender Mann aus Altersgründen ihr Haus verkauft und sind in ein Appartement gezogen. Die Uhr war damals bereits defekt und Reparaturversuche waren erfolglos geblieben. Sie verblieb daher zusammen mit anderen Möbeln im Haus und ein Entrümpelungsunternehmen durfte sie zusammen mit anderen zurückgelassenen Einrichtungsgegenständen verwerten. Ich selber habe sie im Februar 2017 erworben von einem Sammler aus Selm, der aus Altersgründen keine Chance mehr sah, sie noch herzurichten. Wie sie in seinen Besitz kam, ist mir leider unbekannt. Die alte Dame hat sich übrigens über den unerwarteten Kontakt und die Tatsache, dass die Uhr nun wieder läuft und einen Liebhaber gefunden hat, sehr gefreut. Und ich auch, denn die Herkunft der Uhr aus dem skandinavischen Raum ist nun noch besser abgesichert.
LG - Thomas

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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von steffl62 » Sa 4. Apr 2020, 09:49

Hallo Thomas,
das ist eine richtig schöne Geschichte. Ich finde solche Nachforschungen ganz toll, leider sind sie oft nicht gerade von Erfolg gekrönt. Zumindestens bei mir nicht. ;) Noch schöner ist das Du der ehemaligen Besitzerin auch noch das Feedback geben konntest was mit Ihrer Uhr inzwischen passiert ist. Einfach super.

lg Christian
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Minzbonbon
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von Minzbonbon » Sa 4. Apr 2020, 19:10

Und nun noch eine Verschönerung. Ich habe die Eckverzierungen / Spandrels mit Goldlack lackiert. OK, vergolden wäre authentischer, aber schaut Euch mal das Ergebnis an: Ich finde das super gut. Und wenn ich an den Preisunterschied zwischen € 3,99 Goldlack bei Norma im Sonderangebot und dem Preis / Aufwand für's Vergolden denke, dann werde ich eben gnadenloser Opportunist.
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petsch
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von petsch » So 5. Apr 2020, 20:27

Hallo Thomas,
Gratulation zu der Geschichte der Uhr, immerhin der letzten fast 60 Jahre. Da hat sich die Mühe den Spuren nachzugehen doch gelohnt.
Gratulation auch zur gelungenen Reparatur/Restaurierung !
Bei skandinavischen Uhren sind die Eckverzierungen übrigens sehr oft "nur" aus Zinn (oder Blei ?) gegossen und mit Goldfarbe übermalt. Passt also zur Herkunft des Werks ;-)
Ich weiß gar nicht, ob man überhaupt mit aus Zinn gegossenen Verzierungen anders verfahren kann.

Gruß
Peter

Minzbonbon
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Re: Vorstellung und Fragen zu Standuhr

Beitrag von Minzbonbon » Di 7. Apr 2020, 17:55

Hallo Peter,
danke für das Lob. Die Spandrels sind wohl tatsächlich aus einer Zinn-Blei-Legierung mit recht niedrigem Schmelzpunkt, beim Anlöten der Gewindestifte musste ich arg aufpassen, dass sie mir nicht an der Lötstelle durchschmelzen. Bei einem fing das so gerade eben an, hat aber dann doch noch gut geklappt. Was meinst Du, sollte ich das Zifferblatt noch etwas auffrischen oder seine Patina so lassen? Und womit kann man die Vertiefungen der Ziffern auffüllen? Da ist recht viel von der schwarzen Füllmasse rausgebröselt, ich habe das nachgeschwärzt, aber original waren die Vertiefungen wohl mit irgendetwas gefüllt. Was könnte man da wohl nehmen?
LG - Thomas

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